Das Judentum ist in Bayern glücklicherweise wieder heimisch geworden. Das symbolisiert diese Anstecknadel. (Foto: André Freud)
André Freud

„Muslimische Zuwanderung ist ein Problem“

Interview Der Initiator des Jüdischen Forums in der CSU, André Freud aus Nürnberg, macht die starke muslimische Zuwanderung für den massiv steigenden Antisemitismus mitverantwortlich. Als Gegenmaßnahmen nennt er Bildung, Aufklärung – und das Strafrecht.

Sie sind der Initiator des Jüdischen Forums innerhalb der Christlich-Sozialen Union. Für Außenstehende könnte dieses Begriffspaar spontan wie ein innerer Widerspruch wirken, ein Oxymoron – so wie etwa Audi-Forum innerhalb von BMW…

Beides sind gute Autohersteller. Juden- und Christentum sind zwei miteinander verwandte Religionen mit vielen Gemeinsamkeiten – vor allem bei zentralen Werten, etwa der Nächstenliebe oder der Bedeutung des Individuums. Das C in CSU steht für die christliche Werteorientierung. Und die ist für einen Juden cum grano salis („mit einem Korn Salz“ – nicht in jeder Hinsicht; lateinische Redewendung; Anm. d. Red.) nicht anders.

Wie hat sich denn das jüdische Leben in Bayern entwickelt? Seit der Zuwanderung der Juden aus Russland ab den 1990er Jahren ist die Zahl der Gläubigen ja stark angewachsen. Gleichzeitig mussten die neuen Mitglieder integriert und versorgt werden. Wie ist das gelungen?

Nach der Shoa war nichts mehr, wie es war. In meiner Heimatstadt Nürnberg wurde die jüdische Gemeinde von wenigen Überlebenden wieder gegründet. Zu meiner Bar Mitzwa 1978 waren wir etwa 200. Heute sind wir 2300 und haben ein aktives Gemeindeleben. Die Zuwanderung von Juden aus der Ex-UdSSR stellte die Gemeinden vor Herausforderungen, aber bot auch ungeahnte Möglichkeiten. Die Integration derer, die kamen, war nicht immer einfach. Aber bei der zweiten Generation, die jetzt die Hörsäle der Universitäten verlässt, fällt meist nur noch der Nachname auf. Sie sind FCN-Mitglieder, haben eine Lokalzeitung im Abonnement und ordentliche Berufe – wir sind stolz auf sie. Weil Sie nach Gläubigen fragen: Wie bei den Christen sind bei uns viele nicht observant. Aber sie nehmen sich selbst klar als jüdisch wahr, denn das Wort hat auch eine kulturelle Bedeutung.

Der Antisemit stellt sich gegen alles, wofür unser Staat steht.

André Freud, Initiator des Jüdischen Forums in der CSU

Eine Frage, die viele bewegt: Wie können sich Juden rund 75 Jahre nach dem Holocaust in Deutschland überhaupt wieder heimisch fühlen?

Langsam. Viele der wenigen deutschen Überlebenden liebten die Sprache, das Land – und sahen sich stets als deutsche Juden oder jüdische Deutsche. Das hat ihnen 1933-1945 nicht geholfen, aber es ermöglichte ihnen das Wiederheimischwerden. Die Politik auch gerade in Bayern tat ein Übriges. Der Antisemit stellt sich gegen alles, wofür unser Staat steht.

Immer wieder kommt es vor, dass äußerlich erkennbare Juden, die beispielsweise eine Kippa tragen, in Deutschland auf offener Straße oder in der Schule angegriffen, beschimpft und bespuckt werden. Wird genug gegen diesen Alltags-Antisemitismus getan?

Ja und nein. Die Politik sieht ihn, erkennt seine Gefährlichkeit für unser Gemeinwesen und schreitet ein. Oft aber gibt es eine Kluft zwischen Haltung und Handeln. Es reicht nicht, etwas abzulehnen. Erforderlich ist das Zusammenbringen von Haltung und Handlung. Da freue ich mich über die Ernennung von Ludwig Spaenle zum Beauftragten für jüdisches Leben.

Dabei sind ja nicht nur die „üblichen Verdächtigen“ bei den Neonazis die Täter. Zuletzt häuften sich die Angriffe durch Muslime. Und deren Zahl ist in Deutschland ja massiv angewachsen. Bereitet Ihnen dieser importierte Antisemitismus besondere Sorge?

Es gibt Antisemitismus von Rechts- und Linksextremen, aus der Mitte der Gesellschaft und, verstärkt seit 2015, durch die Zuwanderung aus zerfallenden muslimischen Staaten. Niemand legt seinen ab früher Kindheit erlernten Antisemitismus beim allzu lange allzu einfachen Überschreiten der Grenze ab. Ja, das ist ein großes Problem.

Ein Zulassen von Parallelgesellschaften ist für ganz Bayern, nicht nur uns Juden, die gefährlichste Option.

André Freud

Gern tarnt sich der Antisemitismus als politischer Anti-Israel-Protest. Wie kann man dagegen schärfer vorgehen?

Das ist besonders bei Linksextremen und muslimischen Antisemiten der Fall. Die sogenannte Israelkritik – gib es eine Schweizkritik? – entlarvt sich aber bei näherem Hinsehen durch die Anwendung doppelter Standards selbst.

Wichtig ist, dass die gesellschaftliche Ächtung solcher Vorkommnisse erhalten bleibt, verstärkt wird. Die Mittel dazu sind einerseits Sanktionen straf-, ordnungsrechtlicher oder gesellschaftlicher Art. Das alleine aber reicht natürlich nicht. Es braucht Bildung, Aufklärung und Wissen. Es muss früh damit begonnen werden. Ein Zulassen von Parallelgesellschaften ist für ganz Bayern, nicht nur uns Juden, die gefährlichste Option. Dem ist zu widerstehen. Außerdem sind antisemitische Hirngespinste zu entlarven – nehmen Sie etwa die Mär von der jüdischen Weltverschwörung. Angeblich glauben viele daran. Aber wenn ich jemanden warne, er soll dieses oder jenes nicht tun, sonst käme die jüdische Weltverschwörung, hat das noch niemanden beeindruckt. Warum wohl? Weil sie ihre eigenen Lügen nicht glauben. Der Antisemit hat wohl oft gar kein Problem mit Juden, sondern damit, die Welt zu verstehen.

Juden sind nicht nur Opfer von Antisemitismus. Wir sind Bestandteil Bayerns, wir haben unsere Feste, wir haben unsere Kultur, wir bauen unsere Gemeinden wieder auf. Jüdisches Leben ist ein kleiner Teil, aber ein wichtiger – und er gehört dazu. Auf hebräisch: Am Israel chai – das jüdische Volk lebt!