Das Hauptthema von Schulz lautet „Gerechtigkeit“, also staatliche Umverteilung durch noch höhere Steuern. (Foto: Imago/IPON)
SPD

Wahre Gerechtigkeit

Kommentar SPD-Kandidat Schulz setzt voll auf das Wahlkampf-Thema Gerechtigkeit – gemeint ist mehr staatliche Umverteilung von privaten Vermögen. Doch die Deutschen finden mehrheitlich nicht, dass es ungerecht zugeht. Zudem liegen sowohl Steuerbelastung als auch staatliche Sozialausgaben bereits auf einem Rekordwert.

SPD-Kandidat Schulz darf sich kurzfristig über „Beistand von ungewohnter Seite“ (Spiegel) freuen: Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat eine wachsende Gerechtigkeitslücke beklagt. „In Deutschland herrscht großer Wohlstand, aber es geht nicht überall gerecht zu“, sagte der Vorsitzende der deutschen Bischofs-Konferenz im Spiegel. Das Empfinden wachse, dass nicht alle die gleichen Chancen haben. Daraus leitet der von bayerischem Steuergeld bezahlte Kardinal die Forderung nach hohen Steuern auf Vermögen und Kapital ab.

Auch Schulz selbst, dem Reinhard Marx da so öffentlichkeitswirksam (und keineswegs überraschend) beispringt, reklamiert in allen Reden und Interviews eine angeblich wachsende Gerechtigkeitslücke in Deutschland – oder postuliert doch wie der Kardinal einen entsprechenden Eindruck bei angeblich immer mehr Menschen. Dafür verwendet Schulz auch mal – ganz dem postfaktischen Zeitalter mit seinen „Fake-News“ verhaftet – falsche Zahlen und behauptet, „40 Prozent“ der Arbeitsverhältnisse von jungen Leuten seien befristet; 14 Prozent wären richtig gewesen.

Mehrheit hält allgemeine Lage für gerecht

Doch auch bei der wiederholt artikulierten Auffassung, „das Empfinden wachse“, dass es ungerecht zugehe, sitzen Schulz und Marx einem Irrtum auf. Das zeigt der Deutschlandtrend von Infratest-Dimap (März 2017): Nur 44 Prozent meinen, in Deutschland gehe es ungerecht zu, 50 Prozent sind gegenteiliger Meinung. Dieser Wert ist seit der ersten Erhebung 2006 allerdings über die Jahre sehr volatil: Im Zeitraum bis 2013 meinte eine wechselnd starke Mehrheit, es gehe eher ungerecht zu. 2013 und 2014 drehte die Meinung ins Positive, im Januar 2016 meinte eine knappe Mehrheit erneut, es gehe ungerecht zu.

Dass es im März 2017, trotz wochenlangem medialen Trommelfeuer zum sogenannten „Schulz-Effekt“ und über die Behauptungen des Kandidaten, dennoch eine Sechs-Punkte-Mehrheit für „allgemein gerecht“ gibt, zeigt, dass die Menschen der SPD-Propaganda keinen Glauben schenken.

Noch deutlicher wird es beim Blick auf die eigene wirtschaftliche Lage: Hier sind laut Deutschlandtrend 78 Prozent der Auffassung, die eigene Lage sei sehr gut oder gut, nur 21 Prozent nennen die eigene Lage weniger gut oder schlecht. Diese 78 Prozent sind ein sehr hoher Wert und nahe am Allzeit-Hoch seit dem Beginn dieser Erhebungen 1996. Allerdings blieb diese Aussage immer sehr stabil: Selbst in der Euro-, Wirtschafts- und Finanzkrise nach 2008 sank dieser „Es geht mir gut“-Wert in Deutschland nie unter 65 Prozent.

Andere Erhebungen belegen dies ebenfalls: Das IfD Allensbach ermittelte im September 2016, dass 75 Prozent der Befragten aus der „Generation Mitte“ von 30 bis 59 Jahren ihre eigene Lebensqualität für „gut“ oder „sehr gut“ halten. Vier von zehn Befragten sagten zudem, dass sich die Lage in den vergangenen fünf Jahren verbessert habe..

