Bayerns Staatsregierung sagt dem politischen Islam mit einem neuen Konzeptpapier den Kampf an. (Bild: imago/Haytham-Pictures)
Islamischer Staat

Immer mehr Mädchen ziehen in den Dschihad

Ein regelrechtes Anwerbe-Netzwerk ist nach Erkenntnissen von Polizei und Verfassungsschutz in Deutschland dabei, junge Leute für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu gewinnen. Immer öfter ziehen auch junge Frauen und Mädchen in den Dschihad nach Syrien und den Irak: Von etwa 700 deutschen Dschihadisten sind 100 weiblich – viele davon minderjährig.

Junge Frauen werden gezielt und systematisch für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeworben. Laut Landeskriminalamt Rheinland-Pfalz sind den deutschen Sicherheitsbehörden demnach inzwischen rund ein Dutzend Anwerberinnen bekannt, die Frauen aus Deutschland für den IS rekrutieren. Die Dunkelziffer sei noch höher.

Dabei gibt es offenbar eine Zusammenarbeit von bereits nach Syrien und in den Irak ausgereisten Frauen und in Deutschland agierenden Unterstützerinnen. Ein internes Papier der deutschen Sicherheitsbehörden spreche von einem „Mädchennetzwerk“. Die Anwerberinnen würden die Frauen nach erfolgreicher Rekrutierung unter anderem bei den Vorbereitungen für die Ausreise unterstützen und böten logistische Hilfe an.

Schwerbewachter Harem in Raqqa

In Syrien werden die Frauen bereits erwartet: Die Nachforschungen belegten, dass der Islamische Staat in der syrischen Metropole Raqqa ein schwerbewachtes Frauenhaus betreibe, meldet der Rechercheverbund. Mehrere Quellen hätten berichtet, ankommende Frauen würden dorthin gebracht, eingesperrt und ihren zukünftigen Ehemännern zugeführt.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hatte zuvor mitgeteilt, dass immer mehr junge Frauen aus Deutschland dem Ruf des IS zum Dschihad in Syrien oder im Irak folgen. Bislang seien 700 Islamisten aus Deutschland in Richtung der Kampfgebiete ausgereist, darunter annähernd 100 Frauen, berichtete die Behörde.

Bislang seien 700 Islamisten aus Deutschland in Richtung der Kampfgebiete ausgereist, darunter annähernd 100 Frauen, teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) in Berlin mit. Die Zahl der Salafisten in Deutschland sei auf 7500 gestiegen und sie wachse weiter.

Zahl der Salafisten in Deutschland seit 2011 verdoppelt

Vor zwei Monaten zählte der Verfassungsschutz noch 7300 Männer und Frauen, die sich dieser besonders radikalen Auslegung des Islam zuordnen lassen. Anfang 2015 wurden etwa 7000 Salafisten gezählt, 2011 waren es halb so viele. Salafisten lehnen westliche Demokratien ab und sehen eine „islamische Ordnung“ als einzig legitime Staats- und Gesellschaftsform an.

Der Zulauf zu Salafisten und zum IS sei ungebrochen, sagt BfV-Präsident Hans-Georg Maaßen. „Dabei sehen wir eine verstärkte Anziehungskraft gerade auf junge Frauen, die auf Rekrutierungsaktivitäten sowohl im Internet als auch durch persönliche Kontakte hereinfallen.“

Im April lag die Zahl der aus der Bundesrepublik ausgereisten Islamisten noch bei 680, Ende 2014 waren es rund 550. Während es vor zwei Monaten Hinweise darauf gab, dass rund 85 der Ausgereisten in Syrien oder im Irak ums Leben gekommen waren, ist deren Zahl nun auf rund 100 gestiegen. Seit Anfang des Jahres seien die Hinweise auf entsprechende Todesfälle stark gestiegen, berichtet das BfV.

15 Prozent der Mädchen sind minderjährig

Auch die Zahl der Ausreisen junger Frauen habe in jüngster Zeit deutlich zugenommen, stellen die Verfassungsschützer fest. Über die Hälfte von ihnen sei zum Zeitpunkt der Ausreise jünger als 25 Jahre alt gewesen, etwa 15 Prozent minderjährig. Das BfV zählt dabei nur jene Frauen, die das Ziel hatten, in den Dschihad zu ziehen – und nicht etwa Ehefrauen von Dschihadisten.

Ein Drittel der bislang Ausgereisten ist nach BfV-Angaben wieder zurückgekehrt. Bei mehr als 50 von ihnen gibt es Erkenntnisse, dass sie Kampferfahrungen gesammelt haben – sie gelten als besonders gefährlich. Ähnliche Zahlen waren bereits vor zwei Monaten genannt worden, sie scheinen also nicht auffällig angestiegen zu sein.

„Die Bedrohungslage wird immer komplexer“, warnte Maaßen. Sorge bereite auch „die Verflechtung von virtueller und realer Welt, die wir in allen Beobachtungsfeldern feststellen“. Diese gelte für den Islamismus genauso wie für den Rechtsextremismus und die Spionageabwehr, für die das BfV zuständig ist.

Bonn: Drei Jahre Haft für IS-Unterstützerin

Eine 26-Jährige aus Bonn, die der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) rund 5000 Euro zukommen ließ, ist zu drei Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt worden. Das Düsseldorfer Oberlandesgericht sprach die Frau wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung schuldig. Ihr Ehemann, ebenfalls aus Bonn, kämpft als Terrorist in den Reihen des Islamischen Staats. Ein mitangeklagter 23-jähriger Islamist, dem zwei Geldsendungen zugerechnet wurden, erhielt ein Jahr und neun Monate Haft auf Bewährung.

Die Bundesanwaltschaft hatte vier Jahre Haft für die zum Islam konvertierte Deutsch-Polin gefordert. Sie hatte insgesamt 11.000 Euro und elektronische Ausrüstung wie Kameras ins Kriegsgebiet geschickt. Das Geld war über einen Finanzdienstleister an einen Mittelsmann in eine türkische Stadt nahe der syrischen Grenze überwiesen worden. Dort wurde es von Mittelsmännern oder IS-Terroristen abgeholt.

Die Richter hielten der Angeklagten zugute, dass sie vom Wechsel ihres Mannes von einer anderen islamistischen Gruppe zum IS erst später erfahren haben könnte. Bei fünf Geldüberweisungen sah das Gericht aber als erwiesen an, dass sie wusste, dass das Geld für IS-Terroristen gedacht war.

Posieren vor Leichenbergen

In Chats habe sich die Frau zudem mit der blutrünstigen Gruppe identifiziert und deren Gräueltaten verteidigt: „Sie töten diejenigen, die getötet werden müssen. Sie ziehen es wenigstens durch“, schrieb die Frau, als eine Bekannte den Blutrausch des IS kritisierte.

Auf einem im Internet verbreiteten Propagandavideo ist zu sehen, wie ihr Ehemann in Syrien nahe Homs vor einem Leichenberg posiert, eine Leiche mit dem Fuß tritt und ruft: „Wie ihr sehen könnt, haben wir geschlachtet.“ Das Video soll nach der Eroberung eines Gasfeldes durch den IS entstanden sein, bei der 90 Menschen von IS-Terroristen getötet wurden.

wog/dpa