Martin Schulz, SPD-Parteivorsitzender, stellte jetzt das Rentenkonzept der SPD vor. (Bild: Imago/Photothek.net/Florian Gärtner)
SPD-Rente

Auf Kosten der jungen Generation

Mit einem milliardenteuren Reformkonzept für die Rente will SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz seine Partei aus dem Umfragetief vor der Bundestagswahl führen. Die Kosten für seine Versprechen bürdet er den kommenden Generationen auf.

Mit einem „neuen Generationenvertrag“ soll das Rentenniveau auf heutigem Niveau gehalten und eine Solidarrente für Geringverdiener eingeführt werden. „Die SPD will, dass sich alle auf die Rente verlassen können, Alt und Jung, Arm und Reich, Frauen und Männer gleichermaßen“, streute Schulz in Berlin Allgemeinplätze. Schulz orientierte sich an einem knapp sechs Monate alten Konzept von Sozialministerin Andrea Nahles (SPD), die die Pläne gemeinsam mit ihm präsentierte.

Rente erhöhen, Beitragssätze begrenzen

Schulz und Nahles wollen das prognostizierte Absinken des Rentenniveaus auf 44,7 Prozent bis 2030 verhindern, das die SPD einst selbst beschlossen hat. Dieses Verhältnis von Löhnen und Rente soll bis dahin bei 48 Prozent gehalten, der Beitragssatz von heute 18,7 Prozent bei maximal 22 Prozent begrenzt werden. Die Solidarrente soll alle, die 35 Jahre und länger gearbeitet haben, eine Rente 10 Prozent über der Grundsicherung garantieren und Altersarmut verhindern. Die SPD rechnet mit geringen jährlichen Mehrkosten durch ihr Konzept ab 2018. Sie sollen erst mit dem Renteneintritt der Babyboomer im Jahr 2028 sprunghaft auf 18,4 Milliarden steigen und bis 2030 auf 19,2 Milliarden wachsen. Das Geld soll aus Steuermitteln kommen.

Schulz und Nahles haben eine Renten-Resterampe vorgestellt. Das sind alles alte Vorschläge von Nahles.

Andreas Scheuer, CSU-Generalsekretär

„Das hört sich auf den ersten Blick viel an, aber es bringt Leistungsverbesserungen für 50 Millionen Versicherte“, sagte Nahles. „Konkret hätte ein Durchschnittsverdiener 2030 150 Euro Rente im Monat mehr.“ Eine zusätzliche Einbeziehung von rund drei Millionen Selbstständigen in die Rentenkasse soll sich um 0,4 Prozentpunkte dämpfend auf den Beitragssatz auswirken. Schulz versprach: „Wir machen die Rente für Jung und Alt sicher und verlässlich mit einem neuen Generationenvertrag, der den Lebensstandard im Alter sichert und der tragbare paritätisch finanzierte Beiträge garantiert.“

Unhaltbare Vorwürfe gegen die Union

Der Union warf Schulz vor, das Rentenalter über 67 Jahre hinaus erhöhen zu wollen, auch wenn davon bisher nichts im Unionsprogramm zu finden ist. „Mit mir wird es natürlich keine Erhöhung des Renteneintrittsalters geben“, sagte der SPD-Chef. Er griff Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Union frontal an. Bei CDU/CSU sei nur eins klar, behauptete Schulz, ohne dafür jedoch Belege liefern zu können: „Es wird im Alter weniger Rente geben, das Rentenniveau sinkt ab (…), im Umkehrschluss sollen dafür die Menschen länger arbeiten und mehr Beiträge zahlen. Das werden wir nicht zulassen.“ Merkel und die Union hätten Nahles schon im November zustimmen können, stattdessen betrieben sie „eine Politik des Abwartens und des Abwiegelns“. Dass die Union den Pläne, bisher nicht zustimmte, weil sie so nicht finanzierbar und auch nicht nachhaltig sind, sagte Schulz nicht. Nahles erklärte, die Pläne müssten bald umgesetzt werden, wenn das Rentenniveau nicht absinken solle.

