Werben um Protestwähler: Sahra Wagenknecht (Linkspartei), Alexander Gauland (AfD). (Foto: Imago/Müller-Stauffenberg)
Parteien

Die Ränder fransen aus

Kommentar Je enger die Parteien der Mitte zusammenrücken, desto mehr erstarken laut Umfragen die politischen Ränder. Um dem entgegenzuwirken, müssen die Volksparteien wieder klare Positionen aufzeigen, damit sie ihre Stammklientel zurückgewinnen können.

Das Echo nach dem sogenannten TV-Kanzlerduell war einhellig: Frei von Spannung und Konflikt, viel zu harmonisch sei es zugegangen – so der Tenor der Kommentare. Merkel und Schulz stünden scheinbar kurz vor der Fusion ihrer Parteien. Tatsächlich wurde hinterher mehr über die Art der Fragestellung und Themensetzung von Seiten der vier Interviewer diskutiert, als über die beiden Kontrahenten um das mächtigste Amt im Staate.

Eine der Folgen der fehlenden Auseinandersetzung lässt sich an den Umfragen ablesen: Sie zeigen ein Anwachsen der populistischen Parteien von rechts und links. Die AfD kommt nach den letzten Umfragen aller sieben Institute auf Werte zwischen acht und zwölf Prozent und könnte möglicherweise die drittgrößte Fraktion stellen – was ihr im Fall einer erneuten großen Koalition beispielsweise das Recht einräumen würde, Debatten zu eröffnen und direkt auf die Kanzlerin zu antworten. Die Linkspartei wiederum kommt auf Werte zwischen neun und elf Prozent. Macht in der Summe rund 20 Prozent für die Populisten von rechts und links.

Es muss sich dringend etwas ändern

Ist mit bundesweit rund 20 Prozent für die Rechts- und Linkspopulisten bereits die kritische Masse erreicht, die die Demokratie gefährden – analog zur Weimarer Republik in den 1930er Jahren? Nein, denn die Bundesrepublik wird nach wie vor von einem breiten demokratischen Konsens getragen, und das Grundgesetz hat Abwehrmechanismen, die der Weimarer Verfassung fehlten.

Dennoch muss dringend etwas geschehen. Unter anderem müssen die Stabilitätsanker des bundesdeutschen Parteiensystems, die Volksparteien, wieder erstarken und Profil gewinnen. Sie müssen die jeweilige Stammklientel bis an den Rand des demokratischen Spektrums wieder integrieren, indem sie unverwechselbare Positionen vertreten. In Zeiten der Großen Koalition können immer mehr Menschen die unterschiedlichen Standpunkte offenbar nicht mehr erkennen.

Auch Volksparteien müssen Klartext reden

Wie man klar gegen die Populisten von links und rechts Stellung bezieht, zeigte CSU-Spitzenkandidat Joachim Herrmann in der TV-Runde der fünf „kleineren Parteien“: Schlagfertig und pointiert vertrat Bayerns Innenminister bürgerlich-konservative Positionen. Die CSU hat offensichtlich trotz der vielen Jahre in Regierungsverantwortung nicht verlernt, Klartext zu reden und auch harte Auseinandersetzungen mit dem politischen Gegner zu führen. Erfolg: Ein stabiles Wählerpotenzial um die 50 Prozent, laut jüngster Umfragen 47 bis 48 Prozent mit Blick auf die Bundestagswahl.

Für die CDU heißt das, sie muss ihr Profil im Sinne konservativer Werte wieder schärfen. Drei Hauptpunkte: Erstens eine strikte Begrenzung der Einwanderung nach Deutschland – wie es die CSU seit langem fordert. Zudem sollte die CDU wieder klar und offensiv für die Soziale Marktwirtschaft werben und entsprechende Maßnahmen treffen: Dazu gehören die entschlossene Entlastung der fleißigen Mittelschicht durch eine Abflachung der Einkommensteuer-Progression und die dringend überfällige Absetzbarkeit von Forschungsausgaben für mittelständische Firmen.

Klares Handeln macht Protestparteien überflüssig

Drittens muss die CDU entschlossen dafür eintreten, die Innere Sicherheit Deutschlands nach bayerischem Vorbild weiter zu stärken – durch eine Verbesserung der Möglichkeiten von Polizei und Justiz. Beispielsweise nützt gute Polizeiarbeit wenig, wenn Übeltäter nach Feststellung der Personalien nach Hause geschickt werden müssen und Anklage und Prozess monatelang auf sich warten lassen.

Das wichtigste aber ist, jedem Wähler klarzumachen, dass jede Stimme für die AfD eine verlorene Stimme im Sinne vernünftigen konservativen Regierungshandelns ist. Rechte Proteststimmen machen nichts besser, sondern schwächen die wahren Konservativen gegenüber den Linken. Die CSU macht es mit überzeugenden Konzepten und starkem Regierungshandeln vor: In Bayern ist die AfD mit sechs bis acht Prozent deutlich schwächer als im Bundesdurchschnitt, und die Linke ist mit drei Prozent nahezu bedeutungslos.