Stillgelegte Bahntrasse an der Donau. (Bild: imago/blickwinkel/B.Trapp)
Bahn

Stillgelegte leben länger

Bayerns Kommunalpolitiker wollen stillgelegte Bahnlinien wiederbeleben und damit die Straßen entlasten. Über die Reaktivierung alter Schienennetze durch private Betreiber wird schon seit ein paar Jahren nicht nur im Freistaat verstärkt nachgedacht.

Bei der vierten Oberbürgermeister-Konferenz des Bayerischen Städtetags im Nürnberger Rathaus diskutierten die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte und der Großen Kreisstädte Bayerns mit Vertretern der Deutschen Bahn über aktuelle gemeinsame Themen. Bei der Veranstaltung sprachen der Konzernbevollmächtigte der Deutschen Bahn AG für den Freistaat Bayern, Klaus-Dieter Josel, der Sprecher der Geschäftsführung der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG), Johann Niggl, und der Leiter der Verkehrsabteilung in der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, Ministerialdirigent Hans-Peter Böhner.

Für Kommunalpolitiker stehen Probleme mit der Bahn oft auf der Tagesordnung.

Ulrich Maly, Bayerischer Städtetagspräsident

„Bahnlinien und Bahnhöfe bilden das Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs in Ballungsräumen und ländlichen Räumen. Für Kommunalpolitiker stehen Probleme mit der Bahn oft auf der Tagesordnung“, erklärte der Vorsitzende des Bayerischen Städtetags, Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly, zu Beginn. Dies betreffe auf regionaler Ebene Fragen zum Schienennetz, zur Bedienung einzelner Bahnhöfe und Linien, zur Taktung von Zügen, zur Ausschreibung von Linien und Bestellung von Bahnverkehren unterschiedlicher Anbieter.

Verbesserungen für Pendler

Den Kommunalpolitikern ginge es um die Erstellung von Nahverkehrskonzepten und die Verknüpfung des Schienennahverkehrs mit S-Bahnlinien und mit dem Schienenfernverkehr. „Mit der Einführung des Stundentakts auf manchen Linien und mit der Verknüpfung von Anbietern auf der Schiene konnten Verbesserungen für Pendler erzielt werden“, so Maly weiter.“ Allerdings sehen die Städte vor dem Hintergrund des demografischen Wandels, des wirtschaftlichen Wachstums und der wachsenden Pendlerströme die Notwendigkeit zum Ausbau des Angebots auf der Schiene.“ Fahrgäste und Pendler legten Wert auf Pünktlichkeit, Schnelligkeit und Qualität – zu einem möglichst niedrigen Preis. Die Kommunen setzten darauf, dass der Freistaat mit den Regionalisierungsmitteln des Bundes den Ausbau des Schienennahverkehrs dauerhaft voranbringe.

Das Ziel heißt Wiederbelebung

Die Wiederbelebung von stillgelegten Bahnlinien beschäftigt Kommunalpolitiker an vielen Orten, nicht nur in Bayern. Zum Erfolgsmodell wurde beispielsweise die Eisenbahn-Renaissance auf der Ostsee-Insel Usedom. Seit dort 1995 die Usedomer Bäderbahn den Betrieb der teilweise stillgelegten Strecke übernahm, haben sich die Fahrgastzahlen mehr als verzehnfacht. Weitere erfolgreiche Reaktivierungen gab es im Erzgebirge, bei Böblingen in Baden-Württemberg und Bad Segeberg in Schleswig-Holstein. Seit der Bahnreform wurden in Deutschland rund 500 Schienenstrecken mit einer Gesamtlänge von 5000 Kilometern stillgelegt, mehr als zehn Prozent des heutigen DB-Netzes.

