Volker Ullrich, innen- und rechtspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe, ist neuer Vorsitzender der CSA. (Foto: Stephan Reichl/CSU)
Arbeitnehmer

„Wir brauchen das ‚C‘ als Kompass“

Interview Die CSA-Landesversammlung wählte den Augsburger Bundestagsabgeordneten Volker Ullrich zum neuen Landesvorsitzenden. Er folgt auf Joachim Unterländer, der nicht mehr antrat. Im BAYERNKURIER erläutert Ullrich seine Pläne für die Arbeitsgemeinschaft.

Herr Ullrich, mit 99 Prozent hat die Landesversammlung der Christlich-Sozialen Arbeitnehmerschaft (CSA) Sie zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Was sind die wichtigsten Anliegen, die Sie in diesem neuen Amt voranbringen wollen?

Das große Vertrauen bringt eine ebenso deutliche Verpflichtung mit sich. Unser Kernanliegen muss sein, das Vertrauen in die Handlungsfähigkeit der Politik wieder zu stärker. „Näher am Menschen“ war das glaubwürdigste Motto, das die CSU jemals hatte – und dazu müssen wir wieder zurückkehren. Wir brauchen das „C“ als Kompass für unsere Werte und das „S“ als tragende Säule unserer Politik. Gewiss, es geht uns in Deutschland insgesamt gut. Wir müssen uns aber fragen, wie wir jeden Tag das Leben der Menschen noch etwas besser machen können. Dazu gehört ebenso Empathie für die Probleme der Menschen, denen es nicht so gut geht. In der Sozial- und Wirtschaftspolitik liegt der Schlüssel zum Erfolg. Die große Mehrzahl der Menschen in unserem Land war oder ist als Arbeitnehmer tätig. Von der Digitalisierung und Arbeit 4.0 über die Zukunft der sozialen Sicherungssysteme bis hin zu Pflege und Wohnen liegen hier die wichtigen Themen. Daraus erwächst die große Verantwortung der CSA. Wir müssen dazu mutig und innovativ die notwendigen Debatten führen und in die CSU und die Öffentlichkeit tragen.

Die Anliegen der Menschen, die morgens aufstehen, sich um ihre Familie kümmern und einer Beschäftigung nachgehen, vielleicht auch noch ihre Eltern pflegen, gehören in den Mittelpunkt unserer Überlegungen.

Volker Ullrich, CSA-Landesvorsitzender

Bisher sind Sie vor allem als Innen- und Rechtspolitiker aufgetreten sowie als Unterstützer der verfolgten Christen im Nahen Osten. Inwiefern hat das mit der CSA und der Lage der Arbeitnehmer in Bayern zu tun, wie hängen diese Dinge für Sie zusammen?

Ich komme aus Augsburg. Die Stadt ist seit jeher geprägt von großen Produktionsunternehmen, von denen einige in den letzten Jahren große Schwierigkeiten hatten – mit der Folge bitterer Arbeitsplatzverluste. Ich weiß daher um den Wert einer niedrigen Arbeitslosigkeit und hoher Beschäftigung, vom Wert also eines gelingenden sozialen Zusammenhalts. Dafür habe ich mich seit jeher eingesetzt. Verbindungen zur Rechtspolitik gibt es übrigens auch. Ich denke da nur an das Thema Wohnen oder Verbraucherschutz. Die Anliegen der Menschen, die morgens aufstehen, sich um ihre Familie kümmern und einer Beschäftigung nachgehen, vielleicht auch noch ihre Eltern pflegen, gehören in den Mittelpunkt unserer Überlegungen. Dazu will ich einen Beitrag leisten.

Die drei CDU/CSU-SPD-Koalitionen seit 2005 haben viele sozial- und arbeitsmarktpolitische Ziele in Gesetzesform gegossen, die allerdings meistens der SPD zugerechnet wurden und die bei der CSU nicht immer einhellige Freude ausgelöst haben: vom Mindestlohn über die Frauenquote bei Vorständen bis hin zum neuen Sozial- und Rentenpaket. Welche Richtung soll die CSA unter Ihrer Führung einschlagen: Eher in Richtung „Herz-Jesu-Marxismus“, wie Franz Josef Strauß einmal schmunzelnd formulierte, oder würden Sie eher daran erinnern, dass alle Sozialausgaben erst einmal erwirtschaftet werden müssen?

