Mit insgesamt 16 Kameras überwacht die Polizei das Treiben auf dem Münchner Christkindlmarkt. (Bild: AS)
Weihnachtsmarkt

„Ich fühle mich sicher“

Nach dem Terroranschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt im vergangenen Jahr sind die Sicherheitsmaßnahmen deutschlandweit auf den Märkten verstärkt worden. Auch Bayerns größter Christkindlmarkt hat sich verändert - doch viele bemerken es gar nicht.

Rob Winsley nippt genüsslich am heißen Glühwein. Der gebürtige Londoner besucht den Münchner Christkindlmarkt heuer zum ersten Mal – pünktlich zur Eröffnung am 27. November. Die Überwachungskamera hat er noch nicht bemerkt, die an einem Masten gleich über ihm hängt. „Mein erster Eindruck vom Weihnachtsmarkt ist sehr gut und ich fühle mich sicher“, sagt er. Zwei Polizeibeamten ist Winsley heute bereits begegnet. Zu Beginn der Marktzeit verteilen sie Infoblätter unter Besuchern und insgesamt 160 Standbetreibern. Auf den Flyern ist ein Warnhinweis vor Taschendieben abgedruckt. Circa zwei Vorfälle ereignen sich täglich, das sind rund 60 Taschendiebstähle auf dem Marienplatz und den umliegenden Gassen während der gesamten Weihnachtszeit.

Ein Jahr danach

Knapp ein Jahr nach dem islamistischen Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche verstärkt die Polizei deutschlandweit die Sicherheitsmaßnahmen auf den Märkten. Auf dem Münchner Marienplatz sind insgesamt 16 Überwachungskameras installiert, die das Treiben auf Bayerns größtem Weihnachtsmarkt aufzeichnen. Die Livebilder werden von der Münchner Polizei rund um die Uhr überwacht. Zusätzlich sind mehr Beamte als in den vergangenen Jahren auf dem Gelände unterwegs. An den offenen Zufahrten haben Sicherheitskräfte Pflanztröge und Betonsperren zum Schutz gegen LKW-Anschläge aufgestellt.

Die Leute lassen sich den Gang über den Christkindlmarkt nicht nehmen.

Gisela Schneller, Verkäuferin

Gisela Schneller begrüßt die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen. Seit 41 Jahren bietet sie Schokofrüchte und andere süße Leckereien an. „Ich finde es gut, wenn die Überwachung ausgeweitet wird“, sagt sie. Die Münchner schreckt das ihrer Meinung nach nicht von einem Besuch ab. „Die Leute lassen sich den Gang über den Christkindlmarkt nicht nehmen. Passieren kann überall etwas“, sagt Schneller. Gerade in den letzten Jahren habe sie bemerkt, dass immer mehr junge Leute kommen, die das Innenstadt-Shopping mit einem geselligen Zusammensein verbinden.

Die Deutschen sind mit Abstand Weltmeister, was den Besuch von Weihnachtsmärkten angeht. Echte Fans gehen vier, fünf Mal auf die Märkte in ihrer Umgebung. Insgesamt sind es jährlich 270 Millionen Besuche in ganz Deutschland, laut einer internationalen Studie des Schnäppchenportals Deals.com. Auf dem zweiten Platz landen die Franzosen mit 78 Millionen Besuchen, die Briten belegen mit 24 Millionen den dritten Platz.

Weihnachtsstimmung in Bayern

Nicht nur auf dem Christkindlmarkt in der Isarmetropole, auch in Schwaben auf dem Kaufbeurer Weihnachtsmarkt sowie den Christkindlmärkten in Memmingen und Augsburg kommen Besucher am 27. November zum ersten Mal in diesem Winter in weihnachtliche Stimmung. Letzterer hat eine 500-jährige Tradition und lockt regelmäßig Besucher aus ganz Deutschland nach Augsburg. Zum Schutz der Gäste setzen die Verantwortlichen Fahrzeuge als mobile Sperren ein.

In Franken werden heute die Weihnachtsmärkte in Erlangen und Bayreuth offiziell eröffnet. Die Bayreuther Innenstadt erstrahlt durch Frankens längste Lichterkette mit rund 16.000 LED-Lämpchen. Als Sicherheitsbarrieren hat die Stadt Blumenkübel aufgestellt. Mehr als zwei Millionen Menschen besuchen jedes Jahr den weltberühmten Weihnachtsmarkt in Nürnberg, der 1628 erstmals schriftlich erwähnt wurde.

In Regensburg macht der Christkindlmarkt auf dem Neupfarrplatz den Anfang. Die meisten Christkindlmärkte zwischen Kempten, Passau und Aschaffenburg beginnen ebenfalls noch in dieser Woche.

Gedenkstätte an der Gedächtniskirche

Auch auf dem Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche öffnen heute wieder die Stände und Buden. Fast alle Schausteller seien auch in diesem Jahr wieder dabei, sagte der Verbandschef Michael Roden.

Die Weihnachtsmärkte gehören zu unserem Leben und unserer Kultur.

Thomas de Maizière, Bundesinnenminister

Am 19. Dezember 2016 war ein islamistischer Attentäter mit einem Lastwagen in den Markt gerast, hatte zwölf Menschen getötet und mehr als 70 verletzt. Zum Schutz vor ähnlichen Angriffen wurden Betonklötze rund um das Marktgelände aufgestellt. „Die Weihnachtsmärkte gehören zu unserem Leben und unserer Kultur“, sagte der geschäftsführende Innenminister Thomas de Maizière. Die Bundesbürger sollten „achtsam, aber nicht furchtsam“ sein. Am Jahrestag des Anschlags bleibt der Markt zum Gedenken an die Opfer geschlossen. Dann wird dort die offizielle Gedenkstätte – ein mit einer goldenen Metalllegierung gefüllter Riss im Boden – eröffnet.

Bei der Abwägung zwischen freudig-freundlicher Atmosphäre und Risikoabwehr vollführen Städte und Sicherheitsbehörden eine Gratwanderung. Denn Feste dürften „nicht zu Festungen“ werden, sagt Werner Hammerschmidt, Geschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Schausteller und Marktkaufleute der Welt.

So habe sich auf dem Münchener Oktoberfest beispielsweise gezeigt, dass Zäune und bewaffnete Sicherheitskräfte auf manche Familien durchaus beängstigend gewirkt hätten. Auf dem Christkindlmarkt hingegen fällt die Aufrüstung in Sachen Sicherheit den meisten Besuchern nicht direkt auf, wie auch dem Londoner Winsley. Er freut sich bereits auf den Abend. Dann schmecke ihm der Glühwein unter den festlich geschmückten und gold-gelb glitzernden Budendächern noch besser, glaubt er. Fehlt nur noch der Schnee.

Zurück in die Kindheit

Mit dem Markt „Waldweihnacht“ im oberbayerischen Halsbach hat Landwirt und Veranstalter Martin Winklbauer den Nerv der Zeit getroffen. Rund 80.000 Besucher strömen zur Vorweihnachtszeit in seinen Wald, um sich dort für ein paar Stunden in eine andere Welt zu versetzen. In diesem Jahr beginnt der winterliche Zauber am ersten Dezember. Der BAYERNKURIER hat den Markt 2016 mit der Kamera besucht:

Waldweihnacht in Halsbach: ein WintermärchenPlay Video
Waldweihnacht in Halsbach: ein Wintermärchen

dpa/AS