Gebete und Orgelklänge: Moderatoren beim katholischen Radio Horeb in Balderschwang. (Foto: Radio Horeb)
Wahl

Im Himmel der CSU

Im Allgäuer Bergdorf Balderschwang haben die Wähler mit Rekordwert für die Christsozialen gestimmt: 82,7 Prozent. Der höchste Zweitstimmen-Anteil im ganzen Freistaat - in einem Ort voller toleranter Konservativer und Katholiken auf Sendung.

Das Gipfelkreuz auf dem Gelbhansekopf ragt ins blaue Firmament, als wär’s ein Sendemast für die Verbindung zum Herrgott. Unten vor der Dorfkirche St. Anton in Balderschwang steht der religiöse Radiomacher und sinniert, warum das Bergdorf so stark am Christlichsozialen hängt. „Ich glaube, die Natur erzwingt die Geschlossenheit“, sagt Peter Sonneborn, Geschäftsführer von „Radio Horeb“, das seit 1996 aus einem Holzhaus neben der Kirche Orgelmusik und Live-Übertragungen von Gottesdiensten sendet. Die Bewohner hätten sich wohl irgendwann „auf konservative Werte geeinigt“, mutmaßt der Theologe.

Großer Erfolg der kleinen Zahlen

Dass sie an diesen Werten festhalten, glaubt Sonneborn auch am Ergebnis der CSU bei der Landtagswahl zu erkennen. 82,7 Prozent der Zweitstimmen hat die Partei in der 363-Seelen-Kommune erreicht. Der höchste Wert im gesamten Freistaat. Von den 75 gültigen Stimmen gingen in Balderschwang 62 an die CSU.

Die Andersdenkenden könnte Bürgermeister Konrad Kienle auf einem Spaziergang durch das langgezogene Dorf kurz vor der österreichischen Grenze persönlich besuchen. Vier Grüne, vier Freie Wähler, drei AfDler, jeweils einen Sozialdemokraten und einen Liberalen. Aber, so sagt CSU-Mann Kienle im Dorfhaus gegenüber von St. Anton, er „würde die natürlich niemals ansprechen“. Toleranz und Zurückhaltung hält er in so einer kleinen Gemeinde für politische Kerntugenden. Bei Kommunalwahlen stellt er eine offene Liste, auf der auch grün und rot angehauchte Gemeinderatsbewerber kandidieren können. „Ich will doch alle Köpfe mit guten Ideen dabei haben“, erklärt der rundliche Herr mit dem Schnauzbart.

Was wäre denn besser als die CSU?

Josef Steurer, Landwirt

Einige hundert Meter von Kirche und Rathaus entfernt betreibt Landwirt Josef Steurer zwischen Mai und Oktober die Alpe Unterbalderschwang. Seine fünfzig Milchkühe hat der Österreicher schon nach dem Wahltag über die Grenze nach Hittisau hinabgetrieben. Bäuerin Anni verkauft von einem kleinen Holztisch im Kellerabgang abgepackten Bergkäse. Kunden können den Kas in eine Holzschachtel mit Wechselgeld bezahlen. „Danke für Ihre Ehrlichkeit“, hat sie auf einen Zettel geschrieben.

Mitgewählt haben die beiden Österreicher nicht. Aber Herr Steurer kennt seine Nachbarn genau: „Die haben hier immer schon CSU gewählt. Und sind ja auch nicht schlecht damit gefahren.“ Der Bauer klettert im Stadl seines Hofs hinauf in die Führerkanzel eines roten Hebekrans und beginnt, Heuballen von einer Ecke in die andere zu verfrachten. Im elektrischen Summen des Krans fällt ihm ein „obwohl“ ein. Enttäuscht seien viele in Balderschwang ja schon gewesen nach dem abrupten Ende der Pläne für das Skigebiet am Riedberger Horn. Andere hingegen seien empört gewesen über den Umgang mit der Natur, auch das spiegle das Wahlergebnis: „Die Grünen haben auch zugelegt“, sagt Steurer.

Nach dem Ende der Skischaukel

Weit über ihre Ortsgrenzen hinaus bekannt wurden die Gemeinden Balderschwang und die Nachbargemeinde Obermaiselstein in den vergangenen Jahren wegen des Streits um die so genannte „Skischaukel“ am den Gipfel des Riedberger Horns. Per Lift sollten die Balderschwanger Pisten mit denen in Grasgehren auf der anderen Seite des Bergs verbunden werden. Umweltschützer und Alpinisten protestierten massiv. Bis Ministerpräsident Markus Söder das Projekt einige Zeit vor der Wahl um „mindestens zehn Jahre“ vertagte. Für so manchen Bürger in dem Hochtal, in dem viele vom Fremdenverkehr leben, ein Rückschlag. Hatte die Staatsregierung sie doch erst im Herbst 2016 per Bürgerentscheid darüber abstimmen lassen. In Obermaiselstein wollten 68,3 Prozent, in Balderschwang gar 85 Prozent den Zusammenschluss der Skigebiete.

Die Enttäuschung über Söders Entscheidung hätte auch in Stimmverluste bei der Landtagswahl umschlagen können. Aber laut Bürgermeister Kienle ist „die Sache letztendlich sensationell für uns gelaufen“. Denn statt der Skischaukel sollen die beiden Dörfer nun ein Naturerlebniszentrum bekommen, vergleichbar mit dem „Haus der Berge“ in Berchtesgaden. Rund 20 Millionen Euro aus bayerischen Finanzkassen sollen in naturnahen Tourismus investiert werden.

Hilfe beim Wohnungsbau

Dieses alternative Förderprogramm führt der Dorf-Chef als eines von mehreren Beispielen an, „warum gerade kleine Gemeinden wie wir gut aufgehoben sind in Bayern“. Er meint Unterstützung wie die für den kommunalen Wohnungsbau, mit der Balderschwang gerade unweit von Landwirt Steurers Alpe 18 Wohnungen errichtet. Auch das 1,8 Millionen Euro teure Dorfhaus, das er im September eröffnet hat, ist zur Hälfte aus öffentlicher Förderung bezahlt.

Eher gering schätzt Kienle den Einfluss von Radio Horeb auf die konservative Wahlentscheidung der Balderschwanger ein. Kein Wunder, denn die Station ist im Ort nur schwer zu empfangen. Verzweifelt läuft ein älteres Ehepaar aus Düsseldorf, das extra zur Zentrale ihres geliebten Senders angereist ist, mit dem Transistorradio durch Balderschwang. Sie sagt zerknirscht: „Wir kriegen die Frequenz nicht rein.“ Logisch, erklärt Kienle seinen Hotlegästen, läuft ja auch nur im Digitalen Radio. Im Zimmer auf Kanal 106 des Fernsehers. Aber mit der Information können die beiden scheinbar wenig anfangen. Sie ziehen mit ihrem Ukw-Gerät weiter durch das Dorf, auf der Suche nach dem Signal.