Die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft schlägt Alarm, weil Feuerwehrleute immer häufiger im Einsatz attackiert werden. (Foto: Imago/Ralph Peters)
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Helfer unter Beschuss

So weit ist es schon gekommen: Die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft schlägt Alarm, weil Feuerwehrleute immer häufiger im Einsatz attackiert werden - und fordert Polizeischutz für ihre Einsatzkräfte an Silvester.

„Ich habe es selbst schon erlebt. Ich bin letztes Jahr mit einem Messer bedroht worden“, schildert ein Feuerwehrmann die gefährliche Situation. „Ich bin persönlich schonmal angefahren worden – weil einer unbedingt durch die Einsatzstelle fahren wollte“, ergänzt ein Kollege.

Gewalt gegen die Feuerwehr

Seit Jahren beobachten die Einsatz- und Rettungskräfte bei ihren Einsätzen zunehmende Gewaltbereitschaft, sogar gegen Sanitäter und Notärzte. Jetzt schlägt die Deutsche Feuerwehr-Gewerkschaft Alarm – und erhebt eine drastische Forderung: Polizeischutz für Einsatzkräfte an Silvester. Die Gewalt nehme dramatisch zu, sagt Siegfried Maier, stellvertretender Bundesvorsitzender und Bayern-Chef der Gewerkschaft. Zuvor hatte die Bild-Zeitung über die Forderung berichtet.

Regelmäßig werden die Einsatzfahrzeuge mit Raketen beschossen.

Siegfried Maier, Feuerwehrverband

„Immer mehr Kollegen haben Schwierigkeiten, weil sie im Einsatz bedroht werden“, sagt Maier der Deutschen Presse-Agentur. „Wir haben Angst, dass das noch schlimmer wird.“ An Tagen wie Silvester müsse darum künftig eine Polizeistreife standardmäßig Feuerwehr-Einsätze begleiten, fordert die Gewerkschaft. „Viele Massen, viel Alkohol, viel Spaß“, sagt Maier. „Regelmäßig werden die Einsatzfahrzeuge mit Raketen beschossen.“ Auch wenn seine Forderung viel zusätzliches Polizei-Personal bedeute: „Ich halte es für sehr schwer – aber möglich.“

Bedenken aus dem Innenministerium

Das bayerische Innenministerium weist die Forderungen zurück. Im Jahr 2017 kam es nach Ministeriumsangaben nur bei jedem 2500. Feuerwehreinsatz im Freistaat zu einer Straftat. Angriffe auf die Feuerwehr seien inakzeptabel und „ein absolutes Unding“, sagte ein Sprecher. Die Statistik des Landeskriminalamtes (LKA) zeige aber, „dass ein dauerhafter unmittelbarer ‚Polizeischutz‘ bei jedem Feuerwehreinsatz nicht gerechtfertigt wäre“. Nach LKA-Angaben gab es im Jahr 2017 insgesamt 88 Fälle von Gewalt gegen Feuerwehrleute in Bayern – verglichen mit 128 im Jahr 2013 und sogar 145 im Jahr 2012.

Im Ruhrgebiet gibt es regelrechte No-Go-Areas.

Tobias Thiele, Feuerwehrverband

Die Gewerkschaft geht allerdings von einer sehr viel höheren Dunkelziffer aus. Als Schwerpunkte der Gewalt gegen Feuerwehrleute nennt Maier Berlin und das Ruhrgebiet. „Aber auch in Bayern kommt es immer öfter vor. Die Kollegen werden beschimpft, sie werden bespuckt.“ Der Sprecher des Bundesverbandes, Tobias Thiele, nennt es ein bundesweites Problem. „Aber im Ruhrgebiet gibt es regelrechte No-Go-Areas.“ Und auch dort müssten die Feuerwehrleute teilweise in Zwei-Mann-Teams zum Einsatz antreten – da könne Polizeischutz helfen. Thiele meint: „Bei Fußballspielen geht das ja zum Beispiel auch, da kommen Verbindungsbeamte zum Einsatz.“

Diesen Werteverfall in unserer Gesellschaft dürfen wir auf gar keinen Fall akzeptieren.

Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister

In der Silvesternacht 2017 auf 2018 kam es bundesweit zu Angriffen auf Rettungskräfte. Sanitäter und Feuerwehrleute wurden bedroht sowie Polizeibeamte mit Böllern, Flaschen und Steinen beworfen. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte damals: „Menschen, die anderen Menschen helfen wollen, daran zu hindern, sie anzupöbeln, sie zu bespucken oder gar zu schlagen, das alles zeugt von einer menschenverachtenden Respektlosigkeit. Diesen Werteverfall in unserer Gesellschaft dürfen wir auf gar keinen Fall akzeptieren.“ 2017 wurde auch auf bayerischen Druck hin ein neuer Straftatbestand des „Tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte“ (§114 StGB) geschaffen, der eine Haftstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren ermöglicht.

Kampagne: Das gefährdet Menschenleben!

„Respekt – ja bitte!“ heißt das Kampagnen-Video auf der Gewerkschaftshomepage, das mit den zitierten Erfahrungsberichten der betroffenen Feuerwehrleute auf die Gewalt aufmerksam machen will. Die Botschaft: „Es ist nicht nur respektlos, sondern es gefährdet Menschenleben.“ Jeder Gewalttäter sollte sich fragen, was denn wäre, wenn es um sein eigenes Leben gehen würde.

Seit drei Jahren beschäftige sich die Feuerwehr mit dem Thema, sagt Maier. Wie groß das Problem wirklich sei, wisse aber selbst die Gewerkschaft nicht – weil Vorfälle nicht zentral erfasst würden. „Wir brauchen endlich ein zentrales Meldesystem“, fordert Maier.

Unfassbare Taten gegen die Retter

Gewalt gegen Rettungskräfte ist kein neues Phänomen, aber eines mit zunehmender Brisanz. Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) meldete Mitte November für dieses Jahr 86 Fälle von Attacken auf Helfer – von Beleidigungen und Anspucken über Schläge und Tritte bis hin zu seltenen Fällen von Waffengewalt. Die tatsächliche Zahl dürfte aber höher sein, weil nur 30 von 73 Kreisverbänden überhaupt Meldungen abgegeben haben.

Im April wurden bei einer Party im Englischen Garten in München die Rettungssanitäter von Jugendlichen erst beleidigt, dann attackiert und sogar mit Flaschen beworfen. Während die Sanitäter einer durch Alkoholkonsum bewusstlosen jungen Frau eine Infusionsnadel setzen wollten, schüttelten die Jugendlichen den Rettungswagen hin und her. Die Polizei musste dann die schützen, die helfen sollten und wollten. Der Sprecher der Münchner Polizei, Werner Kraus, sagte damals der Tageszeitung Die Welt, die Täter stammten „aus gewissen sozialen Schichten“, die „gegen die Polizei aufmarschiert“ und denen „es gefällt, gegen die Staatsobrigkeit zu pöbeln“. Kraus sagte weiter, er wisse nicht, ob die zunehmende Gewaltbereitschaft „an gesellschaftlichen Veränderungen liegt oder ob es ein Erziehungsproblem gibt“.

(dpa/BK)