Die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. (Bild: Imago/Chromorange)
Arbeitsmarkt

Bayern lehnt Reform der Agenda 2010 ab

Die Bayerische Staatsregierung will an der Agenda 2010 festhalten. Um Langzeitarbeitslose zu unterstützen, fordert Arbeitsministerin Emilia Müller bundesweit einen "ganzheitlichen Hilfsansatz", wie er sich derzeit im Rahmen von Modellprojekten in Bayern bewährt.

Das bayerische Kabinett hat jüngsten Vorschlägen zu Reformen der Agenda 2010 eine klare Absage erteilt. Die Agenda 2010 habe einen wesentlichen Anteil daran, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland auf einem historischen Tiefstand läge, die Langzeitarbeitslosigkeit reduziert wurde und die Jugendarbeitslosigkeit überwunden sei, sagte Arbeitsministerin Emilia Müller. Die Vorschläge des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz, die Agenda 2010 zurückzudrehen, seien daher kontraproduktiv und würden das Erreichte zunichtemachen.

Sozial und gerecht ist, was gut bezahlte und sichere Arbeitsplätze schafft.

Emilia Müller, bayerische Arbeitsministerin

Eine Reform der Agenda gehe an der Realität der Menschen vorbei. Sie liefere keine Antwort für diejenigen, die sich Sorgen um Arbeitsplätze und Zukunftsaussichten machen würden. Kritik übte die Ministerin beispielsweise am von der SPD vorgeschlagenen „Arbeitslosengeld Q“. Es gehe nicht darum, den Menschen länger Arbeitslosengeld zu zahlen. Was sie brauchten, seien Perspektiven am Arbeitsmarkt. Ein längerer Bezug des Arbeitslosengeldes senkt den Anreiz der Arbeitsaufnahme und verschlechtert damit nach Ansicht von Experten die Chancen des Wiedereinstiegs in Arbeit. Bei älteren Beschäftigten droht sogar Frühverrentung.

Unterstützung von Langzeitarbeitslosen

Auch dem vorgeschlagenen Anspruch auf Weiterbildung in der Arbeitslosenversicherung erteilte der Ministerrat eine Absage. Bezieher des Arbeitslosengeldes I seien eher kürzer arbeitslos und hätten meistens keine Qualifikationsdefizite.

Ziel muss es sein, besonders Langzeitarbeitslose bei der Wiedereingliederung besser zu unterstützen.

Emilia Müller, bayerische Arbeitsministerin

Der weitaus größere Teil der Langzeitarbeitslosen seien aber Hartz IV-Empfänger. Diese würden von dem Vorschlag nicht profitieren. Ziel sei es daher, Menschen, die bereits länger ohne Job lebten, dabei zu unterstützen wieder eine Anstellung zu finden. Dazu müssten sie von den Jobcentern umfassend betreut werden. Dabei soll die Unterstützung im Lebensumfeld ansetzen und die ganze Familie in den Blick nehmen. Eine Zusammenarbeit etwa mit dem Jugendamt ist laut Müller besonders wichtig. Erfolgsversprechende Erfahrungen haben die Mitarbeiter im Rahmen von Modellprojekten in Nürnberg und Fürth gemacht. Das zeigt sich an höheren Eingliederungsquoten im Vergleich zu anderen Regionen. Bayern fordert deshalb, den „ganzheitliche Ansatz“ auch bundesweit umzusetzen, um Langzeitarbeitslose zu unterstützen. Das sei effektiver, als ihnen einfach nur länger Arbeitslosengeld zu zahlen, sagte Müller.

Befristungsmöglichkeiten als „Brücke in den Arbeitsmarkt“

Die Arbeitsministerin sprach sich auch gegen die Abschaffung von Befristungsmöglichkeiten bei Arbeitsverhältnissen aus. Eine Befristung soll den Vorschlägen zufolge künftig nur noch mit Sachgrund möglich sein. Laut Müller gehe dieser Vorschlag an der Realität vorbei, da nach dem Stand von 2015 acht Prozent aller Arbeitsverträge in Deutschland zeitlich begrenzt seien. Außerdem helfe ein generelles Verbot der sachgrundlosen Befristung niemandem. Als Folge nennt die Ministerin weniger Arbeitsplätze und ein Ausweichen in Leiharbeit oder Minijobs. Befristete Arbeitsverträge seien meist eine tragfähige Brücke in den Arbeitsmarkt. Drei Viertel der befristet Beschäftigten werden in Bayern nach Ablauf der Befristung weiter beschäftigt, 43 Prozent werden unbefristet weiter beschäftigt.