Transitzentren und Zurückweisungen
Im Asylstreit haben sich CDU und CSU geeinigt: Künftig wird bereits an der Grenze geprüft, wer nach Deutschland einreisen darf und wer in ein anderes EU-Land zurückgeschickt wird. Dazu werden auch spezielle Transitzentren eingerichtet.
Migration

Transitzentren und Zurückweisungen

Im Asylstreit haben sich CDU und CSU geeinigt: Künftig wird bereits an der Grenze geprüft, wer nach Deutschland einreisen darf und wer in ein anderes EU-Land zurückgeschickt wird. Dazu werden auch spezielle Transitzentren eingerichtet.

In der Auseinandersetzung um die Asylpolitik haben Bundesinnenminister Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel eine gemeinsame Lösung gefunden. „Wir haben uns nach sehr intensiven Verhandlungen zwischen CDU und CSU geeinigt“, sagte Seehofer am Montagabend nach stundenlangen Verhandlungen in der CDU-Zentrale in Berlin.

Wir haben eine klare Vereinbarung, wie wir die illegale Migration in der Zukunft an den Grenzen zwischen Deutschland und Österreich verhindern.

Horst Seehofer, Bundesinnenminister

CDU und CSU wollen der Einigung zufolge Transitzentren für bereits in anderen EU-Ländern registrierte Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze einrichten. Aus diesen Zentren sollen Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden, heißt es in der Vereinbarung von CDU und CSU vom späten Montagabend.

Seehofer bleibt Innenminister

„Wir haben eine klare Vereinbarung, wie wir die illegale Migration in der Zukunft an den Grenzen zwischen Deutschland und Österreich verhindern“, sagte Seehofer. Die Abmachung sei eine „klare, für die Zukunft sehr, sehr haltbare Übereinkunft“. Die Einigung erlaube ihm, dass er das Amt des Bundesinnenministers weiterführe. „Es hat sich wieder einmal gezeigt: Es lohnt sich, für eine Überzeugung zu kämpfen“, sagte Seehofer.

In der Auseinandersetzung zwischen CDU und CSU ging es um die Zurückweisung bereits anderswo in der EU registrierter Flüchtlinge an der deutschen Grenze. In Seehofers Masterplan Migration ist festgelegt, dass Migranten, die bereits in einem anderen europäischen Land registriert sind und solche, die ihren Asylantrag bereits in einem anderen EU-Land gestellt haben, an der deutschen Grenze abgewiesen werden. Bundeskanzlerin Merkel hatte dies abgelehnt und auf einer europäischen Regelung bestanden. Seehofer hatte in der Auseinandersetzung seinen Rücktritt als Bundesinnenminister und CSU-Vorsitzender angeboten.

Asylwende ist eingeleitet

CSU-Generalsekretär Markus Blume sagte, mit der Einigung habe man „etwas Großes“ erreicht. Die CSU habe sich kompromisslos gezeigt, „weil man an den entscheidenden Weichenstellungen der Republik dann auch nicht falsch abbiegen darf“, sagte Blume am Dienstag. Innenminister Seehofer habe deutlich gemacht, dass es um eine „große Weichenstellung“ für die Republik gehe. Er habe das bis zum Schluss und bis zum Äußersten getan.

In einem Schreiben an die CSU-Mitglieder nennt Blume die Vereinbarung einen „wichtigen Schlussstein hin zu einer restriktiveren Asylpolitik“. Sie ermögliche die „dringend erforderliche Neuordnung unseres Asylsystems im Rahmen unseres Dreiklangs Humanität, Ordnung und Begrenzung“. Für diese notwendige Neuordnung sorge man mit den jetzt beschlossenen „nationalen Maßnahmen“ an der Grenze.

Asylbewerber sollen der Abmachung zufolge aus den geplanten Transitzentren direkt in die EU-Staaten abgeschoben werden, wo sie bereits registriert sind – wenn es entsprechende Abkommen mit den Ländern gibt. Wenn Länder sich einer Rücknahme verweigern, soll „die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich“ stattfinden. Die Regelung gilt sowohl für Flüchtlinge, die in einem anderen Land registriert sind, als auch für diejenigen, die bereits anderswo Asyl beantragt haben.

