Die Deutsche Nationalhymne (g)ändern? Dagegen regt sich großer Widerstand. (Bild: Imago/Steinach)
SPD

Die gegenderte Nationalhymne

Kommentar Eine Änderung der Nationalhymne fordert die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesfamilienministeriums, Kristin Rose-Möhring (SPD). "Vaterland" und "brüderlich" sollen politisch korrekt umgedichtet werden. Das ist in mehrfacher Hinsicht falsch.

Die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesfamilienministeriums, Kristin Rose-Möhring (SPD), hat anlässlich des Internationalen Frauentags am 8. März vorgeschlagen, die Deutsche Nationalhymne zu ändern. So berichtet es die Bild-Zeitung aus einem Schreiben der Beauftragten an alle Mitarbeiter des SPD-geführten Ministeriums.

Danach sollen die Begriffe „Vaterland“ (aus der Zeile „Einigkeit und Recht und Freiheit für das Deutsche Vaterland“) und „brüderlich“ (aus der Zeile „Danach lasst uns alle streben, brüderlich mit Herz und Hand“) gestrichen werden. Aus „Vaterland“ solle „Heimatland“, aus „brüderlich“ solle „couragiert“ werden. „Warum gendern wir nicht unsere Nationalhymne, das Deutschlandlied?“, fragte nun laut Bild die SPD-Politikerin. „Täte gar nicht weh, oder? Und passt zudem auch zum neuen Bundesministerium des Innern und für Bau und Heimat.“ Zur Begründung verwies die Frauenbeauftragte demnach auch auf geschlechterneutrale Umformulierungen etwa in der österreichischen und der kanadischen Hymne.

Kunstwerke werden nicht verändert

Rose-Möhring liegt damit falsch – und man muss sich dazu nicht mal über den grassierenden Gender-Wahnsinn lustig machen, der Absurditäten wie die Anrede „Herr Professorin“ an der Leipziger Uni hervorbringt. Da wäre zunächst mal der Umstand, dass ein Musikstück ein Kunstwerk und ein Zeugnis seiner Zeit ist, ebenso wie ein Gemälde oder die Skulptur eines Bildhauers. Und jeder weiß das. Wer aber käme in westlichen Ländern auf den Gedanken, beispielsweise das Gemälde „Picknick im Grünen“ des französischen Malers Édouard Manet zu übermalen, weil darauf nur die Frauen unbekleidet sind, nicht aber die Männer? Gut, ein Museum in Manchester hat das Gemälde des englischen Meisters John William Waterhouse „Hylas und die Nymphen“ abgehängt, weil es eine Debatte über Sexismus in der Kunst auslösen wollte, und in Rom wurden die Statuen nackter Frauen verhüllt, als ein iranischer Politiker zu Besuch kam – „Shitstorm“ jeweils inklusive. Aber ernsthafte Änderungsversuche aus Korrektheit bei Gemälden oder Skulpturen?

Ja, Nationalhymnen sollten für alle Bürger stehen und sind nicht unbedingt ewig gültig. Dies kann man an den zwei weiteren Strophen des Deutschlandliedes sehen, deren Texte entweder NS-belastet („Deutschland, Deutschland über alles“) oder überholt („von der Maas bis an die Memel“) sind und die deshalb nicht mehr gesungen werden. Doch die dritte Strophe ist eben nicht überholt und wurde bewusst nach 1945 zur Hymne erkoren. Denn das Wort „Vaterland“ schließt ebenso wie „brüderlich“ niemanden aus, auch wenn einige Grüne noch so sehr dieser Ansicht sind. Im Gegenteil heißt es in der Hymne: „Danach lasst uns ALLE streben“.

Im Grab umdrehen

Dann wäre da Punkt zwei: das Wort „brüderlich“ ist nicht gleichbedeutend mit „couragiert“. Letzteres bedeutet mutig oder entschlossen, „brüderlich“ bedeutet: gemeinsam, miteinander, solidarisch. Als August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1841 auf Helgoland den späteren Hymnentext schrieb, sehnte er sich nach einem geeinten Staat, der alle deutschen Stämme vereinen sollte.

Rose-Möhrings Verweis auf das Beispiel Österreich, wo 2011 die Bundeshymne geändert wurde, taugt eigentlich nur zur Mahnung vor solchen Textverhunzungen: Aus „Heimat bist du großer Söhne“ wurde „Heimat großer Töchter und Söhne“. Das hat den Textrhythmus deutlich verschlechtert, so sehr, dass sich Sänger wie Andreas Gabalier weigerten, diese Version zu singen. „Ich verteidige die Ur-Version der Hymne, weil es für mich ein Stück Geschichte ist und die Hymne durch den neuen Text unrund ist. Ich würde mich im Grab umdrehen, wenn ein Text im Nachhinein von mir umgetextet wird“, sagte Gabalier. „In einem Land wie Österreich, wo so viele Frauen zu Recht voller Selbstbewusstsein im Leben stehen, muss man nicht mehr jede Leistung einer Frau extra herausstreichen, wie bei einem kleinen Kind, das man loben sollte.“

Die „Sprach-Taliban“

Bleibt Punkt drei: Wahnsinn hat Methode. Wenn wir solche Wort-Säuberungen vornehmen, müssen wir dann nicht viele weitere Begriffe von der Muttererde bis zum Herrgott verschlimmbessern? Es gab schon den Vorschlag, Mutter und Vater künftig nur noch als „Elter“ zu bezeichnen. Dann müssten wir also künftig das „Elterunser“ beten und die deutsche National-Elterschaft im Fußball anfeuern. „Fängt man einmal damit an, landet man irgendwann bei den Sprach-Taliban oder im Kabarett“, so ein Welt-Kommentator über die „Schriftbildmassaker“.

Dann wäre theoretisch auch die Europa-Hymne dran, Schillers und Beethovens „Ode an die Freude“ – auch wenn in Brüssel nur die Instrumentalversion gilt. Denn da heißt es: „Tochter aus Elysium“ oder „Brüder – überm Sternenzelt, muss ein lieber Vater wohnen“ und „Wer ein holdes Weib errungen“, sogar von „Männerstolz“ ist die Rede.

Abschließend muss man auch feststellen, dass frauenfeindliche Scharia-Gesetze, Burkas, Zwangs- oder Vielehen sowie Ehrenmorde wichtigere Themen für eine Gleichstellungsbeauftragte wären, als die Nationalhymne. Die sollte genau deshalb so bleiben, wie sie ist – weil alle nach „Recht“ und „Freiheit“ streben, beides „Unterpfande“, also Garanten für das „Glück“.