Rekordbelastung der Steuerzahler

Ein Blick auf den Staatshaushalt, vor allem die Steuerreinahmen und die Struktur der staatlichen Ausgaben, beweist, wie sinnlos Steuererhöhungs-Forderungen sind und wie schlimm sich höhere Steuern auswirken würden: Seit Jahren verbucht der Gesamtstaat Monat für Monat immer neue Steuereinnahmen-Rekorde und Rekordüberschüsse. 2016 stieg das Steueraufkommen von Bund, Ländern und Kommunen um 4,5 Prozent auf 648 Milliarden Euro, wie das Bundesfinanzministerium Anfang 2017 mitteilte. Der Einnahmeüberschuss gegenüber den Ausgaben beträgt 21,7 Milliarden Euro, auch das ein Rekord.

Leider steigt die Steuerquote 2017 auf ein Allzeit-Rekordhoch von 22,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Noch 2004 lag diese Quote bei 19,5 Prozent. Eine steigende Steuerquote heißt: Der Staat beansprucht immer mehr von dem, was in einem Jahr geschaffen wird. Allein die Erhöhung von 19,5 auf 22,3 Prozent entzieht, wie die FAZ vorrechnet, der Volkswirtschaft, also Familien, Bürgern und Firmen, 2017 volle 90 Milliarden Euro Eigentum und damit Kaufkraft. Wenn keine Steuerreform im Sinn einer deutlichen Senkung kommt, droht die Steuerquote bis Ende der kommenden Legislaturperiode auf 22,7 Prozent zu steigen.

Nur Belgien nimmt mehr

Das heißt, bereits jetzt nimmt der Staat denen, die täglich frühmorgens aufstehen, fleißig arbeiten, damit den Lebensunterhalt der eigenen Familie, aber auch den allgemeinen Wohlstand erwirtschaften, immer mehr weg. Frustrierende Lehre daraus: Wer etwas leistet, wird in Deutschland bestraft. Die CSU fordert daher für kommende Legislaturperiode spürbare Steuersenkungen – für die Gegenwart wurde dies von der SPD blockiert.

Die deutsche Steuerbelastung ist auch im internationalen Vergleich aller Industriestaaten auf einem traurigen Spitzenplatz angekommen: Nach einer OECD-Studie gehen von den Lohnkosten für einen ledigen, kinderlosen Durchschnittsverdiener in Deutschland durchschnittlich 49,4 Prozent an den Staat. Auch bei einem verheirateten Alleinverdiener mit zwei Kindern beträgt die Steuer- und Abgabenlast immer noch 34 Prozent. Unter allen 35 OECD-Staaten ist die Belastung für diesen Personenkreis nur in Belgien noch höher als in Deutschland, warnt die OECD.

Steigende Sozialausgaben

Ausgabentechnisch wandert weit mehr als die Hälfte des Bundeshaushalts in soziale Belange, auch hier ein steigender Anteil: Die Summe aller Sozialausgaben wächst nach der Finanzplanung von Minister Schäuble bis 2020 auf 187 Milliarden Euro, was 57,2 Prozent des Gesamtetats der erwarteten 327 Milliarden entspricht. Allein der Arbeits- und Sozialhaushalt soll von 129,9 Milliarden (2016) auf 154,5 Milliarden (2020) wachsen. Zudem soll der Bundeszuschuss zur Rente 2020 auf über 100 Milliarden Euro steigen.

Die Sozialleistungsquote gibt an, welchen Anteil des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ein Staat für Sozialleistungen ausgibt. Diese stieg von 19 Prozent im Jahr 1950 auf heuer rund 30 Prozent, was sich seit einigen Jahren auch konstant hält. Da sich aber das BIP seit 1991 von 1579 Milliarden Euro auf 3132 Milliarden Euro im letzten Jahr fast verdoppelt hat, sind die Sozialleistungen insgesamt also gewaltig gestiegen.

Folgerungen

Aber trotz all dieser gewaltigen und gewaltig gestiegenen Ausgaben für Soziales will die SPD, also die Partei, die in den letzten 20 Jahren fast 15 Jahre das Arbeits- und Sozialministerium besetzte, noch mehr Geld dafür aufwenden.

Die Wahrheit sieht anders aus: Was verteilt wird, muss erst erwirtschaftet werden. Der Staat muss sich darum wieder auf seine Kernaufgaben konzentrieren, die Sozialausgaben reduzieren und endlich aufhören, Kindermädchen für alle Bürger zu spielen. Der zweite Punkt ist: Sozial ist, was Arbeit schafft und sichert – und diese Arbeit muss sich wieder lohnen. Die Steuerbelastung von Arbeitnehmern, Familien und Mittelschicht muss also deutlich sinken. Hier liegt das wahre Gerechtigkeitsdefizit Deutschlands.