Wollen im Herbst als Doppelspitze die Nachfolge von Gregor Gysi der Linksfraktion antreten: Dietmar Bartsch und Sahra Wagenknecht. (Bild: imago/ CommonLens)
Linkspartei

Bartsch und Wagenknecht wollen Gysi beerben

Nach dem Rückzug von Gregor Gysi soll ab Herbst eine Doppelspitze die Bundestagsfraktion der Linken anführen – und zwar mit der bekennenden Kommunistin Sahra Wagenknecht und dem Pragmatiker Dietmar Bartsch. Beide haben ihre Kandidatur angekündigt. Das riecht nach Zerreißprobe. Ob die Linkspartei 2017 dennoch für Rot-Rot-Grün zur Verfügung steht, muss sich zeigen.

Der Linken-Fraktionschef im Bundestag, Gregor Gysi, wirft hin. Beim Bundesparteitag in Bielefeld kündigte der 67-Jährige an, den Posten im Herbst aufzugeben. „Ich werde nicht erneut kandidieren, da die Zeit gekommen ist, den Vorsitz unserer Fraktion in jüngere Hände zu legen.“

Die derzeit stärkste Oppositionspartei im Parlament soll wieder von einer Doppelspitze geführt werden. Die Wortführerin des linken Flügels, Sahra Wagenknecht (45), und der Reformer Dietmar Bartsch (57), haben sich zur Kandidatur bereiterklärt. Beide sind bislang Gysis Stellvertreter. Für eine Doppelspitze hatten sich mehrere Landesverbände ausgesprochen. Gysi will zumindest bis 2017 Bundestagsabgeordneter bleiben. Er sicherte zu, „dass ich dann die Verantwortung wirklich abgebe, das heißt nicht heimlich versuchen werde, die Fraktion auf indirekte Art weiter zu leiten“.

Ermittlungen wegen Falschaussage unter Eid

Gysi, ehemaliger Vorsitzender der DDR-Rechtsanwaltskammer, übernahm im Dezember 1989 den Vorsitz der einstigen DDR-Staatspartei SED, die dann in SED-PDS und später in PDS umbenannt wurde. Parteichef blieb Gysi bis 1993. Wie und wo in jenen Jahren das milliardenschwere SED-Vermögen verschwunden ist, wurde nie restlos geklärt.

Aufgrund seiner schnoddrigen Eloquenz und seines Unterhaltungswertes war er Stammgast in bundesdeutschen Talkshows und versöhnte die ansonsten verfeindeten Lager der Linkspartei. 2002 scheiterte er als Berliner Senator für Wirtschaft und Arbeit unter Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD). 2005, 2009 und 2013 war er faktischer Spitzenkandidat der PDS/Linkspartei für den Bundestag – und nach den Wahlen jeweils Fraktionschef oder Co-Fraktionschef (neben Oskar Lafontaine).

Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Gysi wegen des Verdachts der Falschaussage unter Eid. Gysi hatte 2011 an Eides Statt versichert, er habe der DDR-Staatssicherheit „zu keinem Zeitpunkt über Mandanten oder sonst jemanden wissentlich und willentlich […] berichtet“. Vor wenigen Wochen hatte es in der Hamburger Justiz einen Eklat gegeben wegen der Frage, ob Anklage gegen Gysi erhoben wird (Bayernkurier berichtete).

Gysi: Linkspartei soll Verantwortung übernehmen

In seiner 50-minütigen Rede in Bielefeld forderte er seine Partei dazu auf, in der deutschen und europäischen Politik Verantwortung zu übernehmen. Gysi sprach von einem „nicht ganz unbeachtlichen Akzeptanzschub“ für seine Partei in den vergangenen Jahren. „Ich habe eine Bitte an Euch: Macht aus alledem was draus.“ Gysi gilt als wichtiger Fürsprecher für eine Koalition mit SPD und Grünen.

Wagenknecht hatte im März nach einer internen Abstimmungsniederlage verkündet, dass sie nicht Fraktionschefin werden will. Nach Gysis Verzicht kamen aber auch aus dem Reformerflügel Stimmen für eine Doppelspitze Wagenknecht/Bartsch. So sagte der Bundestagsabgeordnete Stefan Liebich der Deutschen Presse-Agentur: „Ich wäre sehr froh, wenn sie ihre Entscheidung korrigiert.“ Die Parteispitze, die ein Vorschlagsrecht hat, will sich noch im Juni zur Nachfolge äußern.

Linkspartei grenzt sich ideologisch von SPD und Grünen ab

Über die seit langem diskutierte Bündnisoption Rot-Rot-Grün sagte Gysi in seiner Rede: „Wir können und sollten auch auf Bundesebene regieren wollen. Und zwar selbstbewusst, mit Kompromissen, aber ohne falsche Zugeständnisse.“ Falls es 2017 zu Koalitionsverhandlungen komme, werde er selbst „mit Sicherheit“ nicht dabei sein. Er habe auch „nicht die geringste Absicht, Bundesminister zu werden“. In den Umfragen liegt die Linke derzeit bei knapp zehn Prozent.

Insgesamt war der Parteitag von Abgrenzung zu SPD und Grünen geprägt. Gysi verlangt von seiner Partei, Zugeständnisse zu machen. Wagenknecht sieht dies skeptisch: „Es ist richtig: Man kann aus einer Regierung heraus mehr verändern als aus der Opposition – wenn, aber dieses ‚Wenn‘ ist eben die entscheidende Bedingung, man Partner hat, die zumindest in die gleiche Richtung gehen wollen wie man selbst.“

Parteigranden zanken über Nachfolge

Parteichef Bernd Riexinger meinte, Rot-Rot-Grün müsse „einen wirklichen Politikwechsel vollziehen und nicht nur einen Regierungswechsel“. Er sprach der SPD in ihrer derzeitigen Verfassung jede Bündnisfähigkeit für Rot-Rot-Grün ab. „Die Sozialdemokratie steht heute in ganz Europa für Bankenrettung, Austeritätspolitik und Sozialabbau.“ Auch bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr zog Riexinger scharfe Grenzen: „Die sind mit uns nicht zu machen.“

Der einzige Ministerpräsident der Ex-Kommunisten, Bodo Ramelow aus Thüringen, mahnte hingegen: „Regieren ist kein Selbstzweck. Nicht regieren ist auch kein Selbstzweck.“ Co-Parteichefin Katja Kipping forderte ein konsequent linkes Programm: „Ja, wir wollen die Machtfrage stellen. Aber wir wollen sie wirklich stellen. Und das heißt, wir wollen sie anhand von inhaltlichen Kriterien stellen.“

dpa/wog