Edmund Stoiber, CSU-Ehrenvorsitzender und ehemaliger bayerischer Ministerpräsident. (Foto: Nikky Maier/BK)
Stoiber-Kolumne

Politik braucht auch Symbole

Kolumne Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Um das Vertrauen der Bürger in die Handlungsfähigkeit des Rechtsstaates zu stärken, muss die Politik starke Signale senden, schreibt der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber. Seehofers Masterplan ist so ein Zeichen.

Kaum ein Politiker weiß um die Macht der Symbole so wie Donald Trump. Oft aber stößt die überschwängliche Botschaft auf eine ernüchternde Realität. Jüngstes Beispiel war sein Treffen mit Nordkoreas Diktator Kim. Das Bild mit dem historischen Handschlag des amerikanischen Präsidenten mit dem Diktator ging um die Welt. Die Vereinbarung, die beide zur Denuklearisierung unterzeichnet haben, wird in Asien, natürlich in Südkorea und China, aber auch in Japan gefeiert. In den USA, bei den Anhängern Trumps, wird das als sein außenpolitischer Erfolg gesehen. Dagegen überwiegen in Europa Skepsis und Kritik. Dort macht man sich mehr Sorgen als der nordkoreanische Nachbar Japan! Die Vereinbarung ist sicher vage gehalten, dass eine nukleare Abrüstung Nordkoreas noch in weiter Ferne liegt. Dennoch hat Trump die Vereinbarung mit den Worten gefeiert, die Amerikaner könnten jetzt ruhiger schlafen. Da hat er nicht ganz unrecht.

Symbole und Bilder sind meistens wirkmächtiger als schwer erklärbare Statistiken.

Edmund Stoiber

Ein anderes symbolträchtiges Ereignis war die Verlegung der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Faktisch hat sich nicht viel geändert. Es wurde nur das Türschild ausgetauscht. Was früher das amerikanische Konsulat war, ist jetzt die Botschaft. Wirkung zeigte die Symbolik aber schon: Jerusalem wurde von den USA damit als Hauptstadt Israels anerkannt. Die Botschaftseröffnung in Jerusalem stieß weltweit auf scharfe Kritik, hatte aber auch schlimme reale Auswirkungen, nicht zuletzt Unruhen und Tote auf palästinensischer Seite. Aber als Ergebnis bleibt, dass sich zum 70. Geburtstag des Staates Israel kein Land so ostentativ zu Israel und seinem Schutz bekannt hat wie die USA, weit mehr als die Europäer, die es bei verbalen Bekundungen beließen.

Rückkehr zu geordneten Verhältnissen

Symbole und Bilder sind meistens wirkmächtiger als schwer erklärbare Statistiken. Die Politik kann den Menschen noch so oft erklären, dass unser Land sicherer geworden ist und dass die Kriminalstatistik beweist, dass die Zahl der Straftaten weiter zurückgegangen ist. Diese gute Nachricht ist schon bei der nächsten aufsehenerregenden Straftat und den schlimmen Bildern in den Medien vergessen.

Der Rechtsstaat muss nicht nur in der Praxis effektiv sein, sondern braucht auch Symbole, um Vertrauen zu gewinnen und den Menschen zu vermitteln, dass er wehrhaft ist und sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt. Die Menschen sind zu Recht höchst sensibel, wenn sie hören, dass der Rechtsstaat in elementaren Fragen versagt. Die Entscheidung von Innenminister de Maizière aus dem Jahr 2015, auf Zurückweisungen an der Grenze zu verzichten und jedem Asylbewerber ein volles Verfahren in Deutschland zu gewähren, hat unser Land nicht nur gesellschaftspolitisch, sondern auch verwaltungsmäßig völlig überfordert. Eine Herrschaft des Rechts war das in vielen Fällen jedenfalls nicht. Das haben die unsäglichen Vorgänge im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) überdeutlich gezeigt. Das BAMF ist zu einem Symbol für die Missstände im deutschen Asylrecht geworden. Deshalb braucht es auch kraftvolle Signale für eine Rückkehr zu geordneten Verhältnissen. Die hat Horst Seehofer als Bundesinnenminister gesetzt, indem er die Bremer Außenstelle geschlossen und die Spitze des BAMF entlassen hat.

Der Masterplan Migration von Horst Seehofer ist eine längst überfällige Korrektur der deutschen Asylpolitik.

