Der Familiennachzug wird die Flüchtlingszahlen noch deutlich erhöhen. (Bild: Imago/Ralph Peters)
Asyl

Familiennachzug bleibt unklar

Das Bundesinnenministerium sieht sich nicht in der Lage, den absehbaren Familiennachzug von syrischen und irakischen Flüchtlingen zu beziffern. Damit ist offen, welche Dimension dies haben könnte. Skeptiker gehen seit langem von starkem Nachzug aus.

„Wissenschaftlich belegbare Zahlen, wie viele Familienangehörige der Kernfamilie im Schnitt zu einem in Deutschland anerkannten international Schutzberechtigten nachziehen, gibt es nicht“, erklärte das Innenministerium auf eine schriftliche Frage der Linken-Abgeordneten Ulla Jelpke. Die Antwort liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Visa taugen nicht zur Berechnung

In der Antwort des Innenressorts heißt es weiter, Nachzugsfaktoren könnten nicht mit der Zahl der erteilten Visa zum Familiennachzug begründet werden. Die Zahl solcher Visa sei auch nur aussagekräftig mit Blick auf jene, die von ihrem Zuzugsrecht tatsächlich Gebrauch machten. Auf die Frage nach der Zahl der Familienangehörigen, die ab März 2018 wieder zu subsidiär Geschützten nachkommen könnten, antwortete das Ministerium nicht.

Bisher niedrige Schätzungen

Das Auswärtige Amt hatte erst vor einigen Tagen auf dpa-Anfrage erklärt, derzeit bemühten sich rund 70.000 Syrer und Iraker um einen Familiennachzug zu Verwandten in Deutschland. Von Anfang 2015 bis Mitte 2017 hatte das Amt rund 102.000 Visa zum Familiennachzug für Syrer und Iraker erteilt. Nach Schätzung des Ministeriums könnten bis 2018 etwa 100.000 bis 200.000 weitere hinzukommen – inklusive der Angehörigen von subsidiär Geschützten, die nach derzeitiger Rechtslage ab März 2018 wieder Familiennachzug beantragen könnten.

Am Donnerstag hatte auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) – die Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit – eine Studie in Kooperation mit der obersten Migrationsbehörde BAMF vorgelegt und Prognosen angestellt. Kalkuliert wird hier, zu den 2015 und 2016 nach Deutschland eingereisten Flüchtlingen könnten 100.000 bis 120.000 Ehepartner und Kinder nachziehen. Das IAB bezifferte das Nachzugspotenzial bei der größten Gruppe der Syrer auf etwa 0,4. An diesen niedrigen Schätzungen gab es immer starke Zweifel, da im arabischen Raum die Großfamilie keine Seltenheit ist.

Nachzug begrenzen

Asylsuchende, die in Deutschland Schutz bekommen, dürfen Ehepartner und minderjährige Kinder zum Teil nachholen. Andersherum dürfen auch anerkannte minderjährige Flüchtlinge ihre Eltern hinterherholen. Für eine bestimmte Gruppe mit eingeschränktem Schutzstatus, subsidiär Geschützte, hatte die große Koalition den Familiennachzug im März 2016 beschränkt und bis März 2018 für zwei Jahre ausgesetzt. Die Union will bei dieser Gruppe auch über diesen Termin hinaus verbieten, dass enge Familienangehörige nach Deutschland nachziehen. Die Grünen – mit der FDP möglicher Partner der Union in einer Jamaika-Koalition – wollen den Familiennachzug für diese Gruppe dagegen wieder erlauben.

Jelpke hat angesichts dieser Zahlen des Ministeriums kein Verständnis dafür, dass sich das Innenressort nicht zu einer Auskunft imstande sieht, denkt aber das Gegenteil von den Thesen der Skeptiker: „Wahrscheinlicher ist, dass sie hierzu keine Auskunft geben möchten: Es würde sich nämlich herausstellen, dass die Zahl der Betroffenen gar nicht so groß ist, wie vielfach angenommen wird.“ Eine zumindest gewagte Behauptung. (dpa)