Weihnachtskrippe: Das Jesuskind, Maria, Josef, Ochs und Esel. (Foto: Imago/Eibner)
Lüneburg

Falsch verstandene Toleranz

Kommentar Eine ausgefallene Weihnachtsfeier wird zum Symbol: Wie christlich ist Deutschland noch? Und: Sind wir so tolerant, dass wir dadurch die Intoleranten ermutigen, unsere Kultur zu zerstören? Eine Rückbesinnung aufs Christentum tut in jedem Fall not.

Die Berichte widersprechen sich: Der NDR hatte gemeldet, dass das Gymnasium Johanneum im niedersächsischen Lüneburg die früher verpflichtende Weihnachtsfeier heuer gestrichen habe. Hintergrund soll demnach sein, dass sich eine moslemische Schülerin über die dort gesungenen christlichen Lieder beschwert habe. Diese seien nicht mit ihrem Glauben vereinbar. Daher habe die Schule die Weihnachtsfeier auf den Nachmittag verschoben, die Teilnahme sei freiwillig.

Nach öffentlicher Kritik beeilte sich der Schulleiter zu erklären, in Wirklichkeit habe sich die Schülerin im verpflichtenden Fachunterricht beschwert, „als eine Lehrkraft das Singen von Weihnachtsliedern ansetzen wollte“. Daraufhin habe er „um eine sensible Handhabung im Pflichtunterricht“ gebeten. Eine Feier für die Mittelstufe falle in diesem Jahr aufgrund eines „Personalwechsels im Kollegium“ aus. „Hier liegt keine grundsätzliche Entscheidung über eine Abschaffung vor“, so der Schulleiter.

Diktatur der Minderheit?

Wie dem auch sei: Die Erklärung des Schulleiters ist halbherzig, die Begründung für den Ausfall der Weihnachtsfeier wenig plausibel. An welcher Schule fällt schon eine Weihnachtsfeier aus, weil die Lehrer wechseln – was im Grunde ein alltäglicher Vorgang ist? Viel mehr drängt sich der Verdacht auf, im SPD-dominierten Niedersachsen müsse sich der Schulleiter um demonstrativ „politisch korrektes“ Handeln bemühen: Da kann man schon einmal die Weihnachtsfeier auf dem Multikulti-Altar opfern.

Der Fall Lüneburg ist trotz des halbherzigen Dementis des Direktors ein Paradebeispiel für vorauseilenden Gehorsam gegenüber intoleranten Muslimen. Das Singen von Weihnachtsliedern etwa im Fachunterricht Musik ist nichts Falsches, weil sie zu unserer Kultur gehören. Falsch verstandene Toleranz, das Kappen der eigenen kulturellen Wurzeln, um dem anderen ja keinen Anlass zur Klage zu bieten, führt zur Diktatur der aggressiven Minderheit.

Es wäre der muslimischen Schülerin durchaus zuzumuten, bei der Weihnachtsfeier anwesend zu sein, es hätte sie ganz bestimmt niemand gezwungen mitzusingen. Im Idealfall hätte das Mädchen etwas mehr über die christlichen Wurzeln der deutschen Kultur gelernt, in der sie lebt. Umgekehrt passt sich ja auch jeder christliche Auswanderer selbstverständlich an Kultur und Brauchtum des aufnehmenden Landes an und fordert nicht ein, dass sich alle gemäß seiner Vorstellungen anpassen und ändern müssen.

Christliche Prägung schwindet

In diesem Zusammenhang muss man aber auch die deutsche „Mehrheitsgesellschaft“ insgesamt kritisieren, die sich ihrer eigenen christlichen Wurzeln zunehmend unsicher ist, diese sogar aktiv leugnet. Wenn nach einer aktuellen Umfrage nur 20 Prozent der Deutschen zu Weihnachten in die Kirche gehen wollen, ist das ein Armutszeugnis für die christliche Prägung unserer Kultur. Bei einer Umfrage vor zwei Jahren sagten nur 57 Prozent, sie würden das Weihnachtsevangelium kennen. 25 Prozent meinten gar, es handle sich um ein Märchen von den Brüdern Grimm.

Man muss ja den ganzen Weihnachtskitsch und vor allem die Kommerzialisierung dieser Tage nicht unbedingt mögen. Aber wer die physische Grundlage des Christentums, die Fleischwerdung des Erlösers, ignoriert, steht nicht mehr auf dem Boden des christlichen Abendlands. Die vielzitierten Werte des Grundgesetzes, Toleranz und Freiheitsrechte, können allein nicht sinnstiftend wirken. Die Werte des Grundgesetzes sind, wie der frühere Verfassungsgerichtspräsident Ernst-Wolfgang Böckenförde einmal sagte, ein Gefäß, das mit Inhalt gefüllt werden muss. Diese Füllung wächst aus Kultur und Religion.

Christentum und Grundgesetz

Übrigens: Auch die Menschenrechte im Grundgesetz fußen auf dem Begriff der Menschenwürde, und dieser ist ein zutiefst christlicher Begriff. Er speist sich aus der christlichen Vorstellung der Gottebenbildlichkeit des Menschen. Die Denker der Aufklärung und des Liberalismus, die die Menschenrechte formulierten, hatten zwar ihre Schwierigkeiten mit dem Christentum, operierten aber ganz eindeutig auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes, mit dem sie aufgewachsen waren. Also: Ohne Christentum keine Menschenwürde, keine Menschenrechte, keine Toleranz.