Brummi-Rückstau bis weit nach Bayern hinein: Lkw stehen Anfang Januar auf der Inntal-Autobahn, weil sie an der Grenze bei Kufstein nur per "Blockabfertigung" weitergelassen werden. (Foto: Imago/Roland Mühlanger)
Verkehrsgipfel

Rechts stehen, links stauen

Die Verkehrsminister von Deutschland, Österreich und Italien wollen Lastverkehr über den Brenner-Pass auf die Bahntrasse verlagern. Doch bislang läuft die Verschiebung nur in der Gegenrichtung - 90 Prozent der Güter rollen in Bayern über die Straße.

Auf Maßnahmen, mit denen mehr Güterverkehr auf der Brenner-Transitstrecke von der Autobahn auf die Schiene verlagert werden könnte, haben sich die Verkehrsminister der Anrainerstaaten Deutschland, Österreich und Italien verständigt. Damit reagieren sie auf die Lkw-Blockabfertigung, die das Bundesland Tirol an der österreichisch-deutschen Grenze immer wieder auf der Inntal-Autobahn praktiziert. Sie führt zu langen Lastwagen-Staus auf der rechten Fahrspur, während sich die Pkw auf der Überholspur links daneben stauen. „Wir halten die Blockabfertigung nicht für rechtens“, erklärt Bayerns Innen- und Verkehrsminister Joachim Herrmann. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) hält dagegen: „Die Blockabfertigungen haben Bewegung gebracht in die ganze Transportproblematik. Der Löwe bewegt sich – aber noch zu wenig.“

Bayerischer Löwe im Stau

Nach österreichischen Angaben überqueren derzeit täglich 4735 Brummis den am stärksten befahrenen Alpen-Pass. Während immer weniger Lkw für die Strecke auf die Transportzüge der so genannten „Rollenden Landstraße“ verladen werden – im ersten Quartal 2017 insgesamt 14.626 Lkw weniger als im entsprechenden Vorjahresquartal. Die Passage von Regensburg nach Süden hat die Deutsche Bahn sogar aus Rentabilitätsgründen ganz eingestellt.

Bundesverkehrsminister Christian Schmidt wundert sich. Es sei „eigenartig“, dass bestehende Gütertransportkapazitäten auf den Bahnstrecken nicht genutzt würden. Er will die Trassengebühren bei der Bahn verringern, um das Verkehrsmittel für Logistikunternehmen attraktiver zu machen. Eine Erhöhung der Lkw-Maut sieht Schmidt in Deutschland jedoch nicht als Lösung.

Die Blockabfertigungen haben Bewegung gebracht in die ganze Transportproblematik.

Günther Platter, Landeshauptmann Tirol

Die österreichischen und italienischen Behörden dagegen wollen genau diesen Gebühren-Hebel bedienen, um die Betreiber der Truck-Flotten zum Umstieg auf die Schiene zu bewegen. Damit setzen sie mittelfristig den angrenzenden Freistaat Bayern unter Druck. Denn bis 2026 soll der Brennerbasistunnel für Gütertransporte via Schiene fertig sein, auf österreichischer und italienischer Seite arbeiten die Bautrupps längst. Der Nordzulauf zu diesem Alpentunnel auf deutscher Seite indes hinkt dem Zeitplan hinterher. Die Deutsche Bahn hat – unter Protest von Anwohnern aus dem Inntal – gerade mal mit Probebohrungen im Erdreich für die Sondierung des Terrains begonnen. Denn die bislang zweispurige Bahnstrecke parallel zur Autobahn soll eigentlich vierspurig ausgebaut werden.

Das ist kein nachbarschaftliches Verhalten.

Joachim Herrmann, Verkehrsminister Bayern

Bewohner an der Strecke stellen sich quer. Der Neubeurer Landwirt Wolfgang Scherer vom „Bürgerforum Inntal“ schimpft: „Das ist unser Grund und Boden, unsere Heimat, die man hier zerstört.“ Nach einem Gipfeltreffen mit empörten Bürgern im Landkreis Rosenheim kündigte im März 2017 der seinerzeitige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt an, dass die Planung für die Trassenführung komplett von vorne beginnen solle. Die Rosenheimer Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig bezeichnete dies als „Durchbruch“. Eine seriöse Aussage, „ob überhaupt, wo und wann welche neue Trasse Realität wird, ist daher final erst möglich, wenn eine verbindliche Nutzen-Kosten-Analyse vorliegt“, sagt sie.

Für vom Bahnlärm womöglich Betroffene klingt das nach Teilerfolg – für die zeitnahe Schienenanbindung des Brennerbasistunnels in Richtung Bayern bedeutet es einen Rückschlag. Entsprechend dringlich fordert die Transportbranche, darunter der Landesverband Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT), den Ausbau der nördlichen Zulaufstrecke zwischen München, Rosenheim und Kufstein. „Viele wollen, dass mehr Verkehr über die Bahn abgewickelt wird. Sobald es aber an die Erweiterung der Schienentrassen geht, kommen die Proteste“, bemängelt LBT-Geschäftsführer Sebastian Lechner.

Trendwende im Güterverkehr?

Ohnehin käme die nun beim Verkehrsgipfel angestoßene Verlagerung von Gütermengen auf die Schiene einer unerwarteten Trendwende gleich. Denn seit Jahren steigt in Bayern der Anteil der per Lkw transportierten Ladungen kontinuierlich – allein zwischen 2008 und 2013 von 89,9 auf 90,6 Prozent, während der Bahnanteil von 8,4 auf 8,1 Prozent sank. Verkehrsminister Herrmann erläutert: „Für die Entscheidung, ob ein Spediteur seine Güter auf der Straße oder auf der Schiene transportiert, spielen vor allem die Kosten eine Rolle. Deshalb muss es uns gelingen, den Schienenverkehr so attraktiv zu machen, dass sich der Transport mit der Bahn für die Unternehmen lohnt.“

Der umgekehrte Weg hingegen, den die Nachbarländer ansteuern – nämlich Lkw-Transporte über höhere Maut und Staus wegen Blockabfertigung unattraktiver zu machen – missfällt dem Minister. Das sei „kein nachbarschaftliches Verhalten“, kritisiert Herrmann. Die Kapazitäten für eine kurzfristige Steigerung des Güterverkehrs auf der Schiene sind nach seiner Auskunft jedenfalls vorhanden.

Exportnation auf Achse

Die einstweilige Steigerung würde dann auch die Bedarfsanalyse für zusätzliche Schienenstränge im Inntal beeinflussen. Langfristig würde mehr Schienengüterverkehr das Inntal eher ent- als belasten. Denn die transportierte Gütermenge zwischen Rosenheim und Trento wächst weiterhin. Lärm und Abgas-Belastung durch den Lkw-Verkehr steigen, da böte der Brennerbasistunnel samt funktionierendem Nordzulauf das Potenzial für eine erhebliche Reduzierung. Mit der Blockabfertigung an der Grenze steuert die Autobahnstrecke derzeit regelmäßig auf den Verkehrsinfarkt zu. „Die derzeitigen Wachstumsraten wird eine Exportnation nur schwer halten können, wenn die Waren nicht zu den Abnehmern gelangen“, warnt jedenfalls Logistik-Lobbyist Lechner davor, den Status quo beizubehalten.