Der frühere Bundesinnenminister und jetzige Bundestagsvizepräsident, Hans-Peter Friedrich, im Interview. (Foto: BMI)
Hasspostings

Letztes Wort für Justiz

Auch aus der CSU wird am „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ von SPD-Justizminister Maas Kritik laut. Skeptiker nennen es ein „Zensurmonster“ und Anschlag auf die Meinungsfreiheit, Maas verteidigt es als Instrument gegen Hassbotschaften und Rassismus.

Das Kind mit dem Bade ausgeschüttet – dieses Sprachbild fasst wohl am besten zusammen, was SPD-Justizminister Heiko Maas im Kampf gegen Hassbotschaften und vermeintlichen Rassismus im Internet nach Ansicht seiner Kritiker erreicht hat: Vielleicht gut gemeint, aber es bei der Ausführung übertrieben und dabei im Endeffekt etwas völlig Missratenes geschaffen. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das seit Jahresbeginn vollständig in Kraft trat. Die Kritiker finden sich vor allem bei FDP und AfD, aber auch zunehmend in den Reihen der Union.

Das Gesetz wird den rechtsstaatlichen Maßstäben bei der schwierigen Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und dem Schutz des Persönlichkeitsrechts nicht gerecht.

Hans-Peter Friedrich (CSU), Bundestagsvizepräsident

Die Kritik richtet sich vor allem gegen die willkürliche Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die Betreiber der sozialen Netzwerke. „,Im Zweifel gegen die Meinungsfreiheit‘ könnte die Überschrift des von Bundesjustizminister Maas mit heißer Nadel gestrickten Gesetzes lauten“, sagt Bundestagsvizepräsident Hans-Peter Friedrich (CSU) zum BAYERNKURIER. „ Was wir brauchen, sind insbesondere speziell ausgestattete und ausgebildete Staatsanwaltschaften mit entsprechenden Entscheidungsbefugnissen, Kommentare oder Posts zu löschen. Und eines dürfte klar sein: Am Ende muss die unabhängige Justiz das letzte Wort haben.“

Löschungs-Entscheidung an Betreiber ausgelagert

Insbesondere ärgert sich Friedrich darüber, dass die Entscheidung, welche Beiträge gelöscht werden, nicht von der Justiz getroffen, sondern an die Betreiber ausgelagert wird. Das Gesetz, so betont Friedrich, werde „den rechtsstaatlichen Maßstäben bei der schwierigen Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und dem Schutz des Persönlichkeitsrechts nicht gerecht. Statt rechtlich gebotener Entscheidungsfindung durch die Justiz, wird die Entscheidung über Recht und Unrecht den Internetunternehmen übertragen – und damit praktisch privatisiert. Eine Beschwerdemöglichkeit zur Wiederherstellung der zu Unrecht gelöschten Nachrichten existiert schon gleich gar nicht“.

Ich war von Anfang an dagegen und werde alles dafür tun, dieses Gesetz zu kippen.

Hans-Peter Friedrich

Grundsätzlich seien die sozialen Netzwerke gut, denn sie ermöglichten es den Bürgern, sich direkt und jederzeit an Diskussionen zu beteiligen. „Sie müssen nicht mehr nur mit der Faust in der Tasche vor dem Fernseher sitzen oder hoffen, dass eine Zeitung ihren Leserbrief abdruckt, sondern können gleich loslegen“, so Friedrich. „Vielfach ersetzen die sozialen Netzwerke die Stammtische von früher. Nicht jeder Diskussionsbeitrag ist geschmackvoll, hochqualifiziert oder sachlich. Manchmal schwingt Wut oder Ärger mit.“ Allerdings gebe es bei aller Meinungsfreiheit auch Grenzen, schränkt Hans-Peter Friedrich ein: „Die Grenzen für jede Äußerung und das Recht auf Meinungsfreiheit liegen dort, wo strafbare Tatbestände vorliegen, angefangen bei der Volksverhetzung bis hin zur Beleidigung oder Gewaltverherrlichung. Dies gilt in der analogen Welt ebenso wie in der digitalen.“

Möglicherweise sogar Zustimmung zu AfD-Antrag

In einem Gespräch mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ hatte der Bundestagsvizepräsident bereits angekündigt, für die Abschaffung des Netzdurchsetzungsgesetzes zu stimmen, was FDP und AfD beantragt hatten. Notfalls würde er sogar für einen Gesetzentwurf der AfD stimmen, um das missratene Gesetz wieder abzuschaffen. „Ich war von Anfang an dagegen und werde alles dafür tun, dieses Gesetz zu kippen. Wenn es keine andere vernünftige Möglichkeit gibt, dann bleibt mir nichts anderes übrig als mit der AfD zu stimmen“, sagte Friedrich. Der Bundestagsvizepräsident wäre auch bereit, einen Antrag der Liberalen zu unterstützen. „Die FDP hat einen Antrag zur Aufhebung des #NetzDG gestellt, dem ich zustimmen werde“, schrieb der ehemalige Bundesinnenminister. Allerdings lehnt Friedrich das Ansinnen der FDP, gleichzeitig die Vorratsdatenspeicherung zu kippen, entschieden ab. Friedrich war bei der Abstimmung über das Gesetz im Bundestag einer der wenigen aus der Unions-Fraktion, der dagegen gestimmt hat.

Das mit Jahresbeginn in Kraft getretene Gesetz verpflichtet Internetplattformen wie Twitter und Facebook, Hinweisen auf rassistische oder andere strafbare Äußerungen nachzugehen. Die Betreiber müssen Posts oder Videos binnen 24 Stunden löschen, wenn sie diese für verboten halten. Werden strafbare Inhalte nach Hinweisen nicht gelöscht, droht ihnen ein Bußgeld von bis zu 50 Millionen Euro. Für Aufregung hatte die Löschung eines Flüchtlings-feindlichen Tweets der AfD-Politikerin Beatrix von Storch gesorgt. Die Kölner Polizei zeigte die Politikerin wegen Volksverhetzung an. Twitter sperrte auch einen Titanic-Tweet, in dem von Storchs Äußerungen aufs Korn genommen wurden. Ebenso laut Medienberichten einen Tweet von Justizminister Maas selbst.

Regierung plant Evaluation

Die Bundesregierung ihrerseits setzt angesichts der breiten Kritik auf die Ergebnisse einer vorgesehenen Untersuchung. Es werde „sehr genau evaluiert werden, wie sich das Gesetz auswirkt und welche Erfahrungen mit ihm gemacht werden“, versicherte Regierungssprecher Steffen Seibert. Dann gelte es, gegebenenfalls Schlüsse daraus zu ziehen. Laut Justizministerium müssen Betreiber sozialer Netzwerke bis April oder Mai Berichte vorlegen, was auf welcher Grundlage gelöscht wurde. Seibert betonte, die grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit sei von allerhöchstem Wert. In den vergangenen Jahren habe man allerdings beobachten können, wie hasserfüllte, Strafnormen verletzende Kommentare in sozialen Netzwerken zugenommen hätten.