Sterbende begleiten bis zuletzt. (Bild: Fotolia/tbel)
Sterbehilfe

Begleitung auf dem letzten Weg

Sterbehilfe und Sterbebegleitung beschäftigen den Bundestag intensiv. Während eine Gruppe von Abgeordneten einen Gesetzentwurf vorlegt, der ärztlichen assistierten Suizid zivilrechtlich erlauben will, sind sich alle Parlamentarier darin einig, dass Palliativ- und Hospizversorgung qualitativ und quantitativ stark ausgebaut werden müssen.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, lehnt ärztliche Beihilfe zum Suizid todkranker Patienten ab. „Man soll nicht durch den Arzt sterben, sondern an der Hand des Arztes in den Tod begleitet werden“, sagte der Mediziner in der ARD. Er stellte sich gegen einen entsprechenden Vorschlag einer Gruppe von Abgeordneten der schwarz-roten Koalition, der heute vorgestellt wurde.

Die Parlamentarier um die Vorsitzende des Bundestags-Entwicklungsausschusses, Dagmar Wöhrl (CSU), Bundestagsvizepräsident Peter Hintze (CDU), die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder (CDU) sowie die SPD-Fraktionsvize Carola Reimann und den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach wollen im Zivilrecht den ärztlich assistierten Suizid für den Fall regeln, dass der Patient sterbenskrank ist und extrem leidet. „Strafrechtlich ist das heute zulässig, aber das Arztrecht, das Standesrecht, ist da sehr unterschiedlich“, sagte Hintze. In Bayern sei Ärzten der assistierte Suizid erlaubt, in Berlin sei er dagegen verboten.

Den  Sterbehilfe-Vereinen die Geschäftsgrundlage entziehen

Die Regelung soll nach dem Willen der Initiatoren den ärztlichen Sterbehelfern Rechtssicherheit gewähren – und will die umstrittenen Sterbehilfevereine auf diese Weise überflüssig machen. „Wir entziehen ihnen die Geschäftsgrundlage: Niemand muss ins Ausland fahren, niemand muss sich an selbsternannte Sterbehelfer wenden“, so Reimann.

Demnach sollen Ärzte künftig straffrei bleiben, wenn sie mehrere Grundsätze beachten: Der sterbewillige Patient muss volljährig und einwilligungsfähig sein und an einer tödlich verlaufenden, organischen Krankheit leiden. Beides muss durch einen zweiten Arzt bestätigt werden. Darüberhinaus muss der Patient umfassend über alle schmerztherapeutischen Mittel informiert sein. Die Initiatoren glauben sich damit auf der Seite der meisten Deutschen, die in Umfragen immer wieder ärztlich assistierten Suizid gutheißen: „Die Menschen wollen selbst bestimmen, wie sie sterben“, so Lauterbach. Er behauptete, es gebe in Deutschland „tausende Ärzte“, die bereit wären, Sterbehilfe zu leisten.

Kein Schierlingsbecher vom Arzt

Dem widersprach Ärzte-Präsident Montgomery entschieden: „Wir wollen eben in der Stunde des Todes dabei sein und dem Patienten helfen, ihn begleiten, aber nicht ihn umbringen“, sagte er. Deswegen gebe es Methoden der Palliativmedizin, der Schmerzbekämpfung. Wer ärztliche Sterbehilfe zum normalen Umgang mache, müsse befürchten, dass Menschen aus sozialem Druck zum Suizid gedrängt würden. Das sei mit dem Grundauftrag der Ärzte nicht vereinbar. „Ein guter Arzt wird nicht mit einem Schierlingsbecher oder einem Tablettenbecher dem Patienten entgegenkommen und dann danebensitzen, während er ihn trinkt.“

Kritik kam auch von der katholischen Kirche. „Mit dem Vorschlag wird der assistierte Suizid erstmals als ärztliche Aufgabe definiert und als Handlungsoption neben die Möglichkeiten der palliativen und hospizlichen Versorgung gestellt“, sagte der Leiter des Kommissariats der Deutschen Bischöfe, Prälat Karl Jüsten. Damit bestehe die Gefahr, dass sich Menschen in schwierigsten Lebenssituationen womöglich gezwungen sehen, sich für die Option Suizid zu entscheiden.

Insgesamt vier Gruppenanträge liegen vor

Die anderen drei Gruppenanträge – es gibt insgesamt vier – streben strafrechtliche Regelungen an. Sie sind im Kern gegen eine organisierte, gewerbsmäßige Sterbehilfe. Die erste Lesung aller Gruppenanträge ist für den 2. Juli geplant und damit noch vor der Parlaments-Sommerpause. Anfang November will der Bundestag einen Beschluss zum Thema Sterbehilfe fassen.

Die größte Chance auf eine breite Zustimmung hat der Gesetzentwurf einer fraktionsübergreifenden Gruppe um Michael Frieser (CSU), Michael Brand (CDU), Kerstin Griese (SPD), Kathrin Vogler (Linke) und Elisabeth Scharfenberg (Grüne). Dieser will die geschäftsmäßige Förderung der Sterbehilfe unter Strafe stellen (der BAYERNKURIER berichtete). Ansonsten sollen die bisherigen Regelungen gelten. Diesem Entwurf neigt angeblich ein großer Teil der Unionsfraktion zu, einschließlich Gesundheitsminister Hermann Gröhe und Fraktionschef Volker Kauder.

Palliativmedizin und Hospizbetreuung massiv ausbauen

Ungeachtet der unterschiedlichen Positionen bei der Sterbehilfe sehen alle vier Gruppen die Notwendigkeit, die ambulante und stationäre Betreuung und Begleitung sterbenskranker Menschen auf ihrem letzten Lebensabschnitt auszubauen. Gröhe hatte dazu einen Gesetzentwurf zum Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung in Deutschland vorgelegt, der heute in erster Lesung im Bundestag behandelt wurde.

Für die Versorgung Schwerstkranker und Sterbender sollen die Krankenkassen künftig einen dreistelligen Millionenbetrag zusätzlich ausgeben. Ziel ist es, eine flächendeckende Versorgung durch Hospize und ambulante Pflege sicherzustellen. Dieses Gesetz soll ebenfalls Anfang November verabschiedet werden. Dabei ist die zeitlich enge Verschränkung der beiden zusammenhängenden Komplexe Sterbehilfe und palliative Sterbebegleitung beabsichtigt.

dpa/wog