Das Startup Bocusini hat Deutschlands ersten Lebensmitteldrucker entwickelt. (Bild: Bocusini)
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Mut macht Macher

Mehr Europa, mehr Vielfalt und mehr Kooperation. Was bewegt Deutschlands Gründerszene und wie kann die Politik Firmen unterstützen? Antworten gibt der aktuelle Startup Monitor. Deutlich wird auch: München hat für Gründer eine besondere Bedeutung.

Familiär und überschaubar, mit vielen etablierten Unternehmen – so beschreibt Daniel Krauss, Mitgründer von Flixbus, Münchens Gründerszene. „Über viele persönliche Kontakte haben wir uns ein loyales und extrem begeisterungsfähiges Team aufgebaut, das unsere Ideen mitträgt. In unserem Beispiel mussten wir erst familiengeführte Busbetriebe von unserem expansiven Ansatz und dem Thema Technologie und E-Commerce überzeugen – so entstand dann ein Mobilitätsunternehmen 2.0.“, sagt Krauss. Mit der Gründung von Flixbus 2013 in München hat der Jungunternehmer eine der großen Erfolgsgeschichten in der Gründerszene geschrieben. 250 regionale Buspartner – häufig Familienunternehmen in dritter Generation – verantworten den täglichen Linienbetrieb und die grüne Flixbus-Flotte. Und das Netz wächst stetig.

Mit dieser Strategie ist Krauss in der Gründerszene nicht allein. Knapp 83 Prozent der Startups in Deutschland wollen weiter internationalisieren – so viele wie noch nie. Das zeigt der aktuelle Deutsche Startup-Monitor (DSM). Beliebtestes Ziel sind dabei mit 34,4 Prozent die anderen EU-Länder. Hinter den 1.837 befragten Unternehmen stehen dem Bundesverband Deutsche Startups zufolge 4.245 Gründerinnen und Gründer sowie 19.913 Mitarbeiter. Damit zählt der Monitor zu den repräsentativsten Studien zu Startups in Deutschland.

Berlin bleibt laut DSM das Zentrum der deutschen Startup-Szene. Bayern liegt als Gründungshotspot auf dem dritten Platz. Dort haben 13,4 Prozent aller Startups ihren Hauptsitz, sechs Prozent von ihnen in München. Nur in Nordrhein-Westfalen (14,4 Prozent) und Berlin (16,8 Prozent) siedeln sich mehr junge Unternehmen an.

Mehr Kooperationen unter Startups

Das Netzwerken fällt angehenden Gründern laut Studie in München am einfachsten. Im Vergleich der Gründungs-Hotspots hat München (81 Prozent) Berlin (74 Prozent) bei den meisten Teamgründungen abgelöst. Drei von vier Startups werden im Team gegründet. Und auch nach der Gründung nimmt die Bedeutung von Netzwerken innerhalb der Szene zu. Zwei Drittel der Startups kooperieren mit anderen Startups. Im Vorjahr waren es nur 53,4 Prozent. Kooperationen mit etablierten Unternehmen gehen nur die Hälfte der DSM-Startups ein, während es 2016 noch 70 Prozent waren.

TU München an der Spitze

Die digitale Wirtschaft bleibt das wichtigste Gründungsumfeld für die Startups. Gut die Hälfte von ihnen ist in den Bereichen IT/Softwareentwicklung, Software as a Service, Industrielle Technologie, E-Commerce sowie Online-Marktplatz aktiv. So gaben auch zwei Drittel der Gründer an, ihr Geschäftsmodell sei von der Digitalisierung stark abhängig. Vom Trend zur Digitalisierung der Wirtschaft allgemein profitieren nach eigener Wahrnehmung acht von zehn Startups.

Der Großteil der Gründer, 81 Prozent, hat einen Hochschulabschluss. Die meisten von ihnen in den Wirtschaftswissenschaften und MINT-Fächern. Die Technische Universität München steht dabei mit einem Anteil von 3,2 Prozent der Gründer im DSM 2017 an der Spitze, die Universität München folgt auf dem vierten Platz der zehn meistbesuchtesten Gründerhochschulen.

