Treffen sich am Sonntag von Angesicht zu Angesicht beim TV-Duell: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihr Herausforderer Martin Schulz (SPD). (Foto: Imago/Hermann J. Knippertz)
TV-Fernduell

Zeichen der Verzweiflung

Eine Woche vor dem großen Fernsehduell offenbart SPD-Kandidat Schulz seine Nervosität und attackiert Merkel persönlich – obwohl er stets das Gegenteil versprochen hatte. Die Kanzlerin ihrerseits reagiert äußerst souverän und ignoriert die Anwürfe.

Schulz warf der Kanzlerin im ARD-Sommerinterview vor, sie sei „abgehoben“ und „entrückt“. Die Wahlkampfführung der CDU befasse sich nicht mit den aktuellen Themen, sondern begnüge sich mit der Aussage „Wir haben Angela Merkel, das reicht für die Zukunft“. Dagegen habe seine SPD ein sehr differenziertes Programm vorgelegt.

Schulz verwies auf die letzten vier Jahre der Kanzlerschaft Helmut Kohls: „Die Jahre der Stagnation und der politischen Agonie. Das möchte ich Deutschland ersparen“, behauptete Schulz. Freilich war damals die Lage völlig anders als heute: Der damalige SPD-Chef Lafontaine verhinderte mit seiner Obstruktions-Taktik im Bundesrat bewusst jegliche Reform – zum Schaden Deutschlands.

Merkel bleibt gelassen

Außerdem behauptete Schulz, die Bundeskanzlerin nutze zum „Spottpreis“ die Flugbereitschaft von Bundespolizei und Bundeswehr für ihren Weg zu Wahlkampfauftritten, die CDU bezahle nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten. Dies allerdings verwies Regierungssprecher Seibert umgehend ins Reich der Fabeln: Merkel nutze Hubschrauber und Flugzeuge der Bundespolizei und des Verteidigungsministeriums entsprechend den Richtlinien, die es für diese Nutzung gebe. Insofern nutze sie die Flugzeuge genauso wie andere Kanzler vor ihr, weil sie – auch im Wahlkampf, auch im Urlaub, auch am Wochenende – als Kanzlerin immer im Dienst sei, betonte Seibert.

Merkel selbst reagierte eine halbe Stunde später, im ZDF-Sommerinterview, ausgesprochen gelassen. Sie konzentrierte sich auf die Sachfragen und behandelte jedes Thema wie immer: nüchtern und ausführlich. Unter anderem stellte sie klar, den Verbrennungsmotor werde es noch viele Jahrzehnte geben. Angesprochen auf Schulz‘ Attacken erinnerte Merkel lediglich an ihren Amtseid, dem Wohl des deutschen Volkes zu dienen. Dem wolle sie nachkommen. Sie übe ihr Amt gerne aus, und es verstehe sich von selbst, dass sie vor den Wahlen im Wettbewerb stehe. Im Übrigen freue sie sich auf das TV-Duell am kommenden Sonntag, versicherte Merkel – allerdings ohne den Namen des Herausforderers in den Mund zu nehmen.

Schulz treibt die schiere Verzweiflung

Was treibt Schulz zu diesen persönlichen Attacken? Nun, nach vorübergehendem Medienhype und demoskopischen Höhenflug ist die SPD massiv abgestürzt und scheint in ihrem altbekannten 23-Prozent-Ghetto eingemauert, während die Union auf 38 bis 40 Prozent hoffen kann: Eine Lage wie bereits unter dem gescheiterten SPD-Chef Gabriel. Die Aussicht aufs Kanzleramt verschwimmt für die Sozialdemokraten im Nebel der Erfolglosigkeit.

Allerdings sind solche Verzweiflungs-Attacken nicht besonders erfolgversprechend: Schon frühere SPD-Kandidaten hatten Merkel persönlich attackiert – etwa der scheidende Kanzler Schröder in der Elefantenrunde 2005, später dann beispielsweise Peer Steinbrück im Wahlkampf 2013. Und stets fielen die Angriffe auf die Urheber selbst zurück – denn speziell das deutsche Publikum goutiert keine Schlammschlachten. So nennt Spiegel-Online die Attacken „kontraproduktiv“, die FAZ diagnostiziert „Verzweiflung“ bei Schulz und der SPD. Allerdings ist die Wahl noch nicht gelaufen, da sind sich die Beobachter einig: Beinah die Hälfte der Wahlberechtigten ist noch nicht entschieden, wem sie ihre Stimme geben. Diese Menschen zu mobilisieren dürfte zum Geheimnis des Erfolges werden.