In Bayern gab es solche Projekte etwa auf den Strecken Selb – Asch (Tschechien), Bayreuth – Weidenberg oder Gotteszell – Viechtach. So wurde die Stadt Viechtach, die vorher praktisch vom öffentlichen Verkehr abgeschnitten war, nun an das Oberzentrum Deggendorf sowie die Landeshauptstadt München angeschlossen – ein großer Gewinn für die Einwohner, Pendler und die Kommune. Der Landesverband Bayern des VCD (Verkehrsclub Deutschland) fordert schon lange die Wiederaufnahme vieler wichtiger Strecken, insbesondere im ländlichen Raum. Viele weitere Initiativen versuchen, Ähnliches in ihrer Region zu erreichen. Bekanntheit erlangte etwa die 1982 stillgelegte und 2010/2011 reaktivierte Strecke der Ilztalbahn von Passau über Tiefenbach und Waldkirchen nach Freyung in Niederbayern, die im Endzeit-Kinofilm „Hell“ im Jahr 2010 als Drehort diente.

Die Straße entlasten

Wenn alte Bahnlinien wieder in Betrieb genommen werden, kann damit einerseits der Tourismus gestärkt, andererseits vor allem der Individualverkehr reduziert werden. Hier steckt enormes Potential drin, um die vollen Straßen zu entlasten. Dennoch wurden in der Vergangenheit viele Bahnlinien eingestellt oder Haltestellen geschlossen. Denn letztlich ist es doch immer eine Frage der Wirtschaftlichkeit für die jeweiligen Streckenbetreiber.

Bahnlinien verbinden die Städte untereinander, sie verbinden die Städte mit dem Umland.

Ulrich Maly

„Die Bahn hat eine wichtige Rolle bei der Bewältigung des hohen Pendleraufkommens in die Städte und aus den Städten. Bahnlinien verbinden die Städte untereinander, sie verbinden die Städte mit dem Umland – dies gilt in den Metropolregionen München und Nürnberg ebenso wie in allen Regionen Bayerns“, betonte Maly. In der Vergangenheit seien viele Schienenstrecken stillgelegt und Haltestellen nicht mehr bedient worden. „Über die Reaktivierung stillgelegter Schienennetze wird verstärkt nachgedacht – beispielsweise auf der Bahnlinie von Volkach nach Würzburg“, erklärte der Nürnberger OB.

Barrierefreie Bahnhöfe und Haltestellen

Die bayerischen Städte und Gemeinden unterstützen zudem das Ziel des Ministerpräsidenten, Bayern bis 2023 im gesamten öffentlichen Raum barrierefrei zu machen. Maly: „Viele Städte und Gemeinden sind bereits aktiv geworden, um Barrierefreiheit zu schaffen. Sie haben die Notwendigkeit zum Abbau von Barrieren längst erkannt. Sie haben bereits viele Projekte zur Barrierefreiheit in Bussen, an Bushaltestellen und Trambahnen auf den Weg gebracht.“ Allerdings baue der enge zeitliche Horizont, den die Staatsregierung setzt, hohen Erwartungsdruck auf. „Wer ein ehrgeiziges Ziel setzt, muss auch die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung stellen“, fordern deshalb die Städte. Beim Abbau von Barrieren müssten auch Prioritäten gesetzt werden: Vor allem sollten Bahnhöfe von Barrieren befreit werden, weil hier täglich tausende Pendler unterwegs seien. „Bahnhöfe sind das Mobilitätszentrum, an dem öffentlicher Nahverkehr auf Schiene und Straße sowie der Individualverkehr mit Auto, Fahrrad und Fußgängern zusammenlaufen“, so Maly.

Ein weiteres Ärgernis für viele Fahrgäste, die ihren Unmut in der Regel bei den Rathäusern abladen: An vielen Bahnhöfen werden Toilettenanlagen nicht mehr von der Bahn betrieben. Viele Anlagen werden geschlossen. „Die Bahnhöfe sind Visitenkarten der Städte und der Verkehrsgesellschaften. Deshalb besteht eine gemeinsame Verantwortung: Reisende sollen in den Mobilitätszentren der Städte einen möglichst angenehmen Aufenthalt haben. Dazu gehören Bahnhofstoiletten ebenso wie Verkaufsläden“, forderte Maly die Bahn zur Kooperation auf.

(PM)