Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zeigt sich zufrieden mit dem ausgehandelten Koalitionsvertrag. (Foto: Picture Alliance/Matthias Balk/dpa)
Regierung

„Die Bayern-Koalition steht“

CSU und Freie Wähler haben sich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. In allen wichtigen Punkten wird die Politik der bisherigen Staatsregierung fortgesetzt. Drei Ministerien werden künftig von den Freien Wählern geführt.

Die Koalitionsregierung aus CSU und Freien Wählern steht. Am Sonntag stimmten die Parteigremien von CSU und Freien Wählern dem in nur zwei Wochen ausgehandelten Koalitionsvertrag zu. Bei der CSU votierten sowohl der Parteivorstand als auch die Landtagsfraktion einstimmig für den 60 Seiten starken Vertrag mit den Freien Wählern.

Koalition für die Zukunft

In der Präambel ihres Koalitionsvertrags legen CSU und Freie Wähler die Leitlinien ihrer Regierungsarbeit fest. Beide Parteien definieren ihre gemeinsame Regierung als „Koalition der Freiheit“ und als „Zukunftskoalition“. Bayern solle „nachhaltiger, moderner und ökologischer“ werden, betonen sie. Die Zusammenarbeit sei getragen von einem „gemeinschaftlichen bürgerlichen Geist“. CSU und Freie Wähler sichern zu, sie wollten „kraftvoll und engagiert zum Wohle des Freistaats“ arbeiten.

Der Koalitionsvertrag trägt dabei weitgehend die Handschrift der CSU. Bei zentralen Themen wie der Inneren Sicherheit, der Migrationspolitik und dem Ausbau des Forschungs- und Wissenschaftsstandortes Bayern wird der bisherige Kurs der Staatsregierung fortgeführt. Veränderungen und Verbesserungen haben beide Parteien vor allem bei der Förderung von Familien sowie dem Natur- und Umweltschutz vereinbart.

Es geht darum: Was ist gut für Bayern, was nützt Bayern, wo kann Bayern sich weiterentwickeln.

Markus Söder

Parteichef Horst Seehofer lobte dann auch das Resultat der Verhandlungen. Er sei mit der inhaltlichen Ausrichtung des Koalitionsvertrags „insgesamt rundum zufrieden“, sagte er. Der Vertrag verspreche für Bayern eine gute Zukunft. Ausdrücklich dankte Seehofer Ministerpräsident Markus Söder und seinem Team für eine Verhandlung, wie er sie so nicht erlebt habe: „In einer so kurzen Zeit, mit einer so hohen Disziplin und mit einem sehr positiven Ergebnis.“

Anerkennung für die Freien Wähler

Ministerpräsident Söder zeigte sich ebenfalls sehr zufrieden mit der Vereinbarung. Der „Vertrag sei ein gutes Werk“, sagte Söder. „Die Bayernkoalition steht.“ Bei den Inhalten des Vertrags sei es vor allem darum gegangen, „was ist gut für Bayern, was nützt Bayern, wo kann Bayern sich weiterentwickeln“, fasste der Ministerpräsident die Gespräche zusammen. Er lobte die vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre mit den Freien Wählern und zollte ihnen Respekt für ihre „harte aber stets sachorientierte“ Verhandlungsweise.

Der Koalitionsvertrag, so Söder, sei ein gutes Kursbuch für Bayerns Zukunft. Die Koalition mit den Freien Wählern garantiere Stabilität, beinhalte aber „kein einfaches weiter so“. Kernprojekte der CSU könnten fortgesetzt werden, dazu kämen Verbesserungen, dort wo es den Wunsch der Bevölkerung und den Bedarf dafür gebe. Söder hob einige zentrale Ergebnisse hervor:

„Es wird eine solide Zusammenarbeit sein“: Alle beschlossenen Punkte stünden unter dem Gesichtspunkt solider und stabiler Finanzen. Söder bezifferte die Gesamtkosten der vereinbarten Maßnahmen und Projekte auf etwa 1,2 Milliarden Euro im Doppelhaushalt. Ein großer Posten ist die Lösung für die entfallenden Straßenausbaubeiträge. Dafür sollen die Kommunen im nächsten Jahr 100 Millionen Euro vom Freistaat erhalten, von 2020 an dann jeweils 150 Millionen Euro. Außerdem soll es einen Fonds von 50 Millionen Euro geben, mit dem Härtefälle für die Zeit vom 1. Januar 2014 an geregelt werden können.