Dabei ist Gründen in Deutschland noch vor allem Männersache. Der Frauenanteil unter den Startup-Gründern steigt zwar das dritte Mal in Folge – liegt aber immer noch bei nur 14,6 Prozent. In den USA lag der Anteil 2015 laut einer Studie immerhin bei 17 Prozent. Das Durchschnittsalter ist um ein Jahr im Vergleich zum Vorjahr auf 35,3 Jahre gesunken. Der höchste Anteil von Gründern mit ausländischer Staatsangehörigkeit ist in München ansässig. Knapp zehn Prozent von ihnen kommen aus dem EU-Ausland, weitere knapp sechs Prozent aus dem Nicht-EU-Ausland. Berliner Startups haben allerdings die internationalste Belegschaft. Fast jeder zweite kommt aus dem Ausland. Auch in München ist der Anteil mit 44 Prozent hoch.

Zuwanderung als Bereicherung

Die Studie zeigt, dass zwei von drei Gründern die Zuwanderung von Menschen aus dem Ausland als Bereicherung für das deutsche Startup-Ökosystem sehen. Gleichzeitig hat aber ein Drittel der Startups Schwierigkeiten bei der Neueinstellung ausländischer Mitarbeiter, insbesondere aufgrund von bürokratischen Hürden. In Hinblick auf die gerade stattfindende Regierungsbildung fordert der Startup-Verband ein Einwanderungsgesetz, das qualifizierte Zuwanderung regelt. „Eine Willkommenskultur, die den Fachkräften den Einstieg in das neue Leben erleichtert und ein bedarfsorientiertes Einwanderungsgesetz sind für den Standort Deutschland unerlässlich“, sagt Florian Nöll, Vorsitzender des Startup-Verbandes. Ein weiteres Problem bei der Neueinstellung sieht die Hälfte der Gründer bei sprachlichen Barrieren. Kulturelle Differenzen betrachten nur 15 Prozent der Startup-Gründer als Hürde.

Wichtigste Finanzierungsquelle bleiben die eigenen Ersparnisse der Gründer, aber auch der Staat. Jedes dritte Startup finanziert sich durch staatliche Fördermittel. In München ist der Anteil derjenigen, die ihr Startup selbst finanzieren, am höchsten. Ein Viertel von ihnen steckt ausschließlich eigenes Geld ins Unternehmen.

Mut zu neuen Anfängen

Jedes vierte Startup befindet sich in der „Growth Stage“, das heißt, es hat ein marktreifes Angebot und ein starkes Umsatz- und/oder Nutzerwachstum. Beinahe jedes zweite Startup stellt aktuell ein marktreifes Angebot fertig oder realisiert erste Umsätze. Dabei ist die Skalierbarkeit von Geschäftsmodellen für viele Startups und deren Investoren ein wichtiges Erfolgskriterium. Doch erst acht Prozent der Startups verfügen derzeit nach eigenen Angaben über sehr strukturierte Geschäftsprozesse. „Hier gibt es also noch jede Menge zu tun“, sagt Tim Dümichen, Mitinitiator der Studie.

Handlungsbedarf gibt es auch in der Politik. Noch immer fällt das Startup-Verständnis der Politik im Allgemeinen bei der Hälfte aller Gründer mit „Mangelhaft“ oder „Ungenügend“ durch. Bei den Parteipräferenzen liegt die FDP mit 39,4 Prozent der Stimmen vor der CDU/CSU, die auf 22 Prozent kommt.

Was Startup-Gründer übrigens freuen dürfte: Sie sind laut Studie zufriedener als Arbeitnehmer. 14 Prozent von ihnen vergaben auf einer Skala von null bis zehn sogar den Höchstwert, der Durchschnitt liegt bei einer Bewertung von 7,8. Mit ihrer Position relativ zum Wettbewerb sind knapp 60 Prozent aller Startupgründer zufrieden. Zwei von drei Gründern würden trotz Scheiterns wieder ein Startup gründen.

Der Deutsche Startup Monitor

Seit 2013 führen der Bundesverband Deutsche Startups (Startup-Verband) und das Beratungsunternehmen KPMG gemeinsam mit Partnern aus dem akademischen Bereich die jährliche Umfrage zur Vermessung und Entwicklung der deutschen Gründerszene durch. Ziel des DSM ist es, Transparenz für das deutsche Startup-Ökosystem zu schaffen und auf Basis der Daten Impulse für die Zukunft zu geben. Im Rahmen der Studie gelten solche Unternehmen als Startups, deren Gründung nicht länger als zehn Jahre zurückliegt. An der Datenerhebung für den fünften DSM waren 298 Netzwerkpartner beteiligt, welche den Link zur Umfrage gestreut und so Gründerinnen und Gründer aus ganz Deutschland zur Teilnahme aufgerufen haben. Wie bei Branchenumfragen üblich erfolgt die Stichprobe aber nicht nach Kriterien der Repräsentativität.