"Scherbenhaufen": Außenminister Sigmar Gabriel (r., SPD) macht Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) unberechtigte Vorwürfe. (Bild: Imago/Photothek/Thomas Trutschel)
Sigmar Gabriel

Nichts verstanden, nichts gelernt

Kommentar Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) wirft dem scheidenden Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vor, Europa mit seiner Sparpolitik in einen "Scherbenhaufen" verwandelt und Europa gegen Deutschland aufgebracht zu haben. Gabriel irrt, wie so oft.

Im Fußball würde man sagen, er hat nachgetreten. Mit heftigen Angriffen hat der kommissarische Außenminister Sigmar Gabriel seinen Kabinettskollegen Wolfgang Schäuble verabschiedet. Einen „Scherbenhaufen“ habe der als Finanzminister hinterlassen, behauptet Gabriel. Europa müsse „jetzt von anderen wieder mühsam zusammengesetzt werden“. In den Zeitungen des RedaktionsNetzwerk Deutschland schimpft er: „In Europa ist es Schäuble gelungen, nahezu alle EU-Mitgliedsstaaten gegen Deutschland aufzubringen.“ Deutschland gelte nun als „Oberlehrer“, der immer wieder Vorschriften zum Sparen machen wolle. Durch seine „Starrsinnigkeit und seine finanzpolitische Orthodoxie“ habe er auch im Internationalen Währungsfonds IWF für erheblichen Zündstoff gesorgt. Dabei habe es in Wahrheit nicht einmal Deutschland geschafft, seine Reformen ohne neue Schulden zu machen. „Schäuble verlangt von anderen trotzdem das Gegenteil“, kritisiert Gabriel.

Der ehemalige SPD-Chef ist ja schon bekannt für seine völlige Verdrehung der Tatsachen, aber was er jetzt behauptet, zählt sicher zum Dreistesten, was er je von sich gab.

Wer hat’s erfunden?

Zuerst verdreht Gabriel Problem und Lösung. Ursache der Finanz- und Bankenkrise, dem „Scherbenhaufen“, war nicht Deutschland oder dessen CDU-Finanzminister. Es waren gierige Banker und reformfaule Schuldenmacher-Staaten wie Griechenland oder Italien. Es gibt aber noch einen dritten Schuldigen: Denn man sollte nicht vergessen, dass es besonders die SPD-geführte Bundesregierung und deren Finanzminister Hans Eichel waren, die 2001 dumm genug waren, Griechenland in die Euro-Zone aufzunehmen – trotz unzähliger Warnungen und der europaweit bekannten griechischen Flexibilität, wirtschaftliche Daten zu schönen. So hatte Eichels Vorgänger Theo Waigel (CSU) immer wieder griechischen Euro-Avancen deutlich und undiplomatisch widersprochen: „Ihr seid nicht beitrittsreif!“ Warnungen und Fakten missachten, das ist Markenzeichen von Rot-Grün gewesen, die auch noch die Türkei zum EU-Beitrittskandidaten machten. Um es klar und deutlich zu sagen: Dass deutsche Steuerzahler mit Milliarden Euro für die Griechen haften könnten, das ist zu einem Großteil die Schuld der SPD-Regierung Schröder.

Ohne Druck keine Reformen

Zweitens wären ohne den Druck von Wolfgang Schäuble immer noch keine Reformen in Griechenland, Italien, Portugal, Spanien, Irland und Frankreich in Angriff genommen worden. Schäuble hat mitgeholfen, den „Scherbenhaufen“ zu beseitigen, auch wenn hier immer noch genug zu tun ist. Dass er dabei als „Oberlehrer“ empfunden wird, ist eine Auszeichnung für den CDU-Politiker.

Die Kredite

Drittens: Gabriel tut so, als ob Griechenland oder Italien keine Kredite (also neue Schulden) bekommen hätten und deshalb keine Reformen durchführen konnten. Tatsache jedoch ist, dass die zahlreichen Rettungspakete, Schuldenstreichungen und -Stundungen für Griechenland nichts anderes waren als neue Kredite. Und dennoch brauchte das Land Monate, bevor es auch nur ansatzweise Reformen anging, insbesondere durch Kürzung der höchst spendablen Pensionen und des extrem aufgeblähten Beamtenapparates sowie durch striktes Eintreiben der Steuern. Italien dagegen wurden von seinem Landsmann, EZB-Präsident Mario Draghi, durch die Milliardenschweren Anleihenkäufe und die Nullzinspolitik neue Kredite verschafft.

Außer Kontrolle

Viertens: Der IWF, der sich an der Griechenland-Rettung beteiligte, war nicht wegen Schäuble beunruhigt. Maxime von Schäuble war und ist: Strukturreformen, begleitet von wachstumsfördernden Investitionen, dazu Schuldenabbau. Die frühere IWF-Forderung nach einem Schuldenschnitt für Athen konterte Schäuble mit dem richtigen Argument: „Wenn sich in Griechenland nicht grundlegend etwas ändert, reden wir in drei Jahren über den nächsten Erlass.“ Der IWF ist in seinem jüngsten „Weltwirtschaftsausblick“ nun auf Schäubles Kurs umgeschwenkt. Dort hat der IWF deutlich gemacht, dass man die Verschuldung in der Eurozone niemals mehr so außer Kontrolle geraten lassen darf wie in Griechenland oder Italien.

Schluss mit lustig

Fünftens: Es war keineswegs nur Deutschland, dass diese Reformen verlangte, sondern alle Zahlerländer Europas, die genug vom laxen südeuropäischen „Laissez faire“ hatten, darunter etwa Großbritannien oder die Niederlande.

Erinnert das an etwas Bekanntes? Ja! Schon beim deutschen Länderfinanzausgleich haben die SPD-geführten Länder immer mehr Schulden gemacht und fanden das auch noch gut, „arm aber sexy“. Dabei ist steigende Verschuldung nichts anderes als Politik auf dem Rücken der kommenden Generationen. Wer das nicht versteht, ist für ein politisches Amt ungeeignet.