Im Koalitionsvertrag bekennen sich beide Parteien ausdrücklich zu einem „Haushalt ohne Neuverschuldung“. Auch im Doppelhaushalt 2019/20 und in den darauffolgenden Jahren werde man ohne neue Schulden auskommen. Auch die ab 2020 geltende Schuldenbremse werden Bayern einhalten. Den Schuldenabbau wollen CSU und Freie Wähler fortsetzen. Bis zum Jahr 2030 soll Bayern schuldenfrei sein.

„Wir verfolgen weiter die klare Linie eines starken Staates“: Sowohl in der Asylpolitik als auch in der Inneren Sicherheit wird die bisherige Politik der CSU fortgesetzt. So bleibt es beim geplanten personellen Ausbau der Polizei, auch der Grenzpolizei, die von derzeit 500 auf 1000 Beamte aufgestockt werden soll. Verbesserungen, so Söder, werde es für die Polizeibeamten geben. Die neuen Stellen bei der Polizei sollen auch dazu dienen, Überstunden abzubauen. „Unser Ziel ist es, dass jährlich mindestens 10 Prozent der angefallenen Überstunden abgebaut werden können“, steht dazu im Koalitionsvertrag. Zusätzlich will die neue Regierung Möglichkeiten schaffen, die Überstunden auszuzahlen. Die Nachtdienstzuschläge bei der Polizei sollen im Laufe der Legislaturperiode auf fünf Euro pro Stunde angehoben werden.

Konsequenter Kurs in der Asylpolitik

In der Asylpolitik bleiben die von der CSU eingeführten Anker-Zentren und das Bayerische Landesamt für Asyl und Rückführungen bestehen. Auch zu den weiteren Maßnahmen des bayerischen Asylplans bekennt sich der Koalitionsvertrag. So werden Asylbewerber weiterhin vorrangig Sachleistungen erhalten. Bayern wird auch künftig eigene Abschiebeflüge durchführen. Zudem soll ein „größeres bayerisches Engagement in den Herkunftsländern“ geprüft werden, um „Rückführungen zu erreichen und human zu begleiten“.

Einen „Spurwechsel“ vom Asyl- ins Einwanderungsrecht lehnt die Koalition ab. Besondere Integrationsleistungen von Asylbewerbern sollen aber „im Einzelfall“ anerkannt werden. Die 3+2 Regelungen für Asylbewerber mit einem Ausbildungsplatz will die Regierung  „offensiver“ auslegen. Ausdrücklich erwähnt der Koalitionsvertrag Pflegekräfte: Wer sich dazu ausbilden lasse, habe eine Chance auf ein Bleiberecht – „vorausgesetzt er verhält sich rechtstreu, ist nicht straffällig geworden und erfüllt die Anforderungen der Ausbildung“.

Wir haben Gebührenfreiheit mit Wahlfreiheit gekoppelt.

Markus Söder

Auch beim Polizeiaufgabengesetz will die neue Regierung nachsteuern. Der bereits bestehende Richtervorbehalt bei polizeilichen Maßnahmen soll ausdrücklich im Gesetz festgeschrieben werden. Zudem will die Koalition prüfen, ob „hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Begriffs ‚drohende Gefahr‘ gesetzliche Anpassungen notwendig“ seien.