Weder innovativ noch nachhaltig

An dem Konzept kam Kritik aus der Union. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer sagte: „Schulz und Nahles haben eine Renten-Resterampe vorgestellt. Das sind alles alte Vorschläge von Nahles, die in der Koalition bereits durchgekaut wurden. Das ist weder innovativ noch nachhaltig. Dafür hätten Schulz und Nahles nicht Pfingsten abwarten müssen.“ Zur fehlenden Generationengerechtigkeit der SPD-Ideen sagte Scheuer: „Die Renten-Resterampe ist typische SPD-Politik: Erst mal gar nichts verändern, jetzt Geld ausgeben und die Finanzierungsfrage in die Zukunft verschieben.“

Finanzstaatssekretär Jens Spahn (CDU) nannte die Pläne „Populismus auf dem Rücken der jungen Generation“. Es sei schade, dass sich Nahles für Schulz` Versprechen hergebe.

Das ist weder vernünftig noch gerecht und keine Antwort auf die Herausforderungen des demografischen Wandels.

Bertram Brossardt, vbw Hauptgeschäftsführer

Kritik aus der Wirtschaft

Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) hat die von Martin Schulz und Andrea Nahles vorgestellten SPD-Rentenpläne ebenfalls scharf kritisiert. „Die SPD verfolgt mit der Forderung nach einer Fixierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent, einem Einfrieren des Renteneintrittsalters und der Einführung einer Solidarrente den falschen Weg. Leistungsausweitungen, die später von der jüngeren Generation aus Steuermitteln finanziert werden müssen, lösen keine Probleme, sie verschieben sie in die Zukunft. Das ist weder vernünftig noch gerecht und keine Antwort auf die Herausforderungen des demografischen Wandels“, sagte vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. Den Vorschlag, Selbständige verpflichtend in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, hält Brossardt für nicht zielführend: „Die SPD argumentiert, dass dadurch die Einnahmen der Rentenkasse steigen – zur Wahrheit gehört aber, dass daraus auch Ansprüche der Selbständigen an die Rentenkasse entstehen, die Mehrausgaben verursachen. Deutlich sinnvoller ist deshalb ein Versicherungsnachweis für Selbständige.“

Das SPD-Konzept ist kurzsichtig, da die Finanzierung ab 2030 völlig unklar ist.

Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA

Brossardt fordert insgesamt einen ausgewogenen Vorsorgemix aus gesetzlicher Rente, betrieblicher Altersversorgung und privater Vorsorge. „Das System muss über alle Säulen hinweg gestärkt werden. Der alleinige Fokus auf die gesetzliche Rentenversicherung und das Rentenniveau ist nicht zielführend. Wir müssen der Riester-Förderung wieder zu mehr Attraktivität verhelfen. Neben einer Anpassung der Zulage sind hierbei eine Vereinfachung und mehr Transparenz der Riester-Produkte nötig. Die betriebliche Altersversorgung muss auch in Zukunft den Bedürfnissen der Unternehmen Rechnung tragen und freiwillige, individuelle Lösungen für alle Firmen erlauben.“ Brossardt kritisierte, dass die SPD zwar auf die gute wirtschaftliche Lage verweise, aber im gleichen Atemzug immer neue Belastungen für Unternehmen fordert. „Eine gute wirtschaftliche Lage und ein robuster Arbeitsmarkt sind nach wie vor die beste Rentenpolitik. Die Politik darf deshalb die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts nicht gefährden – sonst verspielt sie unsere Zukunft und die künftigen Renten der Jüngeren.“

Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands BDA, Steffen Kampeter, nannte die Pläne „eine schlechte Nachricht“ für Jüngere. „Das SPD-Konzept ist kurzsichtig, da die Finanzierung ab 2030 völlig unklar ist.“ Der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Oliver Zander, kritisierte, die 50 Milliarden Euro Gesamtkosten bis 2030 „fehlen bei Bildung, Infrastruktur, Forschung und Sicherheit“. Die Versicherungswirtschaft sprach von einer „Mogelpackung“.

(dpa/PM)