Edmund Stoiber, Ehrenvorsitzender der CSU und ehemaliger Bayerischer Ministerpräsident (Foto: BK/Nikky Maier).
Kolumne

Schulz hat außenpolitisch Porzellan zerschlagen

Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber hält dem SPD-Kanzlerkandidaten schwerwiegende Fehler im Umgang mit internationalen Partnern vor. Als Europapolitiker habe Schulz wichtige Verbündete verärgert.

Die Wahl von Donald Trump zum neuen Präsidenten ist die größte Zäsur in der amerikanischen Politik der vergangenen 70 Jahre. Aus deutscher Sicht standen die USA seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs für den Schutz vor dem aggressiven Kommunismus der Sowjetunion, für Partnerschaft und gute Handelsbeziehungen.

Abschottung statt Offenheit

Nun scheint es, als will sich Amerika unter Trump stärker aus der Weltordnung zurückziehen: Abschottung statt Offenheit ist die neue Devise der amerikanischen Politik. Gerade die Länder mit einem hohen Exportüberschuss sind im Visier von Trump. Neben China betrifft das besonders Deutschland, das im Jahr 2015 über 60 Milliarden Euro mehr in die Vereinigten Staaten exportiert als importiert hat. Bislang galt auch in Amerika: Der Bessere setzt sich durch, das bessere Auto wird gekauft. Trump scheint diesen Wettbewerb aber nicht mehr zu akzeptieren. Er will die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit amerikanischer Produkte durch politische Entscheidungen und Zölle verbessern. Die Auswirkungen wird Deutschland deutlich zu spüren bekommen.

Ich zweifle nicht an der Demokratie in den USA. Sie ist stark genug, um auch einen Trump auszuhalten.

Edmund Stoiber

Allerdings ist es politisch extrem leichtfertig, Donald Trump als Hassprediger, oder, wie es der Kanzlerkandidat der SPD Martin Schulz getan hat, als „verantwortungslos“, „hochgradig demokratiegefährdend“ und als „Problem für die ganze Welt“ zu beschimpfen. Damit wird viel außenpolitisches Porzellan zerschlagen und der hierzulande latent vorhandene Anti-Amerikanismus gefördert. Ich zweifle nicht an der Demokratie in den USA. Sie ist stark genug, um auch einen Trump auszuhalten. Schließlich haben die Amerikaner den Deutschen geholfen, eine stabile Demokratie aufzubauen. Wir müssen jetzt alles daran setzen, mit unseren amerikanischen Freunden zu vernünftigen Vereinbarungen zu kommen, gerade in der Handels- und Sicherheitspolitik. Das ist eine große Herausforderung und Aufgabe. Ich traue das Angela Merkel absolut zu, Martin Schulz aber nicht. Es ist ein gutes Signal, dass nach Verteidigungsminister Mattis und Außenminister Tillerson nun auch Präsident Trump die hohe Bedeutung der NATO richtig einzuschätzen weiß.

In einem handelspolitischen Konflikt allein mit Deutschland säßen die USA – bei allem wirtschaftlichen Schaden für sich selbst – am längeren Hebel.

Edmund Stoiber

Klar ist aber: In einem handelspolitischen Konflikt allein mit Deutschland säßen die USA – bei allem wirtschaftlichen Schaden für sich selbst – am längeren Hebel. Eine Auseinandersetzung mit Europa könnten sie allerdings nicht gewinnen. Der europäische Binnenmarkt ist der stärkste und wichtigste Markt der Welt, selbst ohne Großbritannien. Die Marktmacht der europäischen Wirtschaft und der Verbraucher muss auch von Amerika akzeptiert werden. Die EU kann deshalb selbstbewusst auftreten und muss die gemeinsamen Interessen in der Wirtschaftspolitik nachhaltig verteidigen.

Deutschland braucht Europa

In dieser herausfordernden Situation ist Deutschland also mehr denn je auf Europa angewiesen. Deutschland hat sich allerdings in den letzten Jahren bei den anderen europäischen Staaten nicht sonderlich beliebt gemacht. Gerade in der Flüchtlingspolitik stand Deutschland lange Zeit gegen den Rest Europas, auch wenn die deutsche Willkommenskultur mittlerweile beendet wurde. Der renommierte Historiker Heinrich August Winkler hat Recht, wenn er sagt, dass wir kein deutsches Europa bekommen werden, auch nicht auf dem Gebiet des Asylrechts.

Ein weiteres Ärgernis ist wie für Trump auch für die EU der hohe deutsche Leistungsbilanzüberschuss, der ganz wesentlich auf die Exportstärke der deutschen Unternehmen zurückzuführen ist und mittlerweile rund 8,5 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts beträgt. Die Europäische Kommission hält einen Überschuss der Leistungsbilanz von maximal 6 Prozent für akzeptabel. Aus diesem Grund wird Deutschland von der EU immer wieder aufgefordert, die Binnennachfrage durch Investitionen im Inland oder Lohnerhöhungen zu stärken, anstatt von einem Exportrekord zum nächsten zu eilen.

