Sind Diesel wirklich so gefährlich? Und wie sehen die Alternativen aus? (Bild: Imago/Christian Ohde; bearb.: BK)
Diesel

Kein Steuergeld, keine Selbstbeteiligung

Diesel-Besitzer und Steuerzahler sollen aus Sicht der Bundesregierung nicht mit zur Kasse gebeten werden, um Fahrverbote in vielen Städten zu vermeiden. Bundesregierung und Autohersteller ringen weiter um eine Lösung in der Dieselkrise.

Vor der Entscheidung über mögliche Nachrüstungen für Dieselautos hat Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) klargestellt, dass er zur Lösung des Dieselproblems nicht auf Steuergeld oder Selbstbeteiligung der Autofahrer zurückgreifen will. Das aktuell erarbeitete Modell schließe solche Finanzierungsoptionen aus, sagte er im „Morgenmagazin“ des ZDF. Die Autoindustrie müsse sich einbringen. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) lehnte eine Beteiligung der Autobesitzer ab. Es könne nicht sein, dass sie am Ende die finanzielle Last tragen müssten. Ein falsches Signal wäre auch, wenn die Steuerzahler als Ganzes dafür aufkommen müssten.

Keine Selbstbeteiligung der Autofahrer

Zuvor waren Pläne bekannt geworden, dass Autobauer für bestimmte Pkw bis zu einem Preis von 3000 Euro bis zu 80 Prozent der Kosten von Motor-Umbauten tragen könnten. Autobesitzer müssten dann womöglich bis zu 600 Euro dazu zahlen, wie zuerst das Handelsblatt berichtete. „Bei möglichen Hardware-Nachrüstungen für deutsche Diesel ist mein Ziel, die Selbstbeteiligung der Halter auf Null zu setzen“, erklärte dagegen der Verkehrsminister am Dienstag.

Bei möglichen Hardware-Nachrüstungen für deutsche Diesel ist mein Ziel, die Selbstbeteiligung der Halter auf Null zu setzen.

Andreas Scheuer

Scheuer hatte Nachrüstungen an älteren Dieselwagen auch deshalb lange abgelehnt, weil es nur in einem Teil der Autos überhaupt Platz dafür gibt. Rechtlich hat er auch keine Handhabe gegen ausländische Autokonzerne, deren Typgenehmigung in anderen Ländern stattfindet. Der Minister setzt darum auch weiter vor allem auf Umtauschanreize für neue Wagen: „Meine Priorität 1 bleibt, dass die Diesel-Besitzer ihr altes Auto in ein saubereres Fahrzeug tauschen können.“ Klar sei aber: „Mein Ziel ist es auch, dass der Wertverlust für gebrauchte Diesel von den Autoherstellern ausgeglichen wird.“ Fahrzeuge der Euro-Klassen 4 und 5 sollen vom Hersteller den Zeitwert nach der Schwacke-Liste bekommen, plus einen Aufschlag um 20 Prozent als Wertverlust-Ausgleich, der durch die Diesel-Krise verursacht wurde.

Drei Punkte gegen die Krise

Das Konzept des Verkehrsministeriums sieht dem Vernehmen nach drei zentrale Punkte vor: Rückkauf, Umtausch oder Nachrüstung.

  1. Zum einen ein Rückkaufprogramm alter Diesel mit den Euro-Normen 4 und 5 durch die Hersteller – allerdings beschränkt auf zehn „Intensivstädte“ wie München, Stuttgart, Düsseldorf, Stuttgart oder Frankfurt, in denen die Schadstoff-Grenzwerte am höchsten sind oder die viele Pendler haben. Das Handelsblatt nannte als Grenze die 65 Städte, in denen die Schadstoff-Grenzwerte überschritten wurden. Allerdings gibt es auch hier gegen ausländische Hersteller „keine rechtliche Handhabe“, um einen Rückkauf zu erzwingen.
  2. Zum anderen soll es die Möglichkeit geben, ein altes gegen ein neues, saubereres Auto eintauschen zu können. Infrage kommt dies für den Kauf eines weniger umweltschädlichen Diesels, eines Benziners oder eines Elektro-Autos – möglicherweise nicht nur für Neuwagen, sondern auch für Gebrauchte.
  3. Drittens soll es die Möglichkeit für Hardware-Nachrüstungen geben, also Umbauten direkt am Motor – wenn Dieselfahrer ihr Auto behalten wollen und beschränkt auf die Intensivstädte. Hier bleiben die genannten finanziellen und technischen Fragen.

Scheuer hatte zudem ein Förderangebot für Lieferdienste und Handwerker angekündigt – wie schon für Busse und Wagen etwa von Müllabfuhr oder Feuerwehr. Das Programm sieht auch Maßnahmen für einen besseren öffentlichen Nahverkehr vor.

Vor dem Dieselgipfel

Die Bundesregierung strebt bis Freitag eine Verständigung auf ein Gesamtkonzept an. Am geplanten Treffen teilnehmen sollen neben Scheuer auch Umweltministerin Svenja Schulze (SPD), Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). Am 1. Oktober soll sich dann der Koalitionsausschuss damit befassen.

Nach langer Debatte hat das jüngste Urteil zu Fahrverboten in Frankfurt am Main Bewegung gebracht. Merkel, die mehrfach ebenfalls gegen Nachrüstungen argumentiert hatte, öffnete sich nun dafür. Nach der Entscheidung des Wiesbadener Verwaltungsgerichts droht den Fahrern älterer Autos ab 2019 in Frankfurt ein großflächiges Fahrverbot. Das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig. In Stuttgart soll zum Jahreswechsel ebenfalls ein Diesel-Fahrverbot greifen, in Hamburg gibt es bereits eines auf zwei Streckenabschnitten. Es verursacht jedoch kilometerlange Staus und damit mehr Abgase. Weitere Urteile zu anderen Städten stehen an. Die EU-Kommission will außerdem die Bundesregierung mit einer Klage beim Europäischen Gerichtshof zur Einhaltung der Grenzwerte zwingen.

Die Autobauer lehnen Hardware-Nachrüstungen bislang als zu aufwendig und teuer ab und warnen vor technischen Nachteilen wie höherem Spritverbrauch. Sie verweisen zudem darauf, dass viele Wagen nach dem Einbau neu zertifiziert werden müssten. Zudem bleibt die Garantie-Frage: Ist ein nachgerüstetes Euro-5-Auto noch Euro-5, kann oder sollte man es kennzeichnen? Und wer haftet für Fehler bei den Umbauten? Auch zum geplanten Rückkaufprogramm gibt es Skepsis – die Befürchtung lautet: Kunden könnten mit dem Geld, das sie bekommen, Fahrzeuge von ausländischen Konkurrenten kaufen, die keine Auflagen erfüllen müssen und ihre Fahrzeuge deshalb billiger anbieten können. Die Bundesregierung entgegnet, dass solche Fahrzeuge dennoch Fahrverbote erhalten würden und darum für deutsche Kunden uninteressant seien.