Einer der Abschnitte mit zu hoher NO2-Belastung: Die Landshuter Allee in München. (Bild: Imago/HRSchulz)
Urteil

Kommt auch in Bayern das Dieselverbot?

Der Freistaat bekommt nach einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mehr Zeit im Kampf für bessere Luft in München. Bis Ende des Jahres muss er nun ein vollzugsfähiges Konzept vorlegen, in dem etwa Verkehrsverbote für Dieselfahrzeuge vorgesehen sind – ansonsten droht ein Zwangsgeld von 4000 Euro.

Das geht aus einem Beschluss vom 27. Februar hervor, den das Gericht am Mittwoch veröffentlichte und gegen den es kein Rechtsmittel gibt. Der Senat wies aber darauf hin, dass dem Erlass von Fahrverboten wohl rechtliche Hürden im Hinblick auf die Straßenverkehrsordnung entgegenstünden – also Bundesgesetzgebung.

Die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) sind in der bayerischen Landeshauptstadt alljährlich an zwei verkehrsreichen Stellen überschritten: der Landshuter Allee und dem Stachus. 2012 hatte das Verwaltungsgericht München den Freistaat Bayern auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) hin verpflichtet, schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen. Die Frist lag damals bei Ende Juni dieses Jahres. Auch ein Zwangsgeld wurde Mitte 2016 in einem weiteren Urteil angedroht. Dagegen hat der Freistaat Beschwerde eingelegt. Darum landete der Streit beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (BayVGH).

Androhung von Zwangsgeld

Mit dem jetzt bekannt gewordenem Beschluss vom 27. Februar 2017 hat der BayVGH die Androhung des Zwangsgelds in Höhe von 10.000 Euro abgeändert. Der BayVGH hält auch keine gesonderten Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung der Immissionsgrenzwerte für Feinstaub mehr für geboten. Der Grund: Die Feinstaub-Grenzwerte wurden schon seit längerem eingehalten – nicht jedoch die NO2-Werte.

Für viele Betriebe ist eine kurzfristige Flottenmodernisierung nicht finanzierbar..

Bertram Brossardt, vbw Hauptgeschäftsführer

In Bezug auf die schnellstmögliche Einhaltung des Immissionsgrenzwerts (Jahresmittelwerts) für NO2 traf der BayVGH in seinem Beschluss deshalb folgende Regelungen:

  • •Ein Zwangsgeld in Höhe von 2000 Euro wird für den Fall angedroht, dass der Beklagte nicht bis zum Ablauf des 29. Juni ein vollständiges Verzeichnis aller Straßen(abschnitte) in München öffentlich macht, an denen der Immissionsgrenzwert für Stickstoffdioxid aktuell überschritten wird.
  • •Ein Zwangsgeld in Höhe von 4000 Euro wird für den Fall angedroht, dass der Beklagte nicht bis zum Ablauf des 31. August bekannt macht, dass Verkehrsverbote für Diesel-Fahrzeuge in Bezug auf aufzulistende Straßen(abschnitte) in den Luftreinhalteplan aufgenommen werden sollen. Außerdem müssen zeitliche und sachliche Einschränkungen sowie Ausnahmen für diese Verkehrsverbote bekannt gemacht werden.
  • •Ein Zwangsgeld in Höhe von 4000 Euro wird für den Fall angedroht, dass der Beklagte nicht bis zum Ablauf des 31. Dezember ein vollzugsfähiges Konzept zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans veröffentlicht. Darin müssen alle Regelungen über Verkehrsverbote für Diesel-Fahrzeuge enthalten sein.