Edmund Stoiber

Der Masterplan Migration von Horst Seehofer ist eine längst überfällige Korrektur der deutschen Asylpolitik. Er erhöht den Druck für ein europäisches Asylsystem und entspricht im Übrigen auch der geltenden Verfassungslage: Mit der Reform  des Asylgrundrechts wurde 1993 in breitem Konsens die Regelung eingeführt, dass sich an der deutschen Grenze keiner auf Asyl berufen kann, der aus einem sicheren Drittstaat kommt. Dieses Rechtsprinzip gilt im Kern auch für das vorrangige europäische Dublin-III-Verfahren. Dieser Verfassungskonsens wurde in den letzten Jahren durch die Entscheidung de Maizières ausgehebelt. Die Folgen spüren wir auch bei der Integration. Gerade erst haben fünfzig Bürgermeister beklagt, dass sie mit der Integration der Flüchtlinge allein gelassen werden.

Jetzt wird auch von den Medien ein Punkt von 63 Punkten des Masterplans symbolisch aufgeladen: Die Zurückweisung von Asylbewerbern, die bereits in einem anderen europäischen Land einen Asylantrag gestellt haben oder registriert worden sind. Bisher haben wir keine Möglichkeit, diese Personen zurückzuweisen. Aufgrund der (mündlichen!) Anweisung des ehemaligen Bundesinnenministers de Maizière müssen wir sie ins Land lassen und ein neues Asylverfahren eröffnen.  Damit lädt sich Deutschland eine Verantwortung auf, die es allein schon verwaltungsmäßig nicht schaffen kann. Nach Angaben des Vorsitzenden des Bundes Deutscher Verwaltungsrichter Robert Seegmüller türmen sich bis zu 400.000 Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten auf. Eine Abarbeitung wird noch Jahre dauern und bindet Kapazitäten, die für andere Verfahren gebraucht würden. Das darf nicht so weitergehen und Horst Seehofer zieht als Innenminister die Konsequenzen daraus. Fakt ist, dass es auch nach europäischem Recht kein Recht für Asylbewerber gibt, sich das Land auszusuchen, in dem sie ihren Antrag stellen. Das kann nicht oft genug betont werden.

Druck auf Europa

Natürlich brauchen wir eine europäische Lösung, ein gemeinsames europäisches Asylsystem und eine gemeinsame Grenzsicherung. Die Maßnahmen des Migrationsplans des Bundesinnenministers stellen sich nicht dagegen. Wer aber die Debatten dazu im Europäischen Parlament, im Rat in Brüssel und in den 28 Mitgliedsstaaten verfolgt hat, weiß ganz genau: Seit 1999 diskutieren wir über ein europäisches Asylsystem, seit 2015 in besonderer Weise, aber da ist Europa nicht entscheidend vorangekommen. Wir müssen deshalb alles tun, um den Druck zur Schaffung eines europäischen Asylsystems zu erhöhen. Horst Seehofer tut mit seinem Masterplan genau das. Plötzlich ist Druck im europäischen Kessel! Von Berlin bis Brüssel, von Paris bis Rom, überall kommt Bewegung rein. Auch deshalb ist die Zurückweisung von Asylbewerbern, die bereits in einem anderen europäischen Land registriert wurden, an der deutschen Grenze notwendig. Daraus einen Gegensatz zu europäischen Maßnahmen herzuleiten, kann nur ein bewusstes Missverständnis sein.

Die CSU muss weiter ihre Position konsequent vertreten. Es geht um unsere Glaubwürdigkeit.

Edmund Stoiber

In diesem „Endspiel um unsere Glaubwürdigkeit“, wie es Markus Söder richtig formuliert hat, geht es um viel mehr als eine kleine Meinungsverschiedenheit oder Wahlkampfgetöse. Es geht um verlorenes Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat. Die CSU muss weiter ihre Position konsequent vertreten. Es geht um unsere Glaubwürdigkeit. Das ist eine Grundsatzfrage. Die Menschen empört es, wenn sie bei jeder Kleinigkeit zur Kasse gebeten werden und noch der kleinste Verstoß geahndet wird, der Staat aber in ihren Augen bei diesem großen Thema versagt. Im Übrigen: Die Mehrheit der Bevölkerung steht hier hinter Horst Seehofer und der CSU. 71 Prozent der Bayern wären einer Umfrage zufolge sogar für einen Bruch der Großen Koalition im Bund, wenn sich die CSU in dieser Frage nicht durchsetzt, bundesweit sind es 53 Prozent. Dazu sollten es die CDU-Mitglieder der gemeinsamen Bundestagsfraktion nicht kommen lassen. Die Zurückweisung an der Grenze wäre ein wichtiges Symbol für eine grundlegende, europafähige Neuorientierung der deutschen Asylpolitik.