„Es ist eine Zusammenarbeit, die nicht von einer Verbotskultur getragen ist“: Bürgernah, so Söder, wolle die neue Regierung sein, nicht bürokratisch. Es gehe um weniger Regulation und um mehr Freiheit, auch bei der Zusammenarbeit mit den Kommunen.

„Wir sind eine Familienkoalition“: Die Koalition bringe ein „einmaliges Familienpaket auf den Weg“, sagte Söder. Das bayerische Familiengeld bleibt dabei erhalten. Dazu haben die Koalitionspartner vereinbart, dass die Kostenfreiheit der Kinderbetreuung ausgeweitet wird. So erhalten künftig Eltern auch für das erste und zweite Kindergartenjahr 100 Euro monatlich. Bisher galt das für das dritte Jahr.

Darüber hinaus sollen ab 2020 auch Eltern ein- und zweijähriger Kinder, die eine Krippe oder Tagesbetreuung besuchen, 100 Euro pro Monat bekommen. Dies sei ein deutschlandweit einmaliges Modell, so Söder. „Wir haben Gebührenfreiheit mit Wahlfreiheit gekoppelt.“

Gründungszuschuss für Hebammen

Das Angebot an Betreuungsplätzen soll, wie von der CSU bereits beschlossen, weiter ausgebaut werden. Bis 2023 sollen so 42.000 Plätze für Kinder im Alter von null bis sechs Jahren neu entstehen. Dazu kommen, ebenfalls von der CSU bereits auf den Weg gebracht, 2000 Tagespflegepersonen für die kommenden fünf Jahre, um bessere Betreuungszeiten zu ermöglichen.

Weiter unterstützen will die Koalition auch die Hebammen. Neben dem bereits eingeführten Hebammenbonus von 1000 Euro pro Jahr soll Geburtshelferinnen, die sich niederlassen wollen, ein „Gründerpaket in Höhe von 5000 Euro“ angeboten werden. Dies solle den Einstieg in den Beruf erleichtern.

„Wir wollen Stadt und Land gemeinsam in den Blick nehmen“: Dazu zählten Strukturverbesserungen im ländlichen Raum ebenso wie die Probleme der Großstädte, sagte Söder. Er nannte als Beispiele den Verkehr und die Versorgung mit Wohnraum. Der Koalitionsvertrag sieht vor, den öffentlichen Nahverkehr deutlich zu stärken. Für die Regionen München, Nürnberg/Fürth/Erlangen, Augsburg, Regensburg, Ingolstadt und Würzburg soll ein „365-Euro-Jahresticket“ eingeführt werden. Um den Nahverkehr im ländlichen Raum auszubauen, sollen die Zuweisungen von 75 Millionen Euro auf nahezu 100 Millionen Euro aufgestockt werden. Zudem soll bayernweit die Anschaffung von 2000 Bussen, 100 Trambahnen und 50 U-Bahnen gefördert werden.

Beim Wohnungsbau bleibt es bei den Plänen der bisherigen Staatsregierung. So soll die staatliche Gesellschaft BayernHeim 10.000 neue Wohnungen errichten. Die bayerische Eigenheimzulage und das Baukindergeld Plus bleiben erhalten.

Bekenntnis zum Naturschutz

Ein klares Bekenntnis liefert der Koalitionsvertrag zu einer flächendeckenden medizinischen Versorgung im ländlichen Raum. Hier sollen die Krankenhausstrukturen erhalten und bedarfsgerecht weiter entwickelt werden. Wörtlich heißt es dazu: „Mit gezielten Strukturfördermaßnahmen (Geburtshilfe, kleine Krankenhäuser) werden wir auch in ländlichen Räumen eine wohnortnahe Krankenhausversorgung sicherstellen.“

„Wir setzen ein bewusstes Signal für Nachhaltigkeit“: Der Klimaschutz soll in die Verfassung aufgenommen werden. Zudem werde es ein eigenes Bayerisches Klimaschutzgesetz geben, kündigte Söder an. „Das soll zeigen, dass Bayern nicht auf andere verweist, sondern selber einen Beitrag leistet.“ In dem Gesetz sollen laut Koalitionsvertrag konkrete CO2 Ziele verankert werden. „Unser Ziel ist es, die Treibhausgasemissionen in Bayern bis 2050 auf unter zwei Tonnen je Einwohner und Jahr zu reduzieren“, heißt es dazu. Eine Landesagentur für Energie und Klimaschutz soll den Ausbau erneuerbarer Energien weiter voranbringen. Die bewährte 10H-Abstandsregel für Windräder gilt auch künftig.

