Der Mann im Hintergrund: Olaf Scholz (l.) und SPD-Chef Martin Schulz. (Foto: Imago/Zuma/Emmanuele Contini)
SPD

Scholz gegen Schulz

In der Debatte über die Zukunft der SPD meldet sich Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz auf seiner Webseite mit scharfen internen Mahnungen zu Wort. In dem Papier geht der stellvertretende SPD-Chef hart mit seiner Partei ins Gericht.

In dem Papier namens: „Keine Ausflüchte! Neue Zukunftsfragen beantworten“ Klare Grundsätze!“ geht Scholz hart mit seiner Partei ins Gericht und fordert eine „schonungslose Betrachtung der Lage“.

Keine Ausflüchte mehr

Scholz verlangt, bei der Analyse des historisch schwachen Bundestagswahlergebnisses von nur 20,5 Prozent auf intern immer wieder bemühte „Ausflüchte“ zu verzichten, die er dann der Reihe nach seziert. Weder fehlende Mobilisierung der eigenen Anhänger noch ein fehlender Fokus auf soziale Gerechtigkeit verbunden mit den Verlusten durch die Agenda 2010 tauge zur Erklärung. Schließlich habe der SPD-Wahlkampf „ganz im Zeichen der sozialen Gerechtigkeit“ gestanden und „vorbildlich mobilisiert“. Die Stärke der SPD in den Ländern habe lange „einen klaren Blick vernebelt“. Eine fehlende Machtoption für die SPD lässt Scholz ebenfalls nicht gelten, die habe sich bei Amtsantritt von Martin Schulz noch gezeigt – damit meint Scholz wohl Rot-Rot-Grün. Die Umfrageergebnisse damals würden auch die Ausflucht „Konkurrenz durch Grüne und Linke“ unmöglich machen, da sie einen SPD-Kanzler ermöglicht hätten.

Es ist Zeit für eine schonungslose Betrachtung der Lage.

Olaf Scholz, Hamburgs Bürgermeister

Grundsatzprobleme der SPD

Die Probleme der Partei seien „grundsätzlicher“, so der Hamburger Regierungschef. Seine dann folgenden Ausführungen sind langatmig und die üblichen sozialdemokratischen Theorien über die Schere von arm und reich, mehr Staat und angeblich fehlende Chancengleichheit. Interessant sind nur ein paar Stellen.

  • Schulz hatte zuletzt „Mut zur Kapitalismuskritik“ und einen Linkskurs gefordert, dagegen plädiert Scholz für einen pragmatischen Kurs, der wirtschaftliches Wachstum, technischen Fortschritt und soziale Gerechtigkeit verbinden solle. Auch in Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung werde eine florierende Wirtschaft „eine zentrale Voraussetzung sein, um eine fortschrittliche Agenda zu verfolgen“, schreibt Scholz.
  • Der Hamburger Regierungschef fordert, dass die SPD Volkspartei bleiben müsse, sieht hier also demnach größere Defizite. Sonst werde sie „nur (noch) die erreichen, die mit ihr fast vollständig übereinstimmen“, präzisiert er das Problem einer Politik nur noch für die linke Seite. Es folgt ein Appell, Ideen auf ihren Realitätsgehalt hin zu überprüfen. „Die SPD muss für mutige Reformen stehen, die vernünftig sind und an deren Umsetzung man glauben kann.“ Dazu brauche es klare Grundsätze. Und es folgt eine weitere Ermahnung: „Man darf nur versprechen, was man halten kann und muss halten, was man versprochen hat.“ Das alles müsse schon in die Wahlprogramme einfließen.
  • Zudem werde die SPD seit längerem als „zu taktisch“ wahrgenommen, findet er. Dabei müsse sie aus Sicht der Bürger „im höchsten Maße kompetent“, dazu „pragmatisch“ und „konkret“ sein – auch hier sieht er demnach offenbar Defizite.
  • Scholz will nicht weniger, als die „Zukunft der sozialen Demokratie neu zu beschreiben“. Die SPD sieht er als „weltoffene, europafreundliche, fortschrittliche, liberale und soziale Partei“.

Der Gegenspieler

Der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz gilt vielen Beobachtern als potenzieller Gegenspieler des angeschlagenen SPD-Parteichefs Martin Schulz. Während weite Teile der Basis offenbar zu Schulz stehen, gab es an der Parteispitze und in der SPD-Bundestagsfraktion zuletzt breite Irritation über dessen zahlreiche Versprechen, Personalentscheidungen, Kommunikation und Management. Schulz-Kritiker sehen Scholz als Alternative zum SPD-Chef, weshalb sein Papier intern für Aufsehen sorgen dürfte. Andere mutmaßen, der Hamburger wolle für den Fall des Scheiterns der Jamaika-Verhandlungen von Union, FDP und Grünen doch noch eine Große Koalition ermöglichen, die der derzeitige Parteichef ausschließt.

Still gehalten hat Scholz schon einen Tag nach der Wahl nicht mehr: Da forderte er bereits im Spiegel eine strategische Neuausrichtung und Erneuerung seiner Partei. Die SPD müsse die Zeit in der Opposition für eine Erneuerung nutzen. „Angesichts der Wahlergebnisse dürfen wir uns keine Fehler mehr erlauben, wenn wir bei der Bundestagswahl 2021 wieder konkurrenzfähig sein wollen“, sagte Scholz damals. „Anfang des Jahres lagen wir bei 30 Prozent, das muss unser Anspruch sein.“