Statt für Fahrverbote spricht sich die Bayerische Staatsregierung für Nachrüstungen bei Diesel-Fahrzeugen aus. (Foto: Imago/HRSchulz)
Diesel

Empörung über Fahrverbot

In München tobt der Streit über ein mögliches Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge. Die Wirtschaft wehrt sich gegen die Pläne des Oberbürgermeisters Dieter Reiter (SPD). Die CSU fordert ein schlüssiges Gesamtkonzept statt Verbote.

Wir schreiben das Jahr 2007. Christian Ude (SPD) ist seit 15 Jahren Oberbürgermeister der Stadt München, als er dem Spiegel ein Interview gibt. Thema: Feinstaub und Fahrverbote. Das Bundesverwaltungsgericht hatte den Deutschen damals gerade ein Recht auf saubere Luft zugesprochen und die Kommunen zum Handeln aufgerufen. Ude, damals Chef einer rot-grünen Stadtregierung, spricht sich in dem Interview gegen Fahrverbote aus. Er sagt außerdem: „Wir bauen seit Jahren den Nahverkehr aus. Wir haben eine schadstofffreie Busflotte. Wir haben Trambahnen, die null Schadstoffe ausstoßen.“

Tausende Menschen wären betroffen

Heute, zehn Jahre später, ist die Münchner Luft immer noch dick. In Bayerns Landeshauptstadt ist zu viel Stickoxid in der Luft. Udes Nachfolger, Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD), denkt daher über ein Diesel-Fahrverbot nach. Er stößt damit Tausende Bürger vor den Kopf. Betroffen wären zwischen 133.000 und 170.000 Fahrzeuge. Insgesamt haben 295.000 der 720.000 in München zugelassenen Autos einen Dieselmotor.

Wirtschaft wehrt sich vehement

Auch die Wirtschaft zeigt sich von Reiters Plänen empört. In einer gemeinsamen Stellungnahme vom Handelsverband Bayern (HBE) und der Handwerkskammer für München und Oberbayern ist von einer „existenziellen Bedrohung“ für den Fall genereller Einfahrverbote die Rede. Man unterstütze zwar Reiters Ansinnen, die Luftqualität zu verbessern. Dies müsse jedoch mit Augenmaß geschehen, die Wirtschaft dürfe nicht einseitig benachteiligt werden, heißt es in einer Mitteilung vom Donnerstag. Die IHK für München und Oberbayern, die Handwerkskammer für München und Oberbayern und die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft – hatten sich bereits vorher gegen ein Diesel-Fahrverbot in München ausgesprochen. Diese Maßnahme sei unverhältnismäßig.

Öffentliche Busse ohne Katalysatoren

Ja, und Udes Interview vor zehn Jahren? Seine Aussagen halten der Prüfung in der Gegenwart nicht Stand. Öffentliche Busse in München tanken nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (DPA) weiter Diesel – und rund ein Drittel sogar noch ohne Stickoxidkatalysatoren. Für sie will Münchens OB Reiter dann auch Ausnahmen vom Fahrverbot. Auch reine Diesel-Loks fahren immer noch in den Hauptbahnhof ein. Für Lieferverkehr, Taxen und Rettungsdienste gibt es bisher ebenfalls keine schadstoffärmeren Lösungen.

Es müssen die Fahrzeuge deutlich sauberer werden, die sich ständig in der Stadt aufhalten.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU)

Wie geht es nun weiter? Die zuständigen Minister des bayerischen Kabinetts wollen sich an diesem Sonntag mit dem Thema beschäftigen.“Ziel ist es, ein Maßnahmenpaket vorzulegen, damit die zum Gesundheitsschutz notwendige Absenkung der Stickstoffdioxidwerte erreicht und gleichzeitig aber auch Berufs-, Versorgungs- und Individualverkehr gewährleistet werden“, sagt der Sprecher der Staatskanzlei, Rainer Riedl, auf Anfrage der dpa.

Konzept statt Verbot

Das Bundesverkehrsministerium plädiert für ein großes Konzept statt einzelner Verbote. Verkehrs-Staatssekretär Norbert Barthle (CDU) beklagt eine „Diffamierungskampagne“ gegen den Diesel. Nötig sei stattdessen mehr Unterstützung für E-Mobilität auch im Nahverkehr – „aber eben nicht durch Fahrverbote“, sagte er der Heilbronner Stimme.

Bereits im Frühjahr hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt im Interview mit dem BAYERNKURIER gesagt: „Der Diesel muss plötzlich für alles herhalten, was in den vergangenen Jahren in Sachen Luftreinhaltung in manchen Städten falsch gelaufen ist.“ Dobrindt fordert vernünftige Ansätze, durchdachte Konzepte statt Verbote. „Statt Menschen zu verbieten, mit ihrem Auto in die Innenstadt zu fahren, müssen die Fahrzeuge deutlich sauberer werden, die sich ständig in der Stadt aufhalten.“ Dobrindt meint damit vor allem den öffentlichen Nahverkehr, Busse, Taxen, Behördenfahrzeuge, Lieferverkehr und Müllabfuhr.

Entscheidung bis zum Jahresende

Noch ist das Fahrverbot nicht beschlossen. Vor Jahresende wird nicht klar sein, welche Maßnahmen München gegen die gesundheitsschädliche Belastung mit Stickstoffdioxid ergreifen muss. Nach einem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs müssen bis dahin Pläne vorliegen, wie die Stadt die Grenzwerte einhalten will. Möglich sind dazu auch Verkehrsverbote, jedenfalls für bestimmte Straßenabschnitte.

Mit Material von dpa