Das Kreuz gehört zu Bayern, nicht nur in Form eines Gipfelkreuzes wie hier auf dem Siplinger Kopf in den Allgäuer Alpen. (Bild: Imago/Westend61)
Kreuz-Debatte

„Für uns gehört das Kreuz einfach dazu“

Die Weisung, in Dienstgebäuden Kreuze aufzuhängen, ist nicht verfassungswidrig, sagt Ex-Verfassungsrichter Udo di Fabio. Kardinal Marx freut sich doch über das Kreuz im öffentlichen Raum. „Das Kreuz verbindet", sagt CSU-Generalsekretär Markus Blume.

In der verwunderlichen Debatte ums Kreuz rudert Münchens Kardinal Reinhard Marx zurück. Zuvor hatte ausgerechnet der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz die Weisung des Bayerischen Kabinetts, ab dem 1. Juni in allen bayerischen Dienstgebäuden Kreuze aufhängen zu lassen, besonders heftig kritisiert. Am 30. April hatte er der SZ gesagt, durch Ministerpräsident Markus Söders Maßnahme sei „eher Spaltung entstanden, Unruhe, Gegeneinander“. Er spüre das bis in die Familien und Pfarreien hinein.

Das ist eine Schande. Das darf man nicht hinnehmen.

Peter Stephan Zurbriggen, päpstlicher Nuntius in Wien

Dafür hatte Marx sich prompt scharfe Kritik des Nuntius – also: Botschafter – des Vatikans in Wien zugezogen. Als Vertreter des Heiligen Vaters sei er „traurig und beschämt“, dass ausgerechnet Bischöfe und Priester es kritisierten, wenn Kreuze aufgehängt würden, so Nuntius Peter Stephan Zurbriggen: „Das ist eine Schande. Das darf man nicht hinnehmen.“

Weiter kritisierte Erzbischof Zurbriggen den deutschen Kardinal: „Wenn Bischöfe ins Heilige Land pilgern und sich schämen, das Kreuz zu tragen, aus irgendwelchen Gründen, dann beschämt mich das auch.“ 2016 hatten Marx und der evangelische Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm bei einer Reise nach Israel am Jerusalemer Tempelberg auf ihre Brust-Kreuze verzichtet, als „Geste der Zurückhaltung“ in den für Juden und Muslime heiligen Stätten. „Mutig“, so Zurbriggen, sei dagegen Kardinal Jean-Louis Tauran gewesen, der jetzt beim Besuch in Saudi-Arabien vom König empfangen wurde und ein Kreuz trug. In Bezug auf auch in Wien abgehängte Kreuze in der Universität sagte Zurbriggen: „Meine lieben Brüder und Schwestern, diese religiöse Correctness, diese politische, geht mir langsam auf den Nerv!“

Und sie freuen sich doch …

Auch der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer unterstützte Söders Vorstoß. „Ausdrücklich begrüße ich es, wenn in öffentlichen Einrichtungen sichtbar ein Kreuz angebracht ist“, sagte er in Habsberg. „Vom Kreuz geht Segen aus und niemand muss vor ihm Angst haben.“ Es gehe auch nicht darum, „das Kreuz zu instrumentalisieren, sondern ihm in Ehrfurcht zu begegnen“. Die Bayerische Verfassung verweise mit Recht auf das Kreuz als Fundament für das öffentliche Zusammenleben in Freiheit, Toleranz und Rechtsstaatlichkeit, so der Bischof. Dem schloss sich auch der evangelisch-lutherische Regionalbischof aus Regensburg, Hans-Martin Weiss, an.

Im Sinne des christlichen Menschenbildes

Die deutliche Rüge aus dem Vatikan hat sich Kardinal Marx offenbar zu Herzen genommen. Kreuze im öffentlichen Raum seien für ihn ein Grund zur Freude, betonte Marx nun bei der Grundsteinlegung für das neue Seminargebäude der Katholischen Stiftungshochschule in München-Haidhausen. Denn Kreuze im öffentlichen Raum stünden für „die Ausrichtung an den Grundaussagen des christlichen Menschenbildes“ und „die Pflicht, im Sinne des christlichen Menschenbildes zu arbeiten“.

Wenn wir dazu einladen, als Kirche und auch als Staat, dann ist das eine wunderbare Gelegenheit, sich dieses christlichen Menschenbildes neu zu vergewissern.

Kardinal Reinhard Marx

Das Kreuz solle Zeichen dafür sein, „dass diese Gesellschaft zusammenführt, dass sie integriert und dass sie sich neu vergewissert: Woher kommen wir? Auf welchem Fundament stehen wir?“ Marx weiter: „Wenn wir dazu einladen, als Kirche und auch als Staat, … dann ist das eine wunderbare Gelegenheit, sich dieses christlichen Menschenbildes neu zu vergewissern.“

Grundüberzeugung der CSU

Nichts anderes sei die Absicht von Ministerpräsident Söder, betont CSU-Generalsekretär Markus Blume in der katholischen Zeitung Die Tagespost. Es gehe um die „Selbstvergewisserung unseres Wertefundamentes für unser Zusammenleben“. Das Bekenntnis zu einer christlichen Wertorientierung sei „tief in den Grundüberzeugungen der CSU verankert“. Blume weiter: „Genau deshalb steht und lebt die CSU für das ‚C‘ im Parteinamen seit mehr als 70 Jahren.“

Für uns gehört das Kreuz einfach dazu.

Markus Blume, CSU-Generalsekretär

Er versteht gar nicht, wie man auf den Gedanken kommen könne, das Kreuz, das für Menschenwürde, Nächstenliebe und Toleranz stehe, zu einem Symbol der Ausgrenzung zu erklären: „Das Aufhängen des Kreuzes schließt für uns nicht aus – es verbindet.“ Blume: „Für uns gehört das Kreuz einfach dazu.“

Nicht verfassungswidrig

Für verfassungsrechtlich völlig unbedenklich hält der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio die Weisung des Bayerischen Kabinetts, in den Dienststellen des Freistaats ein Kreuz anzubringen. Von Verfassungswidrigkeit könne mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „keine Rede“ sein, so di Fabio in einem Beitrag für die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit.

Denn von einem schlichten Kreuz gehe eben keine „weltanschauliche oder religiöse Indoktrination“ aus: „Das schlichte Kreuz in öffentlichen Räumen ist frei von solch überwältigender Symbolkraft.“

Was er nicht sagte: Die Kreuze sollen nicht in Klassenzimmern oder Gerichtssälen, sondern im Eingangsbereich öffentlicher Gebäude aufgehängt werden. Dort ist auch niemand gezwungen, länger als nötig zu verweilen.

Selbstvergewisserung

So sehen das auch die Bayern, die sich in einer repräsentativen Umfrage mit 56 Prozent für das Kreuz in Behörden ausgesprochen haben. In Bayern stehe eine klare Mehrheit hinter ihm, auch wenn das Thema in Deutschland und in den Medien anders diskutiert werde, sagte Söder dem BR.

Von den etablierten Parteien kümmert sich um Identitätsbelange nur noch die CSU.

Neue Zürcher Zeitung

In Zeiten der Verunsicherung gehe es bei der „Kreuz-Aktion“ wie bei der Besinnung auf den Begriff der Heimat „um eine konservative Selbstvergewisserung“, analysiert die Neue Zürcher Zeitung: „Von den etablierten Parteien (in Deutschland) kümmert sich um Identitätsbelange nur noch die CSU.“