Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. (Bild: avd)
Sicherheit

Schleierfahndung für alle

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann will die verdachtsunabhängigen Kontrollen bundesweit einführen. Um die Terrorabwehr zu stärken, verlangt Herrmann zudem besseren Zugriff auf Kommunikationsdaten sowie mehr Befugnisse bei Online-Durchsuchungen.

Anlässlich der Innenministerkonferenz (IMK) in Dresden dringt Bayern auf die Einführung der Schleierfahndung in ganz Deutschland. Dass immer noch drei Länder keine verdachtsunabhängigen Kontrollen zuließen, sei eine „eklatante Sicherheitslücke, die unbedingt geschlossen werden muss“, sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) der Rheinischen Post. Herrmann kritisierte, dass Berlin und Bremen die Schleierfahndung noch nicht anwendeten. Er begrüßte es, dass die CDU in Nordrhein-Westfalen nach der Landtagswahl angekündigt hatte, die Schleierfahndung einzuführen. Bayerns Innenminister rief dazu auf, die Schleierfahndung in den Grenzregionen weiter auszubauen. Verstärkt genutzt werden müsse sie auch auf Verkehrswegen von internationaler Bedeutung und im Umfeld von Flughäfen, Bahnhöfen und Rastanlagen.

Terrorabwehr als Schwerpunkt

Die Innenminister von Bund und Länder treffen sich von diesem Montag an in Dresden. Im Mittelpunkt ihrer Konferenz werden Maßnahmen zur Terrorbekämpfung stehen. Dabei wird es auch um die Schleierfahndung gehen, bei der die Polizei Menschen ohne konkreten Verdacht kontrollieren kann.

Der internationale Terrorismus bedroht uns wie noch nie zuvor.

Joachim Herrmann

Auch der Chef der Innenministerkonferenz, der sächsische Ressortchef Markus Ulbig, hat zur Terrorbekämpfung ein verstärktes gemeinsames Vorgehen der Länder angemahnt. Ein „Flickenteppich“ bei gesetzlichen Regelungen müsse vermieden werden, sagte er vor der IMK-Frühjahrstagung in Dresden. Ulbig nannte ebenfalls die Schleierfahndung als Beispiel für unterschiedliche Regelungen in den Ländern. Ähnlich äußerte sich Bundesinnenminister Thomas de Maizière: „Es darf in Deutschland nicht zwei Zonen unterschiedlicher Sicherheit geben“, sagte der CDU-Politiker am Montag im ARD-Morgenmagazin.

Radikalisierung im Kindesalter

Bayerns Innenminister Herrmann hatte bereits in der vergangenen Woche im Bundesrat dazu aufgerufen, auf Bundesebene besser auf die neue terroristische Gefährdungslage zu reagieren: „Der internationale Terrorismus bedroht uns wie noch nie zuvor. Terroristen nutzen modernste Informationstechniken und schrecken nicht einmal davor zurück, Minderjährige für ihre widerlichen Gewalttaten zu instrumentalisieren“, sagte Herrmann. „In Bayern haben wir auf die neuen Bedrohungen bereits reagiert und die Sicherheit der Menschen im Freistaat weiter verbessert.“

Wir haben in Bayern unsere Hausaufgaben gemacht und unserem Verfassungsschutz eine wirksame Online-Durchsuchung bereits ermöglicht.

Joachim Herrmann

Herrmann erinnerte an die Messerattacke einer 15-jährigen auf einen Bundespolizisten in Hannover und an den geplanten Anschlag eines 12-jährigen auf einen Weihnachtsmarkt in Ludwigshafen im letzten Jahr. „Man darf die Augen nicht davor verschließen, dass eine Radikalisierung schon im Kindesalter beginnen kann. Wenn sich ein Zwölfjähriger im Umfeld von Terroristen bewegt und von diesen eingespannt wird für die Vorbereitung von Gewalttaten, müssen wir das wissen.“ Bislang dürften auf Bundesebene jedoch nur personenbezogene Daten von Minderjährigen über 14 Jahre für die Ermittlungsarbeit verwendet werden. „Diese Mindestaltersgrenze geht an der neuen Realität völlig vorbei. Bayern hat das erkannt und für den Bayerischen Verfassungsschutz die Altersgrenze komplett aufgehoben“, so Herrmann.

Zugriff auf WhatsApp

Innenminister Herrmann rief auch dazu auf, die Sicherheitsbehörden des Bundes mit wirksameren Befugnissen für Online-Durchsuchungen auszustatten. Moderne Kommunikationstechnik sei zum alltäglichen Werkzeug terroristischen Handelns geworden. Klassische nachrichtendienstliche Instrumente wie Telefonüberwachung, Observation oder Informanten allein seien der geänderten Bedrohungslage nicht mehr gewachsen. „Die Sicherheitsbehörden müssen mit der technischen Entwicklung Schritt halten. Das Bundesamt für Verfassungsschutz muss daher in gleicher Weise mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet werden, wie das beim Bundeskriminalamt bereits geschehen ist“, forderte Herrmann. „Wir haben in Bayern unsere Hausaufgaben gemacht und unserem Verfassungsschutz eine wirksame Online-Durchsuchung bereits ermöglicht.“

Weiteren Handlungsbedarf sieht Herrmann auch mit Blick auf die Telekommunikationsüberwachung. Die zunehmende Verschlüsselung der Telekommunikation bei Messenger-Diensten wie zum Beispiel „WhatsApp“ führe dazu, dass Sicherheitsbehörden Telekommunikation immer seltener erfolgreich überwachen können. Herrmann forderte klarzustellen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Kommunikation bereits an der Quelle – also entweder vor Verschlüsselung oder nach Entschlüsselung – erfassen darf.

Verkehrsdaten als Schlüssel

Schließlich muss nach Herrmanns Auffassung auch der Zugriff auf Verkehrsdaten, die für eine rechtzeitige Identifizierung terroristischer Gefährder von herausgehobener Bedeutung seien, verbessert werden. Das Bundeskriminalamt und die Nachrichtendienste des Bundes sollten dafür auf gespeicherte Verkehrsdaten der Telekommunikation zugreifen dürfen. Bayern sei auch hier als erstes Land bereits vorangegangen und habe seinen Verfassungsschutz mit entsprechenden Befugnissen ausgestattet, so der CSU-Politiker.