Lebensnotwendig: In Deutschland herrscht starker Mangel an Spenderorganen. 2017 ist die Zahl der Organspender bundesweit auf einem Tiefststand angelangt. (Foto: Imago/localpic)
Medizin

Spahn stößt Spender-Debatte an

Um zu mehr Organspenden in Deutschland zu kommen, hat sich Bundesgesundheitsminister Spahn für eine Widerspruchslösung ausgesprochen. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml verlangt eine breite Diskussion über das sensible Thema.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) befürwortet eine sogenannte Widerspruchslösung, um den Mangel bei Organspenden zu beheben. „Nur so kann die Organspende zum Normalfall werden“, sagte Spahn der Bild-Zeitung. Widerspruchslösung bedeutet, dass jeder automatisch als Organspender gilt – außer man selbst oder Angehörige widersprechen. Bisher sind Entnahmen in Deutschland nur möglich, wenn der Patient dem zu Lebzeiten ausdrücklich zugestimmt hat. Dazu dient normalerweise ein Organspendeausweis, den man bei sich trägt. Oder die Angehörigen erklären nach dem Tod eines Patienten stellvertretend dessen Bereitschaft zur Organspende.

Wir brauchen eine breite gesellschaftliche Debatte über die Widerspruchslösung.

Jens Spahn (CDU), Bundesgesundheitsminister

Eine Widerspruchslösung stelle zwar einen Eingriff des Staates in die Freiheit des Einzelnen dar, räumte der Bundesgesundheitsminister ein. Doch nur so könne die Organspende zum Normalfall werden. So seien alle bisherigen Versuche der Politik, die Zahl der Organspender zu steigern, leider ohne Erfolg geblieben. „Deshalb brauchen wir eine breite gesellschaftliche Debatte über die Widerspruchslösung.“ Einen Gesetzentwurf werde er dazu nicht in den Bundestag einbringen, kündigte Spahn an und sprach sich zunächst für eine Diskussion zu dem Thema im Bundestag aus. Zur Steigerung der Spenderzahlen hatte Spahn bereits angekündigt, dass Transplantationsbeauftragte in Krankenhäusern mehr Zeit für ihre Aufgabe bekommen und die Vergütung der Einrichtungen für den ganzen Prozess einer Organspende verbessert werden sollen.

Niemand soll unter Druck gesetzt werden.

Melanie Huml (CSU), bayerische Gesundheitsministerin

Bayerns Gesundheitsministerin Melani Huml (CSU) möchte das Thema auf keinen Fall übers Knie brechen und wirbt für eine breite gesellschaftliche Debatte. „Niemand soll unter Druck gesetzt werden. Denn bei der Organspende handelt es sich um ein sensibles Thema, das Ängste auslösen kann. Aber auch die Widerspruchslösung ermöglicht es, dass jeder Mensch selbst über seine Position entscheidet“, erklärt die Ministerin.

Bisherige Regelung muss auf den Prüfstand

Mit Blick auf den aktuellen Vorstoß von Bundesgesundheitsminister Spahn sagt Huml auf Anfrage des BAYERNKURIER: „Wir haben in den vergangenen Jahren intensiv darüber informiert, dass Organspende Leben rettet. Aber immer noch entscheiden sich nicht genug Menschen für einen Organspendeausweis. Deshalb ist es an der Zeit, die bisherige Regelung auf den Prüfstand zu stellen und eine breite gesellschaftliche Debatte über die sogenannte Widerspruchslösung zu starten. Der Verlauf dieser Debatte wird zeigen, ob eine Widerspruchslösung auf Zustimmung in der Bevölkerung stößt.“

Durch die Organspendeskandale der vergangenen Jahre wurde viel Vertrauen bei den Bürgern zerstört.

Stephan Stracke (CSU), gesundheitspolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe im Bundestag

Kritisch sieht der gesundheitspolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Stephan Stracke, den Vorstoß von Jens Spahn. „Die Forderung nach einer solchen Debatte kommt zur Unzeit“, erklärt Stracke gegenüber dem BAYERNKURIER. „Durch die Organspendeskandale der vergangenen Jahre wurde viel Vertrauen bei den Bürgern zerstört. Um die Zahl der Organspenden zu erhöhen, muss deshalb der Wiederaufbau von Vertrauen in die Praxis der Organspende unser oberstes Ziel sein.“ Deshalb sollte die Politik nun „das Ergebnis einer Diskussion nicht vorwegnehmen, sondern stattdessen an der Verbesserung der Rahmenbedingungen der Organspende arbeiten“, erklärt Stracke.

Stracke begrüßt den jetzt vorliegenden Entwurf eines Gesetzes für bessere Zusammenarbeit und bessere Strukturen bei der Organspende. „Damit wird ein erster wichtiger Schritt gemacht“, lobt Stracke. „Die Umsetzung der Vereinbarungen des Koalitionsvertrags zu verbindlichen Freistellungsregelungen für Transplantationsbeauftragte und die Verbesserung der finanziellen Voraussetzungen der Organentnahme werden dazu beitragen, die Rahmenbedingungen entscheidend zu verbessern und die Zahl der Organspenden deutlich zu erhöhen.“

2017: Absoluter Tiefpunkt an Organspendern bundesweit

Die Zahl der Organspender hatte nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation im vergangenen Jahr bundesweit mit 797 einen Tiefpunkt erreicht. Im Jahr 2007 waren es noch 1313. Im ersten Halbjahr 2018 gab allerdings es eine Zunahme. Ende August hatte Spahn vorgerechnet, dass 10.000 Menschen in Deutschland auf ein Spenderorgan warten. Gegen den Bundestrend ist übrigens die Zahl der Organspender in Bayern 2017 gestiegen. Im gesamten Jahr 2017 gab es in Bayern 143 postmortale Organspender.