Noch kein Dieselverbot

Bereits in der mündlichen Verhandlung vom 16. Februar 2017 hatte der Senat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass für die Einhaltung des festgesetzten Immissionsgrenzwerts für Stickstoffdioxid ein Einstieg in Fahrverbote für Dieselfahrzeuge unerlässlich erscheine – dem Erlass diesbezüglicher Fahrverbote jedoch wohl noch rechtliche Hürden im Hinblick auf die derzeitige Fassung der Straßenverkehrsordnung entgegen stünden, also Bundesrecht. Ob das Verbot für alle Diesel gilt oder die neusten Diesel der „Euro 6“-Norm davon ausgenommen blieben, müsste ebenfalls noch geklärt werden. So dürfen in Stuttgart ab 2018 Dieselfahrzeuge, die die strenge Euronorm 6 nicht erfüllen, an Tagen mit schlechter Luftqualität nicht mehr in die Innenstadt. Saubere Diesel-Fahrzeuge könnten dann ebenfalls die blaue Plakette bekommen, für die der Bund die rechtlichen Grundlagen schaffen müsste. Auch das scheint aber fraglich: So warnte Alexander Kreipl vom ADAC Südbayern in der tz: „Wir haben Fahrzeuge mit Euronorm 6 getestet, die hatten schlechtere Abgaswerte als Fahrzeuge mit Euronorm 5.“

Vor diesem Hintergrund verpflichtet der BayVGH den beklagten Freistaat in seinem aktuellen Beschluss nicht bereits zur Aufnahme von Fahrverboten für Dieselfahrzeuge in den Luftreinhalteplan, jedoch zur konkreten und zeitnahen Vorbereitung diesbezüglicher Maßnahmen. Die schriftlichen Entscheidungsgründe werden in den nächsten Wochen erwartet.

Wirtschaft gegen Dieselverbot

Die vbw – Vereinigung der bayerischen Wirtschaft e. V. – warnt in diesem Zusammenhang vor Fahrverboten. „Es gibt bessere und schneller wirkende Maßnahmen, um die Luftqualität in unseren Städten zu verbessern“, sagt vbw Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt. „Ein Diesel-Einfahrverbot, wie es nach aktuellem Stand für die Stadt München nicht auszuschließen wäre, schadet der bayerischen Wirtschaft. Für viele Betriebe ist eine kurzfristige Flottenmodernisierung nicht finanzierbar. Auch der Gebrauchtwagenmarkt wäre negativ betroffen: Niemand ist bereit, Autos zu erwerben, die nicht in die Innenstädte dürfen.“

Wir brauchen nun zügig eine Regelung für die ‚blaue Plakette‘ durch den Bund.

Deutscher Städtetag

Stattdessen müssten Kommunen den Verkehrsfluss und die Stauvermeidung mittels „Grüner Wellen“ verbessern. „Wenn der Verkehr flüssiger läuft, senkt das die Stickoxidbelastung erheblich“, erklärte Brossardt. „Eine intelligente Verkehrssteuerung und Parkplatzbelegung über Mobilitäts-Apps mit Echtzeit-Daten werden die innerstädtische Mobilität nachhaltig erleichtern und dabei automatisch dafür sorgen, dass weniger Schadstoffe ausgestoßen werden.“

Städtetag fordert blaue Plakette

Der Deutsche Städtetag rechnet jedoch damit, dass sich in absehbarer Zeit auch in einigen weiteren deutschen Großstädten begrenzte Fahrverbote für Dieselfahrzeuge nicht mehr abwenden lassen – zumal auch Klagen gegen andere Städte laufen. „Wir brauchen nun zügig eine Regelung für die ‚blaue Plakette‘ durch den Bund, um die nötigen Kontrollen von Fahrverboten zu erleichtern und den Einsatz emissionsarmer Dieselfahrzeuge zu fördern. Da muss auch die Autoindustrie liefern“, so eine Mitteilung des Städtetages. Das Urteil zeige das Dilemma der Städte. Einerseits seien sie dem Gesundheitsschutz ihrer Bürger verpflichtet. Andererseits wollten und könnten sie Dieselautos nicht gänzlich aus den Innenstädten fernhalten, ohne die Städte lahmzulegen. Darum brauche es im Fall von Fahrverboten klar geregelte Ausnahmen, beispielsweise für notwendige Lieferverkehre, Rettungswagen oder Taxis. Nötig sei auch ein Förderprogramm, um den öffentlichen Nahverkehr, besonders die Busflotten, auf umweltfreundliche Antriebe umzurüsten. Die Städte erwarten außerdem von den Automobilherstellern, dass die Fahrzeuge die Grenzwerte in Zukunft tatsächlich im Echtbetrieb einhalten.