Natürlich müssen Sozialabgaben erst einmal erwirtschaftet werden. Das kann auf Dauer nur nachhaltig geschehen, wenn wir eine starke und wettbewerbsfähige Wirtschaft haben. Wahr ist aber auch, dass Wertschöpfung ohne Arbeitnehmer nicht möglich ist und ein stabiler sozialer Zusammenhalt elementar für das Wohlergehen einer Gesellschaft sorgt. Im Übrigen waren Verbesserungen bei der Mütter- oder Erwerbsminderungsrente oder die Einführung eines Mindestlohns auch ureigene Anliegen der CSU. Insgesamt gilt: Die  Menschen fragen nach der Zukunft der Rente ebenso wie nach der Höhe der Arbeitseinkommen. Sie beschäftigen sich mit der Zukunft der Pflege, mit bezahlbarem Wohnraum, mit Bildung, mit Kinderbetreuung, dem Gesundheitswesen und sorgen sich angesichts von Digitalisierung auch um die Zukunft der Arbeit, gerade im ländlichen Raum. Hier müssen wir für die breite Mitte der Gesellschaft überzeugende Antworten finden.

Wenn die Menschen mehr Geld in der Tasche haben, hat das auch einen positiven Effekt auf Wachstum und Arbeitsplätze.

Volker Ullrich

Immer mehr Arbeitnehmer stöhnen unter der hohen Steuerlast. Würden Sie spürbare Steuersenkungen auch als zukunftsweisende Arbeitnehmerpolitik sehen?

Eine steuerliche Entlastung ist notwendig, gerade für Familien mit Kindern. Hier macht das Familienentlastungsgesetz einen Anfang, insbesondere mit der Abschaffung der kalten Progression. Auch das Baukindergeld ist eine klare Ansage des Staates. Aber das genügt mir nicht. Wir müssen die Kraft haben, den Solidaritätszuschlag bis 2021 komplett abzuschaffen. Für geringere Einkommen brauchen wir zudem eine stärkere Entlastung bei den Sozialbeiträgen. Es ist auch nicht falsch, mal über die Steuersätze bei der Umsatzsteuer zu sprechen. Alles zusammen führt zu deutlichen Entlastungen für die Bevölkerung. Wenn die Menschen mehr Geld in der Tasche haben, hat das auch einen positiven Effekt auf Wachstum und Arbeitsplätze.

Von der Katholischen Soziallehre und Evangelischen Sozialethik hört man vor allem dann, wenn es um das Wirtschaftssystem und die Ordnungspolitik, um das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sowie dem Einzelnen und dem Staat geht: Der Mensch in seiner Würde als Gottes Ebenbild, als Individuum, der ein Recht auf freie Entfaltung hat. Aber auch als Teil der Gemeinschaft, der Verantwortung für die Mitmenschen trägt. Wo würden Sie sich und die CSA in diesem Spannungsfeld verorten?

Die Banken- und Finanzkrise hat weltweit den Glauben der Menschen in Fairness und Gerechtigkeit erschüttert und zu einem tiefen Vertrauensverlust gegenüber Institutionen geführt. Der Aufstieg populistischer Gruppierungen begann in vielen Staaten wohl nicht zufällig mit diesem Ereignis. Die Antwort darauf kann nur sein, dass Risiko und Haftung sowie Ursache und Verantwortung wieder in Einklang zu bringen sind. Hier befinden sich übrigens Arbeitnehmer aber auch Mittelständler in einem Boot. Es geht im Kern um die Frage, wie eine Gesellschaft ihre Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung organisieren sollte. Eine immer noch aktuelle und ebenso bestechende Antwort gibt darauf das christliche Menschenbild. Im Mittelpunkt steht die Individualität mit der notwendigen Eigenverantwortung, aber eben auch die stützende Hand der Solidargemeinschaft. Wer eine der beiden Säulen aufgeben möchte, riskiert dass alles nicht mehr funktioniert. Das gilt es zu verhindern.

Die Fragen stellte Wolfram Göll.