Gibt den Erdogan-Lobbyisten Contra: Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU). (Foto: Imago/Revierfoto)
Türkei

Union kontert Erdogans Provokationen

Bundeskanzlerin Merkel reagiert weiterhin gelassen auf die Beleidigungen des türkischen Präsidenten Erdogan. Zuletzt warf dieser der Kanzlerin direkt die Unterstützung von Terroristen vor. Dafür wird die Tonlage anderer Unionspolitiker deutlich schärfer. Das Saarland will türkische Wahlkampfauftritte komplett verbieten.

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Terrorunterstützung vorgeworfen. „Verehrte Frau Merkel, Du unterstützt Terroristen“, sagte Erdogan mit Blick auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK in einem Fernsehinterview. Deutschland gehe nicht gegen die PKK vor, obwohl sie diese zur Terrororganisation erklärt habe. Auch dem deutschen „Staatsfernsehen“ warf Erdogan vor, Terrororganisationen zu unterstützen und zudem Propaganda gegen das geplante Präsidialsystem in der Türkei zu machen.

Türkei spricht von „Fake News“

Bereits vergangene Woche hatte der deutsch-türkische AKP-Abgeordnete Mustafa Yeneroglu die ARD beschuldigt, „Fake News“ zu verbreiten und die Inhalte der Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems falsch darzustellen. Darüber wird in der Türkei am 16. April in einem Referendum abgestimmt.

Was wir da hören, ist kein Zeichen von Stärke, sondern von Schwäche.

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU)

Kanzlerin Angela Merkel will sich allerdings nicht vom türkischen Staatspräsidenten provozieren lassen. Regierungssprecher Steffen Seibert bezeichnete Erdogans Vorwurf  als „erkennbar abwegig“. Die Bundeskanzlerin habe nicht die Absicht, sich am Wettlauf der Provokationen zu beteiligen. „Sie macht das nicht mit“, erklärte Seibert in Berlin. Deutlich schärfer reagierte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) auf Erdogans neue Provokation. „Was wir da hören, ist kein Zeichen von Stärke, sondern von Schwäche“, sagte er in der ARD-Sendung „Hart, aber fair“. Die Aussagen des Vizepräsidenten der AKP-Lobbytruppe „Union Europäisch-Türkischer Demokraten“ (UETD), Fatih Zingal, nannte der Innenminister „perfide“ und bestritt entschieden dessen Anspruch, für alle „Deutsch-Türken“ zu sprechen.

Innenminister befürchtet Solidarisierungseffekt

Zingal hatte zuvor eine Distanzierung von Erdogans Nazi-Vergleichen abgelehnt und stattdessen angebliche gegen die Türkei gerichtete Nazi-Vergleiche von deutschen Politikern ins Feld geführt – unter anderem von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), was de Maizière ungeheuer erboste. De Maizìère sagte, als Mensch erregten die Provokationen der türkischen Seite in ihm „Zorn“. Allerdings ersetzte das keine „kluge Politik“. „Wir dürfen diesen Provokationen aus Ankara nicht auf dem Leim gehen“, sagte de Maizière. Er lehne generelle Auftrittsverbote für AKP-Politiker in Deutschland ab, denn er fürchte die Solidarisierungseffekte in einer nationalistisch aufgeheizten Stimmung.

Innertürkische Konflikte haben in Deutschland nichts zu suchen. Wahlkampfauftritte, die den inneren Frieden in unserem Land gefährden, gehören verboten.

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Ministerpräsidentin des Saarlands

In der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“ am Sonntagabend hatte sich de Maizière grundsätzlich gegen Wahlkampfauftritte türkischer Politiker in Deutschland ausgesprochen: „Ich will das nicht. Ein türkischer Wahlkampf in Deutschland hat hier nichts verloren“, sagte de Maizière. Wie die Niederlande Einreiseverbote gegen türkische Politiker zu verhängen, „muss man klug abwägen“, sagte der Innenminister. Es gebe für solche Auftritte aber „klare Grenzen“, zum Beispiel das Strafgesetzbuch. „Wer die Bundesrepublik Deutschland oder ihre verfassungsmäßige Ordnung beschimpft und böswillig verächtlich macht, macht sich strafbar. Dort wäre spätestens eine Grenze“, sagte der Minister.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Norbert Röttgen (CDU), wies darauf hin, dass durch ein Auftrittsverbot für ausländische Hoheitsträger nicht das Recht auf Meinungsfreiheit eingeschränkt werden würde. Ein Einreiseverbot würde er aber nicht aussprechen. Röttgen warnte in der Bild-Zeitung davor, dass eine Eskalation „nicht unser Interesse ist und Erdogan nur hilft, Stimmung zu machen und zu mobilisieren“.

Kramp-Karrenbauer verbietet Wahlkampf-Auftritte

Unterdessen verbietet das Saarland als erstes deutsches Bundesland Wahlkampfauftritte ausländischer Politiker: Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) kündigte an, nach den jüngsten Diskussionen über Auftritte türkischer Minister in Deutschland und den Niederlanden werde das Saarland „alle Möglichkeiten ergreifen, solche Auftritte auf saarländischem Boden zu verbieten“. Die Landesregierung beruft sich dabei auf Paragraf 47 des Aufenthaltsgesetzes, wonach jedes Bundesland die Möglichkeit hat, die politische Betätigung von Ausländern zu untersagen, wenn das friedliche Zusammenleben von Deutschen und Ausländern gefährdet ist.

Die durch Nazi-Vergleich und Beschimpfungen hervorgerufene Stimmung darf nicht eskalieren. Ein solches strafrechtlich relevantes Verhalten können und wollen wir nicht dulden.

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Ministerpräsidentin des Saarlands

„Innertürkische Konflikte haben in Deutschland nichts zu suchen“, sagte Kramp-Karrenbauer. „Wahlkampfauftritte, die den inneren Frieden in unserem Land gefährden, gehören verboten.“ Das Aufenthaltsgesetz regle auch, dass zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ein politisch motivierter Auftritt ausländischer Regierungsvertreter eingeschränkt werden könne. Die CDU-Politikerin erklärte weiter, in der jetzigen Situation sei „jede Ebene gefordert, den inneren Frieden im Land zu wahren – Bund, Länder wie Kommunen“. Das Saarland werde dabei „nicht abwarten, bis der Bund die Fragen grundlegend regele oder gar eine EU-weite Regelung getroffen sei.

Klares Signal der Bundesländer

Das Saarland werde Paragraf 47 des Aufenthaltsgesetzes „konsequent anwenden“. „Wir im Saarland stören uns nicht an Personen, sondern an Inhalten“, so Kramp-Karrenbauer. „Unsere liberale Demokratie ist kein Hort, um für undemokratische Ziele zu werben.“ Die durch „Nazi-Vergleich und Beschimpfungen hervorgerufene Stimmung“ dürfe „nicht eskalieren“, sagte Kramp-Karrenbauer. Solche Beschimpfungen drohten bei jeder künftigen Wahlveranstaltung. „Ein solches strafrechtlich relevantes Verhalten können und wollen wir nicht dulden.“ Die Entscheidung über Wahlkampfauftritte wolle die Landesregierung nicht den Kommunen aufbürden. „Deshalb müssen wir ein klares und einheitliches Signal senden – auch für die gesamte EU. Dieses Signal sollte auch von den Bundesländern ausgehen.“