Wahlkampf-Abschluss der CDU im Saarland (v.l.): Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer, Kanzlerin Angela Merkel, Innenminister Klaus Bouillon und Kanzleramtschef Peter Altmaier. (Foto: Imago/Becker&Bredel)
Landtagswahl

Im Saarland droht ein Linksrutsch

Obwohl die Saarländer mit ihrer großen Koalition und vor allem ihrer CDU-Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer sehr zufrieden sind, könnte demnächst Rot-Rot ins Saarbrücker Schloss einziehen: Falls rechnerisch eine Linkskoalition möglich ist, wird die Bundes-SPD massiv darauf drängen. Und auch Oskar Lafontaine will eine rote Regierung.

Eigentlich könnte alles so schön und harmonisch sein: Den gemütlichen Saarländern, die im Grunde keine Veränderung mögen und – ganz am französischen Lebensstil orientiert – vor allem Wert auf gutes Essen und Trinken legen, taugt die Arbeit der seit 2012 amtierenden großen Koalition sehr gut. In Umfragen erhalten die Landesregierung und vor allem die allseits beliebte Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) kurz vor der Landtagswahl sehr gute Bewertungen: 61 Prozent wünschen sich eine Fortsetzung der schwarz-roten Koalition, die Amtsinhaberin liegt rund 20 Punkte vor ihrer SPD-Herausforderin Anke Rehlinger.

Die Bundes-SPD sähe wegen der Signalwirkung sehr gern eine weitere rot-rote Koalition in den Ländern.

Doch nix ist fix in diesen Tagen, in denen die SPD im Schulz-Rausch taumelt und plant, im Herbst mit Rot-Rot-Grün das Kanzleramt zu stürmen. Die Bundes-SPD sähe wegen der Signalwirkung sehr gern eine weitere rot-rote Koalition in den Ländern – und daher deutet einiges darauf hin, dass die Saar-Sozis nach der Landtagswahl mit Oskar Lafontaine, dem schillerndsten Saarländer seit Erich Honecker, anbandeln könnten. Das wäre die schlechteste Möglichkeit für das Land, aber wahrscheinlich die einzige Chance für die SPD, als Herrscher ins Saarbrücker Schloss einzuziehen. Lafontaine jedenfalls, der die Aussicht vom Schlossberg über die Saar und die Stadt bereits 13 Jahre lang genießen durfte, stünde als Juniorpartner bereit: „Wir wollen eine Regierung mit der SPD“, sagte er in Bild. Und fügte gönnerhaft hinzu: „Wir wollen eine faire Zusammenarbeit auf Augenhöhe.“

Zuletzt kleiner Aufschwung für „AKK“ durch Anti-Erdogan-Entscheidung

Noch im Januar lag die Ministerpräsidentin, die an der Saar nur „AKK“ abgekürzt wird, mit ihrer CDU satte zwölf Prozentpunkte vor dem Koalitionspartner SPD. Wegen des Schulz-Hypes ist der Vorsprung laut zwei Umfragen, die Mitte März durchgeführt wurden, auf einen mageren Prozentpunkt geschrumpft: Demnach hätte Rot-Rot eine Mehrheit. Eine weitere neue INSA-Umfrage für die Bild-Zeitung verheißt einen Zwei-Punkte-Vorsprung für die CDU, der FDP den Wiedereinzug mit 5 Prozent und insgesamt ein 46-Prozent-Patt zwischen Rot-Rot und den anderen Parteien CDU, FDP und AfD.

Allerdings bleibt der Ministerpräsidentin ein kleiner Hoffnungsschimmer: Die beiden jüngsten Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF verheißen wieder einen Fünf-Punkte-Vorsprung der CDU. Hier könnte sich das mutige Auftrittsverbot gegen Erdogan und seine AKP-Epigonen positiv niedergeschlagen haben, das die Ministerpräsidentin Mitte vergangener Woche erließ. Nach beiden neuen ZDF-Umfragen darf die CDU auf 37 Prozent hoffen, die SPD käme auf 32, Lafontaines Linkspartei auf 12,5, die Grünen auf 4,5, die FDP auf 4 und die AfD auf 6 Prozent. Rot-Rot käme damit auf 44 Prozent, die potenzielle Opposition aus CDU und AfD ebenfalls. Da niemand mit der AfD koalieren will, wäre damit wohl nur eine Neuauflage der großen Koalition möglich.

Aber auch das ist sehr knapp – und wenn etwa die Grünen in den Landtag einziehen, könnte es außerdem zu Rot-Rot-Grün kommen. Es wird also sehr spannend am Sonntag. Eine Wiederwahl der Ministerpräsidentin brächte auch Angela Merkel im Bundestagswahlkampf Rückenwind. Dies vor allem, weil „AKK“ als enge Vertraute der Kanzlerin gilt und ihr sowohl in den politischen Positionen als auch im Wesen ähnelt – so sehr, dass die Bild-Zeitung Kramp-Karrenbauer „die Mini-Merkel“ nennt.

