Die SPD-Pläne für eine europäische Arbeitslosen-Rückversicherung stoßen auf heftigen Widerstand. (Bild: Imago/Christian Ohde; Montage: BK)
Inland

SPD ebnet den Weg in die Transferunion

Finanzminister Olaf Scholz macht sich für eine europäische Arbeitslosen-Rückversicherung stark. Die Union lehnt das als weitere Vergemeinschaftung finanzieller Risiken auf Kosten Deutschlands und als "sicheren Weg in die Transferunion" ab.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) hat einen gemeinsamen Finanztopf auf EU-Ebene für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit vorgeschlagen, den europäischen „Arbeitslosen-Stabilisierungs-Fonds“ (EUSF). „Ich bin dafür, die nationalen Systeme der Arbeitslosenversicherung zu ergänzen um eine Rückversicherung für die gesamte Euro-Zone“, sagte der SPD-Politiker dem Spiegel. Bei dieser gemeinsamen Rückversicherung solle ein Land einen Kredit aufnehmen können, wenn die Arbeitslosigkeit aufgrund einer Krise besonders hoch sei und dadurch die nationalen Sozialversicherungssysteme stark belastet würden. Damit will er die finanzielle Stabilität des Euro-Gesamtsystems stärken und den weiteren Aufstieg von Rechtspopulisten stoppen. Im Juni hatte Scholz diesen Plan zum ersten Mal bei den deutsch-französischen Regierungskonsultationen in Meseberg mit seinem Kollegen Bruno Le Maire präsentiert.

Ein Plan mit Haken

Der Fonds soll dafür sorgen, dass keine Leistungen zulasten der Bürger gekürzt werden müssen. Das gesparte Geld könne dann an anderer Stelle zur Bekämpfung der Krise, etwa für Konjunkturpakete, eingesetzt werden. Ob ein solcher Krisenfall vorliegt, sollten die EU-Mitgliedstaaten nach einer Empfehlung der EU-Kommission entscheiden. Kriterium könnte dafür beispielsweise sein, dass die Arbeitslosenquote binnen kurzer Zeit um zwei Prozentpunkte ansteigt.

Was es wirklich braucht, ist Regeltreue und verantwortungsvolles Haushalten.

Markus Ferber, CSU

Scholz will der Solidarität zwar Grenzen setzen, so müssten die Staaten über funktionierende Arbeitslosenversicherungen verfügen und gewisse Mindeststandards auf dem Arbeitsmarkt erfüllen. Zudem müssten Länder ihre Kredite nach spätestens fünf Jahren zurückzahlen, ansonsten drohe eine Beitragserhöhung. So könne verhindert werden, dass sich Staaten auf Kosten der Währungsgemeinschaft vor Reformen drücken. Doch dann folgt der offensichtliche Haken des Plans: In den Fonds einzahlen sollen alle EU-Mitgliedsstaaten, orientiert an ihrer Wirtschaftskraft. Die Höhe wird in einem vertraulichen Papier, über das mehrere Medien berichtet hatten, noch offengelassen. Aber natürlich geht es um Milliarden. Und es ist schon jetzt klar, wer die höchsten Lasten zu tragen hätte: Deutschland.

Heftige Kritik am Scholz-Plan

Die Unions-Parteien lehnen diese Pläne vehement ab. Denn selbst wenn die Kredite zurückgezahlt werden müssen: “Eine europäische Arbeitslosenversicherung ist der sichere Weg in die Transferunion”, warnte der CSU-Finanzexperte und wirtschaftspolitische Sprecher der Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europäischen Parlament, Markus Ferber. „Schaut man auf die Arbeitslosenquoten in der EU, wird schnell klar, dass eine europäische Arbeitslosenrückversicherung aus deutscher Sicht fatale Pläne sind.“ Der CSU-Europaabgeordnete kritisiert den SPD-Minister scharf: „Die Aufgabe des Bundesfinanzministers sollte es eigentlich sein, das Geld des deutschen Steuerzahlers zusammen zu halten. Stattdessen findet Herr Scholz kreative Wege, es EU-weit zu verteilen. Wer weiß, wie lax die Regeln zur wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU gehandhabt werden, dem muss klar sein, dass solche Vorschläge am Ende fast zwangsläufig auf einen permanenten Transfermechanismus hinauslaufen werden. Wer anderes behauptet, ist hochgradig naiv.“