Konstruktion der Nichteinreise

In der Vereinbarung wird die „Fiktion einer Nichteinreise“ angeführt. Was das bedeutet, erklärt der CSU-Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich auf Twitter so: „Die Fiktion der Nichteinreise bedeutet, dass ein Ausländer rechtlich so behandelt wird, als ob der Grenzübertritt noch nicht erfolgt ist, obwohl er sich tatsächlich bereits im Inland befindet. Das ermöglicht Konsequenzen, die an sich nur direkt an der Grenze möglich sind – wie zum Beispiel Zurückweisungen auf der Grundlage nationaler Vorschriften im Aufenthaltsrecht.“ Der Staat könne definieren, in welchen Bereichen die Fiktion gelte: „Zum Beispiel an Flughäfen Bahnhöfen oder in einem festzulegenden Bereich um die Grenze wie Transitzonen.“

In der entsprechenden Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz heißt es: „Der Ausländer hat eine Grenzübergangsstelle erst dann passiert, wenn er die Kontrollstationen der Grenzpolizei und des Zolls, soweit an den EU-Außengrenzen vorhanden, hinter sich gelassen hat und sich frei in Richtung Inland bewegen kann.“ Kommt er in ein Transitzentrum, ist die Person im juristischen Sinne nicht eingereist, auch wenn sie körperlich die Kontrollstationen passiert hat.

Gespräche mit Österreich

Bundesinnenminister Seehofer sagte am Dienstagmorgen, er habe aufgrund der Vereinbarung bereits mit dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz telefoniert. Er wolle zudem „so schnell wie möglich“ nach Wien fliegen. Ein genauer Termin stehe aber noch nicht fest. Er habe den Eindruck, dass Kurz „an vernünftigen Lösungen interessiert ist“, fügte Seehofer hinzu. Zu einer möglichen Vereinbarung mit dem wichtigen Asyl-Transitland Italien kündigte er Gespräche noch im Laufe des Tages an: „Wir reden natürlich auch mit Italien. Erst müssen wir selber wissen, was wir wollen.“

Zuvor hatte Österreich angekündigt, sich auf eine verstärkte Grenzsicherung vorzubereiten. „Die Einigung von CDU und CSU deutet darauf hin, dass Deutschland nationale Maßnahmen zur Bekämpfung der Migrationsströme setzen will“, hieß es in einer Erklärung der Regierung in Wien vom Dienstag. Daher sei sie darauf vorbereitet, „insbesondere Maßnahmen zum Schutz unserer Südgrenzen zu ergreifen“. Weiter heißt es in der Erklärung: „Die deutschen Überlegungen beweisen einmal mehr, wie wichtig ein gemeinsamer europäischer Außengrenzenschutz ist, und es bewahrheitet sich die österreichische Position, dass ein Europa ohne Grenzen nach innen nur mit funktionierenden Außengrenzen möglich ist.“

Die Einigung von CDU und CSU im Wortlaut:

Wir vereinbaren zur besseren Ordnung, Steuerung und Begrenzung der Sekundärmigration:

1. Wir vereinbaren an der deutsch-österreichischen Grenze ein neues Grenzregime, das sicherstellt, dass wir Asylbewerber, für deren Asylverfahren andere EU-Länder zuständig sind, an der Einreise hindern.

2. Wir richten dafür Transitzentren ein, aus denen die Asylbewerber direkt in die zuständigen Länder zurückgewiesen werden (Zurückweisung auf Grundlage der Fiktion einer Nichteinreise). Dafür wollen wir nicht unabgestimmt handeln, sondern mit den betroffenen Ländern Verwaltungsabkommen abschließen oder das Benehmen herstellen.

3. In den Fällen, in denen sich Länder Verwaltungsabkommen über die direkte Zurückweisung verweigern, findet die Zurückweisung an der deutsch-österreichischen Grenze auf Grundlage einer Vereinbarung mit der Republik Österreich statt.