Slowenien ist verärgert, Portugal und Irland beäugen den Umgang der europäischen Geldgeber mit Griechenland kritisch, aus dem Europaparlament werden die Unmutsbekundungen lauter: Die Geduld mit der griechischen Regierung und deren Verhalten in den Verhandlungen um weitere Finanzhilfen scheint bei einem Großteil der Politik zunehmend am Ende zu sein.
Die Athener Regierung hingegen feiert einen Etappensieg: alle im Juni fälligen Kreditrückzahlungen muss das klamme Land erst zum Ende des Monats begleichen und nicht, wie eigentlich vereinbart, von diesem Wochenende an in Abständen von wenigen Tagen. Die Zeit will die Regierung von Ministerpräsident Tsipras nach eigener Aussage „für weitere Verhandlungen mit den Geldgebern nutzen“.
Doch auf der Seite der europäischen Politik formiert sich parteiübergreifend immer größerer Widerstand gegen die Griechen. Dabei stößt vielen vor allem die Sonderbehandlung des Landes im Vergleich zu anderen Krisenstaaten wie Portugal oder Irland sauer auf. Neben Unionspolitikern wie den CSU-Europaparlamentariern Manfred Weber und Markus Ferber, die beide den mangelnden Reformwillen Athens kritisieren, wird der Unmut jetzt auch in anderen politischen Lagern lauter. Der Präsident des Europaparlaments Martin Schulz (SPD) etwa sagte in der ZDF-Sendung Maybrit Illner, er sei von dem Verhalten der Regierung Tsipras „ziemlich genervt“. Die Links-Rechts-Koalition müsse sich endlich konkret bewegen und klare Reformen einläuten, so Schulz.
Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber hatte zu dem Treffen Junckers mit Tsipras erklärt: „Einmal mehr hat Alexis Tsipras bekannte Positionen vorgetragen und musste feststellen, dass diese immer noch nicht zu denen der Eurogruppe passen. Angesichts der fälligen Tilgungsraten in diesem Monat ist es erstaunlich, wie wenig Bewegungsbereitschaft die griechische Regierung zeigt. Obwohl sich Griechenland auf dem direkten Weg in die Zahlungsunfähigkeit befindet, weigert sich Tsipras noch immer anzuerkennen, dass er sich schnell und substantiell bewegen muss. Solange er nicht akzeptieren will, dass seine Wahlversprechen nicht einzuhalten sind, wird es aber keinen Spielraum für eine Einigung geben.“
Wie groß ist die Sprengkraft der Krise für die gesamte EU?
Von zahlreichen Experten und Journalisten hingegen kommt nun verstärkt der Hinweis, dass es sich bei den Hilfen für Griechenland um die „Beatmung einer Leiche“ handle und die Staatspleite schon längst beschlossene Sache sei – und das nicht erst seit gestern. Bei jedem Unternehmen erfüllten die Finanzspritzen den Tatbestand der Insolvenzverschleppung, findet etwa die Politologin Ulrike Guérot. Sie warnt vor der generellen Sprengkraft der Krise für die gesamte EU. Zusammen mit den Diskussion um Flüchtlinge und eine generelle Reform der Europäischen Union – wie von Großbritannien angestrebt – seien im „Europäischen Haus“ nicht mehr nur kleine Risse zu sehen, sondern das Haus sei einsturzgefährdet, findet die Politologin. Für die Zukunft der EU, vor allem aber des Euros, sei es wichtig, dass man sich nicht nur Gedanken über nationale Interessen mache, sondern auch über die Zukunft der gesamten Region.
In Athen scheint es genau an diesem Punkt zu hapern. Dort verkündet Ministerpräsident Alexis Tsipras immer wieder, dass er weiter auf die Zahlung der Hilfstranchen hinwirken will, ohne noch einschneidendere Reformen in seinem Land durchsetzen zu müssen als bisher. In vielen politischen Gefilden dreht sich in der Griechenland-Krise also der Wind – in Athen selbst hält die Regierung am bestehenden Kurs fest.