Der Tag des LKW-Anschlags auf den Weihnachtsmarkt beim Breitscheidplatz in Berlin. (Foto: Imago/Christian Mang)
Sami A.

Eine überfällige Abschiebung

Kommentar Der als islamistischer Gefährder eingestufte Sami A. wurde in seine Heimat Tunesien abgeschoben, trotz eines gegenteiligen Urteils. Rote und Grüne empören sich. Doch die eigentlichen Skandale dieses Falles liegen ganz woanders.

Ein Gefährder ist jemand, dem die Behörden jederzeit einen Terroranschlag zutrauen, und diese Einschätzung wird nicht einfach so getroffen. Sami A. galt als offenbar so gefährlich, dass er sich laut Medienberichten täglich bei der Polizei melden musste. Er war laut tunesischen und deutschen Behörden nicht nur Ausbilder von Terroristen in Afghanistan, salafistischer Hassprediger und Unterstützer von extremistischen Gruppen in Deutschland, sondern auch zeitweise ein Bodyguard des einstigen Terrorfürsten Osama Bin Laden. A. bestreitet alle Vorwürfe.

Das Bedauern, dass ein solcher Mann nicht mehr in Deutschland ist, tendiert gegen Null. Dennoch machen sich nun der Grünen-Chef Robert Habeck und SPD-Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) indirekt für den mutmaßlichen Terroristen stark. Warum? Weil das Urteil eines Verwaltungsgerichtes die Abschiebung verboten hat, dieses Urteil jedoch offenbar nicht rechtzeitig an die abschiebende Stelle übermittelt wurde, war der Abschiebeflug bereits unterwegs. Damit war die Abschiebung laut Gericht rechtswidrig und – was für eine unfassbare Aussicht – Sami A. muss auf Staatskosten aus Tunesien zurückgeholt werden, sofern das Land den dort Gesuchten wieder ausreisen lässt. Doch halt: Zum Zeitpunkt der Anordnung der Abschiebung war diese vielleicht nicht rechtswidrig, weil der Behörde kein anderslautender Gerichtsbeschluss vorlag und eine andere Kammer des Gerichtes am Tag zuvor die Abschiebungsandrohung für rechtmäßig erachtete.

Wer mit dem Finger auf andere zeigt …

Hier also wie Habeck von „peinlichem Chaos“ oder „zum Himmel stinken“ zu sprechen, bevor alle Details auf dem Tisch lagen, war verfrüht und überzogen. Von einer Missachtung einer Gerichtsentscheidung, wie Barley befürchtete, darf auch nicht gesprochen werden. Habeck unterstellte noch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), das Recht gebeugt zu haben, was falsch ist. Zuständig für die Abschiebung war nämlich das Land Nordrhein-Westfalen.

Eine mögliche Panne bei der rechtzeitigen Übermittlung eines Urteils fällt damit auch auf Rote und Grüne zurück, die das Land an Rhein und Ruhr bis 2017 jahrzehntelang so heruntergewirtschaftet haben, dass Behördenversagen dort zum Alltag gehört. Auch bei den Verwaltungsgerichten, vor denen zehntausende Asylbewerber klagen. Und dass das ebenfalls beteiligte BAMF seit 2015 völlig überfordert ist, auch das ist hinlänglich bekannt.

Kein Tollhaus, nur Rechtsstaat

Ja, der Rechtsstaat gilt auch für Menschen, die den Rechtsstaat verachten und bekämpfen, so unverständlich das für viele auch ist. Wem Folter oder Tod drohen, so ist unsere Rechtslage, der darf nicht abgeschoben werden. Wenn ein Gericht eine Abschiebung deshalb untersagt, so ist das bis zu einem anderen Urteil zu achten. Das ist kein Irrsinn und auch kein Tollhaus, sondern Rechtsstaat und Teil der Werte, die dieses Land ausmachen. Auch wenn uns das manchmal irrsinnig erscheint. Recht entspricht eben nicht immer der Gerechtigkeit.

Doch sollte geklärt werden, warum eine Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen die Androhung einer Abschiebung für rechtens erklärt, eine andere Kammer die Abschiebung dann aber verbietet. Es drängt sich hier auch die Frage auf, warum dem Gericht die theoretische Möglichkeit reichte, dem Abgeschobenen drohe in Tunesien Folter. Ein Land, das seit 1991 keine Hinrichtung mehr durchgeführt hat und laut Auswärtigem Amt seit 2014 eine relativ liberale Verfassung besitzt, die wesentliche Menschenrechte schützt, wenn auch mit Defiziten beim Schutz vor Folter. Aber: Ein vergleichbarer Gefährder aus Hessen durfte im Mai nach Tunesien abgeschoben werden, mit Billigung des Bundesverfassungsgerichtes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.

Und wieso gibt es noch immer kein Abkommen mit Tunesien (und anderen Staaten), dass zurückgeführte Kriminelle und Extremisten nicht mit Folter oder Tod zu rechnen haben? Das würde reichen, um abschieben zu können. Würden sich außerdem die Grünen und Teile der SPD nicht seit Jahren einer Einstufung der Länder Tunesien, Algerien und Marokko als sichere Herkunftsstaaten verweigern, so könnte man beschleunigt abschieben.

Im Einsatz für Gefährder

Nebenbei erstaunt, wie vehement sich mal wieder Grüne und SPD für offenbar extremistische Migranten einsetzen. Es ist auch eine Grundsatzfrage: Warum zählt die Sicherheit der eigenen Bevölkerung weniger als die Sicherheit eines extremistischen Gefährders oder eines schwer kriminellen Migranten? Warum will Rot-Grün wie schon beim Berliner Attentäter Anis Amri warten, bis Gefährder bei uns einen Anschlag verüben oder organisieren?

Und wie kann es sein, dass ein Mann wie Sami A. seit Anfang der 2000er Jahre auf Kosten des deutschen Steuerzahlers unbehelligt hier leben kann? Damals regierte Rot-Grün im Bund und in NRW. Der Fall Sami A. ist letztlich also vor allem ein Beleg dafür, dass man schon an der Grenze kontrollieren sollte, wen man ins Land lässt und wen nicht. Denn die, die hier sind, die kann man offenbar selbst dann kaum abschieben, wenn sie kriminell oder extremistisch sind.