Den Flächenverbrauch will die neue Regierung deutlich reduzieren. Dazu wird in Bayern eine Richtgröße für den Flächenverbrauch von fünf Hektar pro Tag im Landesplanungsgesetz angestrebt. Man werde dies „mit den Kommunen und nicht gegen die Kommunen“ umsetzen, betonte Söder. Der Ministerpräsident kündigte auch zwei Änderungen beim Landesentwicklungsprogramm an. Zum einen werde die Neuregelung beim Anbindegebot evaluiert. Zudem würden die Änderungen beim Alpenplan zurückgenommen. Mit ihnen sollte ursprünglich ein neuer Skilift am Riedberger Horn im Allgäu ermöglicht werden. „Wir setzen damit ein Signal, ‚wir haben verstanden‘“, begründete Söder die Korrektur.

Der Koalitionsvertrag enthält darüber hinaus noch weitere Maßnahmen zur Stärkung des Natur-und Umweltschutzes: So sollen, um die Artenvielfalt zu bewahren, die Flächen für das Vertragsnaturschutzprogramm verdoppelt werden. Ebenfalls verdoppelt werden soll der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Flächen in der Landwirtschaft. Zehn Prozent der staatlichen Waldflächen sollen dauerhaft als „nutzungsfreie Naturschutzflächen“ von der forstwirtschaftlichen Nutzung ausgenommen werden.

Spitzenforschung und Hochschulausbau

Einig sind sich die Koalitionspartner auch darüber, den Freistaat weiter als Spitzenstandort in Wissenschaft und Forschung auszubauen. So werden die von der CSU angestoßenen Leuchtturmprojekte weiter verfolgt. Dazu gehört das bayerische Luft- und Raumfahrtprogramm ebenso wie die Medizinforschung, die Robotik und die Künstliche Intelligenz, die zur „bayerischen Schlüsseltechnologie“ gemacht werden soll. Auch an den bereits beschlossenen Ausbauplänen für Hochschulen hält die Koalition fest. Man werde alle Projekte umsetzen, heißt es dazu. „Im Endausbau werden wir mindestens 18.000 Studienplätze mit der dazugehörenden personellen Ausstattung neu schaffen“, halten die Koalitionspartner fest.

Nicht einigen konnten sich CSU und Freie Wähler beim Thema Flughafenausbau. Hier bestehe ein „Dissens“, so Söder. Vereinbart wurde daher, die Planungen für den Bau der dritten Startbahn am Münchner Flughafen für die fünf Jahre dauernde Legislaturperiode nicht weiterzuverfolgen.

Drei Ministerien für die Freien Wähler

Vereinbart wurde auch die künftige Verteilung der Ministerien. Die Freien Wähler werden demnach das Wirtschaftsministerium, das um die Zuständigkeit für die Landesplanung ergänzt wird, das Kultusministerium und das Umweltministerium übernehmen. Neu geschaffen wird ein eigenständiges Digitalisierungsministerium. Insgesamt wird die CSU in der neuen Regierung zehn Minister stellen, die Freien Wähler drei.

Der Koalitionsvertrag soll an diesem Montag unterzeichnet werden. Bereits am Dienstag soll Markus Söder dann im Landtag erneut zum Ministerpräsidenten gewählt werden. Das neue Kabinett soll eine Woche später, am 12. November, vereidigt werden.