Dicke Luft in München: Der Stickoxid-Wert in der Landeshauptstadt ist vielerorts zu hoch. (Foto: Fotolia)
Diesel

Dicke Luft in München

In Bayerns Landeshauptstadt ist zu viel Stickoxid in der Luft. Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) denkt daher über ein Diesel-Fahrverbot nach. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und die Staatsregierung wollen eine andere Lösung.

„So sehr ich mich freuen würde, wenn es ohne solche Verbote ginge, so wenig sehe ich, wie wir künftig weiter ohne Sperrungen auskommen werden“, sagt Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) in der Mittwochsausgabe der Süddeutschen Zeitung. Betroffen wären je nach angewandter Abgasnorm zwischen 133.000 und 170.000 Fahrzeuge. Insgesamt haben 295.000 der 720.000 in München zugelassenen Autos einen Dieselmotor.

Die Ergebnisse sind erschreckend, das hatte niemand so erwartet.

Dieter Reiter (SPD), Oberbürgermeister von München

Hintergrund der Überlegungen sind neue Messwerte vor allem zum giftigen Reizgas Stickstoffdioxid. Laut SZ-Recherche wird der von der EU zugelassene Mittelwert nicht nur auf den großen Ring- und Einfallstraßen regelmäßig überschritten, sondern auch in weit davon entfernten Gegenden. „Die Ergebnisse sind erschreckend, das hatte niemand so erwartet“, sagt Reiter. Aufgrund der alarmierenden Zahlen müsse nun etwas geschehen, und ihm sei kein anderes adäquates Mittel als ein Fahrverbot bekannt.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) widerspricht dem. Bereits im Frühjahr hatte Dobrindt im Interview mit dem BAYERNKURIER gesagt: „Der Diesel muss plötzlich für alles herhalten, was in den vergangenen Jahren in Sachen Luftreinhaltung in manchen Städten falsch gelaufen ist.“ Dobrindt fordert vernünftige Ansätze, durchdachte Konzepte statt Verbote. „Statt Menschen zu verbieten, mit ihrem Auto in die Innenstadt zu fahren, müssen die Fahrzeuge deutlich sauberer werden, die sich ständig in der Stadt aufhalten.“ Dobrindt meint damit vor allem den öffentlichen Nahverkehr, Busse, Taxen, Behördenfahrzeuge, Lieferverkehr und Müllabfuhr.

Der Diesel muss für alles herhalten, was in Sachen Luftreinhaltung falsch gelaufen ist.

Alexander Dobrindt (CSU), Bundesverkehrsminister

Die Wirtschaft teilt diese Ansicht. Die IHK für München und Oberbayern, die Handwerkskammer für München und Oberbayern und die vbw – Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft – haben sich gegen ein Diesel-Fahrverbot in München ausgesprochen. Diese Maßnahme sei unverhältnismäßig. „Eine blaue Plakette wäre aus Sicht der Wirtschaft nur mit ausreichenden Übergangsfristen möglich, die sich an den Nutzungszeiträumen von Dieselfahrzeugen orientieren. Damit sollen die Fuhrpark-Investitionen der Betriebe der vergangenen Jahre geschützt werden. Außerdem braucht die Wirtschaft die Zusicherung der Fahrzeughersteller, dass die Euro-6-Fahrzeuge die versprochenen Grenzwerte tatsächlich einhalten“, heißt es in einer gemeinsamen Mitteilung.

Staatsregierung dringt auf Lösung

Die bayerische Staatsregierung dringt auf rasche Maßnahmen zur Lösung des Problems. Das Kabinett werde zeitnah über notwendige Konsequenzen aus der Stickoxid-Belastung der Innenstädte, insbesondere in München, beraten, sagte der Sprecher der Staatskanzlei, Rainer Riedl, am Mittwoch auf Anfrage der dpa.

Bereits am Wochenende wird sich Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer mit den zuständigen Ressortministern zusammensetzen. „Ziel ist es, ein Maßnahmenpaket vorzulegen, damit die zum Gesundheitsschutz notwendige Absenkung der Stickstoffdioxidwerte erreicht und gleichzeitig aber auch Berufs-, Versorgungs- und Individualverkehr gewährleistet werden“, sagte der Sprecher. Für ein solches Maßnahmenpaket seien auf allen Ebenen und bei allen Beteiligten nachhaltige Anstrengungen notwendig, „damit Fahrverbote vermieden werden können“.

Streit vor Gericht

Der Streit um die Abgasbelastung in München wird seit geraumer Zeit auch vor Gericht verhandelt. Die Deutsche Umwelthilfe klagt, damit die Behörden Maßnahmen zur Einhaltung der vorgeschriebenen Richtwerte umsetzen.

Für bessere Luft in München muss der Freistaat nach einer Entscheidung des obersten bayerischen Verwaltungsgerichts bis zum Ende des Jahres Fahrverbote für Dieselfahrzeuge vorbereiten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) hatte im März einen entsprechenden Beschluss veröffentlicht. Ob die Verbote tatsächlich umgesetzt werden können, hängt aber vom Bundesgesetzgeber ab.
Der Beschluss vom 27. Februar sieht verschiedene Stichtage vor, bis zu denen der Freistaat Bayern bestimmte Aufgaben erfüllt haben muss. Sonst drohen Strafen. Im Detail:

  • Bis zum 29. Juni muss der Freistaat ein Verzeichnis aller Straßen(abschnitte) in München veröffentlichen, wo der Grenzwert von Stickstoffdioxid (NO2) überschritten wird. Sonst werden 2000 Euro Strafe fällig.
  • Bis zum 31. August muss im Zuge einer Öffentlichkeitsbeteiligung die Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die bayerische Landeshauptstadt bekanntmacht werden. Sonst drohen 4000 Euro Strafe.
  • Bis zum Ablauf des 31. Dezember muss der Freistaat ein vollzugsfähiges Konzept mit einer Liste für Straßen in München präsentieren, auf denen Dieselfahrzeuge verboten werden könnten. Zudem soll darin enthalten sein, welche Einschränkungen es gebe und wo von Verboten abgesehen werde. Sonst werden 4000 Euro fällig.

heha/dpa