Schmerzhafte Sanierung geht auf Konto der CDU

Dabei haben die CDU-geführten Regierungen unter Peter Müller und Kramp-Karrenbauer das frühere Pleiteland trotz des Niedergangs des Bergbaus und der Stahlindustrie ganz gut saniert: Die Neuverschuldung wurde drastisch gesenkt, von 900 Millionen Euro im Jahr 2012 auf 168 Millionen 2017. Die Schuldenbremse ab 2020 kann eingehalten werden. Zusammen mit den jährlichen Bundeshilfen von 260 Millionen, die an die Einsparungen gekoppelt sind, bekommen die Landesfinanzen langsam wieder Luft. Außerdem haben CDU-Finanzminister Stephan Toscani und die Ministerpräsidentin einen großen Erfolg bei der Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen erzielt: Das Saarland erhält beim Inkrafttreten der Schuldenbremse 2020 jährlich eine halbe Milliarde Euro mehr – erstmals als unbefristete Finanzhilfebekommen.

Wie ein Gemeinwesen von der Größe von etwa zwei bayerischen Landkreisen überhaupt so viele tausend Staatsbedienstete anhäufen kann, ist eine interessante Frage.

Dazu trägt eine sehr schmerzhafte Maßnahme bei: Der „Saarländische Weg“, das ist eine Kosteneinsparung von 120 Millionen Euro jährlich durch „Verschlankung“ der Landesverwaltung um volle 2400 Stellen bis 2020. Wie ein Gemeinwesen von der Größe von etwa zwei bayerischen Landkreisen überhaupt so viele Staatsbedienstete anhäufen kann, ist eine interessante Frage. Viel problematischer allerdings ist der Ärger bei den Betroffenen, den vor allem die CDU auf sich zieht: „Ein Abweichen von diesem Ziel ist nicht möglich, da sonst an anderer Stelle Konsolidierungsbedarf entstehen würde“, hieß es einst in einer Erklärung der CDU-Fraktion dazu. „Die dabei relevanten Zahlen sind Fakt und unumstößlich.“

Trotz des wirtschaftlichen Aufstiegs macht die SPD Oppositions-Wahlkampf

Doch trotz vieler Erklär- und Dialogveranstaltungen tun so massive Einsparungen natürlich weh und hinterlassen Spuren: Die Haushaltskonsolidierung wurde zentral von der der Ministerpräsidentin und dem CDU-Finanzminister verantwortet, doch im Wahlkampf kann man mit so etwas kaum punkten. Das sei der „Fluch der guten Tat“, seufzen sie an der CDU-Basis.

Jedenfalls geht es dem Saarland wirtschaftlich gut: Den Strukturwandel nach dem Ende des Bergbaus hat man durchaus erfolgreich bewältigt. Der Anteil der Industrieproduktion an der Wirtschaftsleistung ist hoch, das Pro-Kopf-Einkommen ist überdurchschnittlich. Das Saarland hat sich zum Autoland und Exportland entwickelt: Jüngst hat Ford die Produktion ausgeweitet, viele große Zulieferer produzieren im Saarland. Außerdem gibt es im Saarland das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, in deren Umfeld die IT-Wirtschaft blüht.

Ungeachtet dessen sammelt die SPD Punkte mit dem Schulz-typischen unbestimmten Heilsversprechen, alles würde „gerechter“, wenn nur die Sozis das Sagen hätten. Auch hier dasselbe Bild wie im Bund: SPD-Kandidatin Rehlinger macht auf Opposition und tut so, als wäre sie nicht schon bisher – seit dem Abgang des chronisch erfolglosen Heiko Maas nach Berlin Ende 2013 – Ministerin für Wirtschaft und Arbeit gewesen und hätte nicht die Politik des Landes maßgeblich mitbestimmt.

SPD will mit dem Leibhaftigen anbändeln

Dass die SPD zu Machtzwecken dazu bereit ist, sich mit dem 73 Jahre alten Oskar Lafontaine einzulassen, den viele traditionelle Sozialdemokraten wegen der Spaltung der Partei für den Leibhaftigen halten, ist schon bemerkenswert. Schließlich war Lafontaine einst, als er noch das SPD-Leibchen trug, an der Saar der umjubelte Herrscher, von 1985 bis 1998 regierte er als „Zar von der Saar“ im Saarbrücker Schloss, ehe er dann als SPD-Chef und Bundesfinanzminister spektakulär zurücktrat und kurz darauf die SPD spaltete, indem er die WASG mitgründete und dann mit den SED-Erben zur Linkspartei fusionierte.

Kramp-Karrenbauer versucht auf den letzten Metern des Wahlkampfes klarzumachen, dass nur eine Stimme für die CDU Rot-Rot verhindert und die Fortsetzung der großen Koalition sichert.

Was Rot-Rot oder eventuell Rot-Rot-Grün für das Saarland angesichts der labilen Haushaltslage und der immer noch drückenden Schuldenlast bedeuten würde, lässt sich leicht erahnen: Die unbequemen Sparzwänge würden ignoriert, der öffentliche Dienst, soeben mühsam und schmerzhaft „verschlankt“, würde wieder aufgebläht, um die rot-rote Klientel zu bedienen. In der Folge würde die Bundeshilfen gestrichen, das Saarland versänke wieder im Schuldensumpf. Kramp-Karrenbauer wird auf den letzten Metern des Wahlkampfes versuchen klarzumachen, dass nur eine Stimme für die CDU Rot-Rot verhindert und die Fortsetzung der großen Koalition sichert. Allerdings ist es auch fraglich, ob der alte „Saar-Napoleon“ Lafontaine in seiner Heimat überhaupt als Schreckgespenst taugt. Es wird sehr eng.