Bayerns Innenminister Joachim Herrmann: "Abgelehnten Asylbewerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, lehne ich ab." (Foto: StMI Bayern)
Asyl

Spurwechsel völlig überflüssig

Innenminister Herrmann hält Spurwechsel-Lösungen für abgelehnte Asylbewerber für falsch: 560.000 Hartz-IV-Bezieher mit anerkanntem Asylstatus müssen Vorrang haben. Lösungen für Asyl-Sonderfälle sind längst möglich − sofern keine Straftaten vorliegen.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann führt ein so einfaches wie einleuchtendes Argument gegen den sogenannten „Spurwechsel“ ins Feld. Das vor etwa einem Monat vom schleswig-holsteinischen CDU-Ministerpräsidenten Daniel Günther vorgeschlagene Modell will auch abgelehnten Asylbewerbern den Weg in den Arbeitsmarkt öffnen.

Im Bund waren dieses Frühjahr insgesamt 560.000 Hartz-IV-Empfänger anerkannte Asylbewerber.

Joachim Herrmann, Bayerischer Innenminister

Keine gute Idee, findet Herrmann im Interview mit dem Münchner Merkur. Denn in Bayern hatten in diesem Frühjahr etwa 57.000 erwerbsfähige und anerkannte Flüchtlinge keinen Arbeitsplatz. In ganz Deutschland bezogen insgesamt 560.000 anerkannte Asylbewerber mit Arbeitsberechtigung Hartz-IV-Leistungen. Herrmann: „Es ist doch ganz klar, dass wir vorrangig diese Menschen in Arbeit bringen müssen, statt abgelehnten Asylbewerbern den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern.“

Schnelle Asylentscheidungen in Bayern

Das sei auch darum nicht nötig, weil die Prüfung der Asylberechtigungen in den bayerischen Ankerzentren inzwischen nur noch wenige Monate dauere. Herrmann: „Wir sind das einzige Bundesland, das 150 zusätzliche Verwaltungsrichter eingestellt hat, deshalb werden die Verfahren nun so schnell bearbeitet.“ Der Berg an Altverfahren sei seit 2016 von 82.000 auf nur noch 11.000 geschrumpft.

Herrmann weiter: „Selbst wenn der Klageweg beschritten wird, würde die Entscheidung nicht länger als ein Jahr dauern.“ Für Herrmann bleibt es darum dabei: „Solange die Menschen in den Ankereinrichtungen auf ihre Bescheide warten, dürfen sie nicht arbeiten.“ Kein Spurwechsel. Und der Minister betont: „Wir können die Verfahrensdauer für Asylbewerber in unseren Ankereinrichtungen deutlich senken.“

Lösungen für Sonderfälle

Auch aus grundsätzlichen rechtstaatlichen Gründen hält Herrmann daran fest: „Wer nicht anerkannt wird, muss unser Land in der Regel wieder verlassen.“ Denn auch das gehöre zu einem rechtstaatlichen Asylsystem. Es sei denn, es lägen besondere Ausnahmegründe vor. Etwa für Einzelfälle, die schon lange im Lande seien. „Auch bei Asylbewerbern, die nicht anerkannt sind, aber langfristig nicht abgeschoben werden können, ist es sinnvoll, dass sie arbeiten dürfen.“

Wenn sich jemand gut integriert hat und in einem Betrieb gebraucht wird, werden wir in den allermeisten Fällen eine Lösung finden.

Joachim Herrmann

Möglichkeiten dazu gebe es längst, so Herrmann: „Wir können auch mit geltendem Recht den Menschen eine Chance geben, die seit Jahren hier sind und fleißig sind.“ Etwa über die sogenannte 3+2-Regelung, die jetzt auf die Pflegehelferausbildung erweitert wurde. Herrmann: „Wer im Anschluss eine qualifizierte Pflegeausbildung absolviert, wird für die Dauer der Ausbildung geduldet und erhält dann für zwei Jahre eine Aufenthaltserlaubnis.“

Straftäter rigoros abschieben

Unter einer Bedingung, die dem Innenminister wichtig ist: Kandidaten für solche Sonderlösungen dürfen sich nichts zuschulden haben kommen lassen. Herrmann: „Aber es muss auch klar sein: Wer eine Straftat begeht, wird konsequent abgeschoben.“

Herrmann deutet an, dass genau hier auch der Grund liege für manchmal geäußerten Ärger über die Abschiebung angeblich gut integrierter Kandidaten: „Ob eine Straftat vorliegt, wissen die Arbeitgeber aber oft nicht und reagieren deshalb mit Unverständnis auf die Abschiebung.“

Interessant: Laut Herrmann wurden im ersten Halbjahr 2018 in Bayern 7000 Aufenthalte von unberechtigten Asylbewerbern beendet.

Auch Seehofer gegen Spurwechsel

Auch Bundesinnenminister Horst Seehofer hatte vor ein paar Tagen in der Rheinischen Post den „Spurwechsel“ abgelehnt: „Einen Spurwechsel wird es nicht geben. Wer Asyl beantragt und ein Bleiberecht bekommt, ist arbeitsberechtigt. Wer Asyl beantragt und eine Ablehnung erhält, ist ausreisepflichtig. Diesen Grundsatz wollen wir nicht verändern. Wenn wir denjenigen ein Bleiberecht geben, die eine Arbeit aufnehmen, dann können wir uns das ganze Asylverfahren schenken.“ Es gebe Fälle, wonach jemand zwar abgelehnt werde, es aber Gründe gebe, dass er nicht abgeschoben werden kann. In diesen Fällen sei es besser, „die Leute arbeiten zu lassen, statt sie nichts tun zu lassen“. Möglich sei auch, dass ein unbegleiteter Minderjähriger eine Lehre beginne. „Er darf seine Ausbildung beenden und dann noch zwei weitere Jahre im Betrieb arbeiten – die Drei-plus-zwei-Regelung. Das habe ich immer befürwortet, weil es für alle Beteiligten von Vorteil ist, wenn ein junger Mensch eine Ausbildung hat“, so Seehofer.

Wenn wir denjenigen ein Bleiberecht geben, die eine Arbeit aufnehmen, dann können wir uns das ganze Asylverfahren schenken.

Horst Seehofer

Auch eine Stichtagsregelung für ein Bleiberecht für diejenigen, die heute schon in den Arbeitsmarkt integriert sind, lehnte der Bundesinnenminister ab. „Solange wir das Migrationsthema nicht gelöst haben und eine Stichtagsregelung schaffen, erzeugen wir einen Pull-Faktor. Wir locken noch mehr Menschen an, die in Deutschland kein Bleiberecht bekommen können.“ Den Stichtag in die Vergangenheit zu legen, nannte er „lebensfremd“. „Sie können nicht sagen, dass jemand, der am 1. Januar gekommen ist, bleiben darf, und derjenige, der einen Tag später da war, gehen muss. Eine Stichtagsregelung schafft eine Amnestie für die gesamte Vergangenheit.“