Schon der Stabilitäts- und Wachstumspakt hat Ferbers Aussagen bestätigt, weil einigen Staaten besonders in Südeuropa die europäischen Finanzregeln schlicht egal waren. Unvergessen sind auch Griechenlands frisierte Haushaltszahlen, die jahrelang an Brüssel gemeldet wurden. Zudem wurden immer wieder die Regeln aufgeweicht. Auch ist fraglich, wann und durch wen das Ende einer „Krise“ festgestellt werden soll. Und es wären EU-Vertragsänderungen notwendig, die derzeit aber kaum mehrheitsfähig sind. Laut Handelsblatt wüsste das auch das Finanzministerium, weshalb „eine zwischenstaatliche Lösung wie beim Aufbau des Euro-Rettungsschirms“ diskutiert werde.

Mit der Union wird es keine EU-Arbeitslosenversicherung geben.

Carsten Linnemann, CDU

Ferber wünschte sich stattdessen beim Euro-Gipfel am Donnerstag ein klares Bekenntnis der Staats- und Regierungschefs für eine Wirtschafts- und Währungsunion, die auf dem Haftungsprinzip basiert und die Stabilität in den Mittelpunkt stellt. “Es ist ein Irrglaube anzunehmen, dass die Wirtschafts- und Währungsunion dadurch zu stärken wäre, dass wir neue Institutionen oder neue Töpfe schaffen. Was es wirklich braucht, ist Regeltreue und verantwortungsvolles Haushalten“, so Ferber. Er sieht auch eine Mitschuld bei der EU-Kommission: „Wenn die Kommission endlich einmal die Vorgaben des Stabilitäts- und Wachstumspaktes durchsetzen würden, würden in den Mitgliedstaaten in den guten Zeiten ausreichende Puffer aufgebaut. Dann bräuchten wir gar nicht immer wieder über Krisennotfallmechanismen zu reden.“

Auch der finanz- und haushaltspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Alois Rainer, warnte: „Wir haben in Europa ein Prinzip der Eigenverantwortung. Eine Währungsunion lebt davon, dass jedes Land für seine Politik geradesteht.“ Dies gelte insbesondere auch für die Sozialversicherungssysteme. „Mit der Union wird es keine EU-Arbeitslosenversicherung geben“, sagte auch Unionsvizefraktionschef Carsten Linnemann, Chef der CDU-Mittelstandsvereinigung, dem Handelsblatt. Dies würde „eine Vergemeinschaftung von weiteren Risiken“ bedeuten.

Wirtschaft lehnt Pläne ab

Die vbw, Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, lehnt den Vorstoß von Scholz ebenfalls strikt ab. „Die neue Versicherung ebnet den Weg in eine Transferunion. Der Vorschlag (…) bedeutet die direkte Weiterleitung deutscher Haushaltsmittel in europäische Töpfe. Sozialpolitik muss aber Sache der Mitgliedstaaten bleiben“, sagte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Das Vorhaben sei teuer und ineffektiv. „Teuer, denn bei einem Beitrag von 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung, wie vom Internationalen Währungsfonds errechnet, müsste Deutschland mindestens 11,4 Milliarden Euro jährlich einzahlen. Ineffektiv, denn mit der Rückversicherung durch die Europäische Arbeitslosenversicherung werden manche Staaten ihre Reformbemühungen wieder zurückfahren, mit dem Ergebnis, dass sich Arbeitslosigkeit verfestigt“, sagte Brossardt. Statt neuer Umverteilung sei es wichtiger, den Binnenmarkt weiter voranzutreiben. „Mehr Europa ist sinnvoll in der Handels-, Asyl-, Außen- und Sicherheitspolitik. Wo Reformen aber auf mehr Regulierung, mehr Bürokratie und mehr Transfers hinauslaufen, da widersprechen wir“, sagte Brossardt.