Unter Rot-Rot-Grün drohen neue Konflikte

Ich halte diese Forderung für unberechtigt, weil der deutsche Exportüberschuss auf den wettbewerbsfähigen und innovativen deutschen Produkten basiert und nicht auf ungerechtfertigten Vorteilen etwa durch den schwachen Euro. Allerdings ist Deutschland als ein Hauptprofiteur der EU gut beraten, seinen europäischen Partnern an anderer Stelle entgegenzukommen. Deutschland darf Europa nicht nur unter einem deutschen Blickwinkel beurteilen, sondern muss auch die Fähigkeit zum Kompromiss zeigen. Das gilt vor allem in der Zuwanderungspolitik. Während alle anderen europäischen Länder die Flüchtlingszahlen strikt begrenzen wollen – mit dieser Meinung sind sie in guter Gesellschaft der CSU –, würde sich eine SPD-geführte rot-rot-grüne Bundesregierung von diesem europäischen Konsens weiter entfernen. Ergebnis wären neue massive Konflikte mit dem Rest Europas.

Was wir im deutschen und europäischen Interesse jetzt brauchen, ist besonnenes Handeln statt emotionaler Ausbrüche oder das Ausleben von Rachegefühlen!

Edmund Stoiber

Martin Schulz hat als Präsident des Europaparlaments genau diese, von fast allen europäischen Ländern abgelehnte flüchtlingspolitische Position vertreten und auch sonst alles getan, um wichtige europäische Verbündete zu verärgern. Hinter seiner Forderung nach mehr europäischer Solidarität in der Flüchtlingspolitik steht sein Willen, „unbotmäßige“ Länder wie Ungarn oder Polen notfalls auch finanziell zu bestrafen. Das mag emotional nachvollziehbar sein, politisch klug ist es nicht. Es wundert nicht, dass sich der deutschlandkritische Parteivorsitzende der polnischen Regierungspartei PiS, Jaroslaw Kaczynski, offen für die Wiederwahl von Angela Merkel und mit klaren Worten gegen Martin Schulz ausspricht. Auch die Forderung von Schulz nach einer Umgestaltung der EU-Kommission zu einer „echten europäischen Regierung“ beziehungsweise der Installierung eines Eurozonen-Finanzministers wird auf wenig Gegenliebe bei vielen anderen europäischen Staaten stoßen, zumindest bei den Staaten mit soliden Haushalten.

Unhaltbare Position

Nicht haltbar ist auch die kompromisslose Position, die Martin Schulz nach dem „Brexit“-Referendum gegenüber Großbritannien vertreten hat. Schon am Tag nach der Entscheidung der Briten forderte er den schnellstmöglichen Rausschmiss des Landes aus der EU. Dabei ist Großbritannien nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner Deutschlands. Sollte das Land aus dem Binnenmarkt ausscheiden und auch kein Freihandelsabkommen zustande kommen, sind die potentiellen Verluste auf beiden Seiten enorm hoch. Was wir im deutschen und europäischen Interesse jetzt brauchen, ist besonnenes Handeln statt emotionaler Ausbrüche oder das Ausleben von Rachegefühlen!

Ich sage deutlich: Europäische Solidarität ja, europäische Transferunion nein!

Edmund Stoiber

Keine Kompromisse darf es allerdings bei der Stabilität der gemeinsamen Währung geben. Auch hier steht Martin Schulz auf der falschen Seite. Die von ihm befürwortete europäische Einlagensicherung – dass also deutsche Sparer im Ergebnis für die Schieflage italienischer Banken geradestehen müssen –, eine „flexible“ Auslegung des Stabilitätspakts, Schuldenerleichterungen für Griechenland oder eine europäische Arbeitslosenversicherung würden letztlich vor allem von den deutschen Sparern, Beitrags- und Steuerzahlern finanziert werden. Ich sage deutlich: Europäische Solidarität ja, europäische Transferunion nein! Wenn andere Länder Schulden machen und über ihre Verhältnisse leben, wollen wir dafür nicht einstehen. Wir dürfen weder die schwachen Länder im Stich lassen noch die starken Länder überfordern. Dazu müssen wir mit den Worten von Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke „Europa zurückschneiden, damit wieder frisches Grün sprießen kann“. Grundlage Europas und für die Identität der Menschen wichtigste Einheiten sind die Nationalstaaten.

Nicht mehr, sondern ein besseres Europa

Dort, wo die EU einen echten Mehrwert hat, brauchen wir mehr Europa: bei der Stärkung des Binnenmarkts, beim Schutz der EU-Außengrenzen, bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus und bei der Begrenzung der Zuwanderung. In allen anderen Bereichen müssen wir eher „zurückschneiden“. Eine europäische Wirtschaftsregierung oder eine Transferunion ist für den Zusammenhalt in Europa auf jeden Fall schädlich.