Bundesinnenminister Horst Seehofer. (Foto: Imago/Markus Heine)
Heimatstrategie

Gut leben in ganz Deutschland

Ein umfassendes Konzept zur Struktur- und Heimatpolitik hat Bundesinnenminister Horst Seehofer im Bundestag vorgestellt. Ziel ist die Schaffung gleichwertiger Lebensbedingungen und Chancen in ganz Deutschland – Ost wie West, Stadt wie Land.

Bundesinnenminister Host Seehofer hat seine strukturpolitischen Leitlinien zur Heimatstrategie im Bundestag vorgelegt. Mit massiven Investitionen in strukturschwachen Regionen, Sicherung der dortigen Einrichtungen zur Daseinsvorsorge wie Krankenhäusern und Schulen, mit der Modernisierung der Infrastruktur sowie mit der Erhöhung der Finanzkraft der betroffenen Kommunen will der CSU-Chef gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland schaffen. Die Einzelheiten dieser Strukturoffensive werde der Bundestag sowie eine Kommission erarbeiten.

Fragen nach persönlicher Lebensqualität, individueller Entfaltungsmöglichkeit in den Problemregionen und einem guten Zusammenleben vor Ort.

Horst Seehofer (CSU), Bundesinnenminister

„Deutschland steht ohne jeden Zweifel insgesamt gut da. Aber wir müssen auch sehen, dass die Lebensverhältnisse in den einzelnen Regionen höchst unterschiedlich sind. Auf der einen Seite überhitzte Ballungsräume, auf der anderen Seite Regionen mit objektiv strukturellen Problemen, Regionen, in denen die Menschen das Gefühl haben, abgehängt zu sein“, erklärte der Innenminister im Bundestag. An dieser Stelle habe der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD einen Schwerpunkt gesetzt, bei den „Fragen nach persönlicher Lebensqualität, individueller Entfaltungsmöglichkeit in den Problemregionen und einem guten Zusammenleben vor Ort“.

Langfristige Aufgabe

Seehofer erklärte weiter, er habe eine neue Heimatabteilung in Bundesinnenministerium geschaffen, die sich mit diesen Fragen befasse. Diese Thematik werde die deutsche Politik insgesamt „in den nächsten Monaten und Jahren intensiv beschäftigen“, sagte er voraus und warnte gleichzeitig: „Gleichwertige Lebensverhältnisse werden wir nicht erreichen durch einen zentralstaatlichen Dirigismus, sondern durch ein partnerschaftliches Zusammenwirken von Bund, Ländern und Kommunen.“ Der Innenminister betonte: „Das benötigt einen langen Atem, das ist ein langfristiger Prozess, den wir aber schärfer einleiten müssen als in der Vergangenheit.“

Gleichwertigkeit der Lebenschancen heißt nicht Gleichmacherei.

Horst Seehofer

Die Kommunen seien hier von zentraler Bedeutung, weil die Menschen dort leben und ihre Lebensmittelpunkt haben. Die Finanzkraft der Kommunen in Deutschland sei dabei „höchst unterschiedlich“, so Seehofer. „Auch damit müssen wir uns intensiv befassen.“ So hätten manche Kommunen Altschulden, die ihnen die Gestaltungsmacht nähmen. Die Kommunen könnten teilweise nichts für ihre Altschulden, „weil sie massive Strukturveränderungen erlebt haben“, die sie auf lange Zeit belasteten. Als Beispiele nannte Seehofer das Saarland mit dem Niedergang von Kohle und Stahl sowie Bremen und die Werftenkrise.

Gegen sozialistische Umverteilung und Planwirtschaft

Auch grenzte Seehofer seine Heimatstrategie scharf ab von Umverteilungsphantasien, wie die Linkspartei hier fordert. „Gleichwertigkeit der Lebenschancen heißt nicht Gleichmacherei“, sagte der Innenminister. „Wir wollen gleiche Chancen den Menschen in allen Teilen Deutschlands eröffnen, aber das heißt nicht identische Verhältnisse überall.“ Ausdrücklich sagte Seehofer: „Die regionale und kulturelle Vielfalt zeichnet unser Land aus. Diese regionale und kulturelle Vielfalt ist die Grundlage unseres Wohlstands, der politischen Stabilität und der kulturellen Identität.“ Er unterstrich: „Es sollte nicht unser Bestreben sein, die Vielfalt in unserem Lande in eine Gleichmacherei überzuführen.“

Wenn aus einer Region die Einrichtungen der Daseinsvorsorge verschwinden – Bildung, Krankenhäuser – ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Menschen aus dieser Region abziehen.

Horst Seehofer

Wichtig sei: „Wenn aus einer Region die Einrichtungen der Daseinsvorsorge verschwinden – Bildung, Krankenhäuser – ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch die Menschen aus dieser Region abziehen, um den Einrichtungen zur Daseinsvorsorge zu folgen“, sagte Seehofer. „Dafür wollen wir keinen planwirtschaftlichen Akt auflegen, sondern man erreicht solche Ziele nur mit einem Förder- und Anreizsystem“ – sowie der Unterstützung der verantwortlichen Ebenen vor Ort. Der Bund-Länder-Finanzausgleich sei bei der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Deutschland hilfreich, reiche aber nicht aus, um strukturelle Probleme zu beheben. Als Beispiel nannte Seehofer, dass die ostdeutschen Länder etwa nur halb so viel Steuerkraft aufwiesen wie die westdeutschen.

Staat muss für Folgen seiner Entscheidungen einstehen

Zudem müsse der Staat dafür garantieren, dass er auch für die Folgen seines eigenen Handelns einstehe. „Wir sollten uns einig sein, dass der Staat, wenn er Änderungen veranlasst, also Quelle und Ursache der Veränderungen ist, dass der Staat dann auch in der Pflicht steht, diese Veränderungen und Nachteile auszugleichen.“ Als Beispiel nannte Seehofer den geplanten Kohleausstieg: „Wenn man sich politisch aus guten Gründen für den Ausstieg aus der Kohlekraft entscheidet, sind wir es der Bevölkerung der betroffenen Regionen schuldig, gleichzeitig auch eine Antwort mitzuliefern, wie wir diese strukturelle Veränderung ausgleichen, so dass die Menschen in ihrer Heimat bleiben könne. Das halte ich für ganz wichtig.“

Als Datengrundlage werde sein Haus einen „Deutschland-Atlas“ mit genauer Messung der Lebensverhältnisse und Infrastruktur in jeder Region erarbeiten, „damit klar ist, wo sind objektiv die Probleme am größten“, so Seehofer. Auf dieser Grundlage sollen dann Bund, Länder, Kommunen und Wirtschaft gezielte Maßnahmen ergreifen. Dann könne auch jeder Abgeordnete und die Öffentlichkeit nachvollziehen, welche Regionen besonderen Handlungsbedarf haben. „Ich schlage vor, dass wir unsere Tätigkeiten dann auch auf diese Räume konzentrieren“, sagte der Innenminister abschließend.