Gefahr durch Pommes? Ein Nebenprodukt des Frittierens ist Acrylamid. (Bild: Imago/onemorepicture)
Ernährung

Machen Pommes krank?

Ein neues EU-Gesetz soll Verbraucher vor gesundheitsschädlichem Acrylamid schützen, etwa bei der Pommes-Produktion. Der BAYERNKURIER hat mit dem Gaststättenverband gesprochen: Werden Pommes teurer und was bedeutet das Gesetz für Gastronomen?

Kaffee, Keks und Knäckebrot, Pommes, Chips und Flips: Das umstrittene Acrylamid findet sich in kleinen Mengen in Geröstetem, Gebackenem und Frittiertem – und somit auch bei fast allen Europäern auf dem Teller. Weil der Stoff unter Verdacht steht, Krebs zu erregen, will die Europäische Union ihn zurückdrängen. Die EU-Kommission hat nun endgültig neue Vorgaben für Backstuben, Frittenbuden und Restaurants sowie für Lebensmittelhersteller beschlossen.

In einer achtseitigen Verordnung mit 26 Seiten Anhang macht die Brüsseler Behörde professionellen Nahrungsmittelherstellern genaue Vorgaben für die Verarbeitung zum Beispiel von Kartoffeln oder Mehl. Denn es gibt kleine Stellschrauben, um die Entstehung von Acrylamid zu drosseln: weniger Zucker im Rohprodukt, möglichst wenig Hitze, möglichst geringe Bräunung. So will die Kommission unter anderem, dass Kartoffelsorten mit wenig Stärke verarbeitet werden, dass mit Einweichen oder Blanchieren die Stärke vor dem Frittieren ausgewaschen wird, dass mit möglichst niedrigen Temperaturen gegart und Fritten oder Brot nur so stark gebräunt werden wie eben nötig. Der BAYERNKURIER hat von Thomas Geppert, Geschäftsführer des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes, erfahren, was das neue EU-Gesetz für die Betriebe in Bayern bedeutet.

Müssen Verbraucher vor Acrylamid in der Gastronomie geschützt werden?

Geppert: Aufgrund des niedrigen Gefährdungspotentials – dazu zählt die Häufigkeit von Restaurantbesuchen und die Vielfalt an Beilagen neben Pommes – braucht es aus unserer Sicht keine gesetzliche Verordnungen zu Acrylamid. Für uns ist Verbraucher- und Gesundheitsschutz nicht teilbar. Wenn also nachgewiesen wird, dass Acrylamid wirklich schädlich ist und es tatsächlich darum geht, den Verbraucher zu schützen, dann sollte man sich eher fragen: Was ist mit den Privathaushalten? Da werden ebenso Kekse gebacken und Pommes frittiert.  Selbstverständlich steht das Gastgewerbe zu seiner Verbraucherschutzverantwortung, eine Aufklärungskampagne aller EU-Bürger über gesunde Ernährung wäre jedoch tausend Mal zielführender gewesen, als Profis Tipps zu geben, wie Kartoffeln richtig gewaschen und frittiert werden.

Was bedeuten die neuen Vorgaben für die Gastronomie?

Geppert: Es sind nur wenige unserer Mitglieder betroffen, weil für klein- und mittelständische Betriebe mit der Verordnung Richtwerte statt Pflichten gelten. Das neue Gesetz trifft vielmehr große, industrielle Unternehmen, die Pommes selber herstellen. Und das sind hauptsächlich Restaurants der Systemgastronomie wie McDonalds oder Burger King. Das Schlimme bei solchen Vorschriften seitens der EU ist sonst grundsätzlich, dass man das kleinteilige Handwerk kaputt macht. Laut einer Umfrage verbringen unsere Gastronomen dreizehn Stunden pro Woche mit Bürokratie. Da muss es für die Kleinen vielmehr Ausnahmen geben. Schließlich ist das Gefährdungspotential bei Kleinbetrieben auch deutlich geringer als bei industriellen Großbetrieben.

Welche Ausnahmen konnten Sie im Fall Acrylamid erwirken?

Geppert: Der ursprüngliche Entwurf sah bindende Höchstwerte für den Acrylamid-Gehalt und entsprechenden Strafen bei Grenzüberschreitungen vor. Auch eine verpflichtende „Pommes-Ampel“ sollte es geben, sprich eine Farbkarte, die den Bräunungsgrad der Pommes dokumentiert. Das konnten wir mithilfe des Bayerischen Wirtschaftsministeriums verhindern. Die Vorgaben sind jetzt abgeschwächt formuliert und Kleinbetriebe von aufwendigen Dokumentationspflichten verschont geblieben. Allerdings: auch wenn es nicht bindend ist, wird doch in der Praxis wieder ein Kontrolleur kommen und nachfragen, wo der Nachweis ist, beispielsweise über den Stärkegehalt der Kartoffeln. Also besteht die Gefahr, dass Gastronomen doch wieder dokumentieren müssen. Laut Kommission sollen noch Guidelines entwickelt werden. Da versuchen wir über unsere europäische Vertretung zu erreichen, dass es nicht so weit kommt und anschließend doch wieder Dokumentationspflichten für die Gastronomen anfallen.

Werden die Pommes jetzt teurer?

Geppert: Jede Dokumentations-, Kennzeichnungs- und Aufbewahrungspflicht bedeutet mehr Aufwand und somit mehr Kosten. Das könnte sich letztendlich auch auf den Preis der Produkte auswirken.

Wie gefährlich ist Acrylamid für den Menschen?

Wie Acrylamid in den in Lebensmitteln gefundenen Konzentrationen beim Menschen wirkt, ist wissenschaftlich noch nicht vollständig geklärt. Aufgrund von Tierversuchen wird Acrylamid jedoch als möglicherweise krebserregend und erbgutschädigend angesehen. Ein wissenschaftlich begründeter Schwellenwert für diese Wirkungen kann derzeit noch nicht abgeleitet werden. Empirisch belegte Erkenntnisse, dass häufiger Verzehr beispielsweise von Pommes oder Chips in Zusammenhang mit einer größeren Krebswahrscheinlichkeit stehen könnte, gibt es nicht. Risikoabschätzungen unter anderem der Weltgesundheitsorganisation lassen jedoch den Schluss zu, dass der Verzehr von Lebensmitteln mit Acrylamid -Belastungen zum allgemeinen Krebsrisiko beiträgt. Acrylamid wird nur bei hohen Temperaturen gebildet. Daher sind alle unerhitzten Lebensmittel und solche, die gekocht werden, nach heutigem Kenntnisstand nahezu frei von Acrylamid. In gebratenem oder gegrilltem Fleisch und Fisch wurde bisher kein bzw. nur sehr wenig Acrylamid nachgewiesen.