Das liebste Kind linker Steuerpolitik: Die Vermögensteuer. (Bild: Imago/Imagebroker)
SPD

Die Zombie-Steuer

Versucht das SPD-geführte Wirtschaftsministerium ein ifo-Gutachten bis nach der Wahl unter Verschluss zu halten, das die von SPD, Grünen und Linkspartei immer wieder geforderte Vermögensteuer als totalen Flop darstellt? Medienberichte legen das nahe.

Die Wirtschaftswoche berichtete zuerst, dass das Ministerium eine brisante Studie des Münchner ifo Instituts zur Wiedereinführung der Vermögensteuer nicht vor der Bundestagswahl veröffentlichen will – obwohl das eigentlich schon für Juli vorgesehen war. Rund 74.000 Euro soll dafür gezahlt worden sein. Nach diesem unbestätigten Bericht kommen die Wissenschaftler zu einem vernichtenden Ergebnis der Folgen dieser Steuer: Einbruch von Wachstum und Beschäftigung sowie weniger Steuereinnahmen im zweistelligen Milliardenbereich.

Die Rechnung geht nicht auf

Das ifo Institut analysiert verschiedene Szenarien, das berichten auch FAZ und Focus. Alle führten dazu, dass die Vermögensteuer das Wirtschaftswachstum bremse. Das wiederum führe zu Einbußen bei Unternehmen-, Einkommen- und Mehrwertsteuer um 30 Milliarden Euro – bei nur 18 Milliarden Euro Einnahmen aus der Steuer. Unter dem Strich seien die Verluste auf zehn Jahre hochgerechnet „katastrophal“, schreibt die FAZ. In einem Szenario, das von 1,0 Prozent Vermögensteuer für Privathaushalte und 0,4 Prozent für Unternehmen ausging, rechneten die ifo Experten mit einem enormen Minus für das Wirtschaftswachstum von 4,5 Prozent und für die Beschäftigtenzahl von 1,8 Prozent.

Laut der Zeitung hat die erste Version des Gutachtens dem SPD-geführten Ministerium offenbar nicht gefallen und ifo habe „nachbessern“ müssen. Öffentlich werde es jetzt erst nach einem „internen Workshop“ im September. Das ist angesichts der Eile der Ausschreibung dieser Studie unmittelbar vor dem Wahlkampf zumindest seltsam.

Endfassung liegt nicht vor

Fakt ist: Im März gab Wirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) bekannt, dass ihr Ministerium die Einführung einer Vermögensteuer angesichts „gestiegener Ungleichheit von Vermögen“ und eines „überproportionalen Vermögenszuwachses am oberen Ende“ prüfen wolle. Dazu vergab es einen Forschungsauftrag. Es ging auch um Nebenwirkungen, wie mögliche Mehrfachbelastungen von Betriebsvermögen, Ausweichreaktionen von Steuerpflichtigen ins Ausland oder mögliche Verletzungen des Gleichheitsgrundsatzes. Denn das Bundesverfassungsgericht hatte 1995 die Vermögensteuer mehr oder weniger als verfassungswidrig einkassiert, weil eine unterschiedliche steuerliche Belastung von Grundbesitz und sonstigem Vermögen nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbar sei.

Auf Anfrage des Bayernkurier teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit, dass das Gutachten vom ifo-Institut gemeinsam mit EY (wohl Ernst&Young) erstellt wird. „Die Endfassung des Gutachtens, das die wirtschaftspolitischen Auswirkungen verschiedener in der öffentlichen und wissenschaftlichen Diskussion befindlichen Varianten im Bereich Vermögensbesteuerung analysieren soll, liegt noch nicht vor“, sagt das Ministerium. Erst dann werde es abgenommen und veröffentlicht, der Zeitpunkt sei unklar. „Zwischenstände der Studie können wir nicht veröffentlichen.“ Auch das ifo Institut bestätigt die Studie auf Anfrage, will sich aber nicht weiter äußern.

Die Kritik

Kritiker beklagen nun einen Versuch des SPD-Ministeriums, die Vermögensteuer aus dem Wahlkampf herauszuhalten. Das Motiv ist klar: Das durch Fakten belegte endgültige Aus dieser Steuer wäre eine krachende Niederlage für alle linken Parteien. Und die Steuer gilt als ein gemeinsamer Anker für eine rot-rot-grüne Koalition.

Ganz offensichtlich hat die wissenschaftliche Bewertung andere Ergebnisse zutage gebracht als das SPD-geführte Ministerium gewünscht hat.

Christian Freiherr von Stetten, CDU

Der CDU-Finanzexperte im Bundestag, Christian Freiherr von Stetten, forderte nun in einem Brief an Zypries die Herausgabe der Studie vor der Wahl. Er hielt schon die Auftragsvergabe für eine Steuergeldverschwendung, weil eigentlich das Finanzministerium fachlich zuständig ist. Das Wirtschaftsministerium berief sich darauf, dass es um „die wirtschaftspolitischen Auswirkungen und die Auswirkungen auf Unternehmen“ gehe. Als Mitglied des Finanzausschusses des Bundestages und Berichterstatter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Vermögensteuer bat von Stetten nun nachdrücklich darum, „das Ergebnis dieser Kurzexpertise zugesandt“ zu bekommen, da bereits Steuergeld ausgegeben wurde. „Offensichtlich sollten die Ergebnisse die Forderung nach Wiedereinführung der Vermögensteuer wissenschaftlich unterstützen“, sagte er dem Bayernkurier. „Ganz offensichtlich hat die wissenschaftliche Bewertung jedoch andere Ergebnisse zutage gebracht als das SPD-geführte Ministerium es sich gewünscht hat.“

Im Zickzack

Der Zickzackkurs der SPD bei der Vermögensteuer ist bemerkenswert: 2013 im SPD-Wahlprogramm, 2014 vom damaligen SPD-Chef Sigmar Gabriel für „tot“ erklärt und 2017 beinahe wieder ins Programm gerutscht. Zwar hat die SPD vorerst auf die Vermögensteuer „wegen hoher rechtlicher Hürden“ verzichtet. Aber eine Arbeitsgruppe soll sie zumindest prüfen.

Vermögen hört sich nach Reichtum an, deshalb wollen weite Teile der SPD, der Grünen und der Linkspartei die Vermögensteuer unbedingt. So erklärte etwa Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) kürzlich: „Die wirklich Reichen in unserem Land haben ihr Vermögen zu großen Teilen nicht selbst erarbeitet.“ Dm-Gründer Götz Werner nannte das die Bedienung des „Dagobert-Klischees“.

Die Probleme

Der Verfassungsrechtler Hanno Kube kam 2013 in der FAZ zu dem Schluss, dass eine Vermögensteuer unter den heutigen steuerlichen Gegebenheiten in jedem Fall ein Verstoß gegen das Grundrecht auf Eigentum wäre. Die effektive Gesamtbelastung könnte zusammen mit Einkommen- oder Körperschaftsteuer bei mehr als 100 Prozent der Erträge liegen und damit die Substanz angreifen. Das sei unverhältnismäßig und vernichte langfristig die Steuerquelle selbst, so Kube. Er sah außerdem „massive“ Probleme bei der Bewertung und Kontrolle von Kunst, Autos, Antiquitäten, Häusern oder Grundstücken. Dazu käme ein hoher bürokratischer Aufwand. 2013 urteilte auch der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesfinanzministerium: „Es gibt keine überzeugenden Gründe für die Wiedererhebung der Vermögensteuer.“ Die FAZ bezeichnet die Steuer deshalb als „Zombie“, der in jedem Wahljahr durchs Dorf getrieben werde.