Die Betreuung von knapp 62.000 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF) – davon 90 Prozent männlich – wird den deutschen Staat 2017 rund vier Milliarden Euro kosten. Hier ein Schwimmkurs für UMF mit deutscher Schwimmlehrerin in Bad Homburg. (Foto: imago/Michael Schick)
Asyl

Missbrauch bei minderjährigen Flüchtlingen

Vier Milliarden Euro pro Jahr kostet die umfassende Betreuung von Unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlingen (UMF) pro Jahr – zu viel, meinen Unionspolitiker. Sie fordern stärkere Bemühungen, die Eltern der UMF zu finden. Derweil meldet der Verfassungsschutz 1600 radikale Islamisten in Deutschland, davon 570 Terror-„Gefährder“.

Die Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (UMF) wird im laufenden Jahr fast vier Milliarden Euro kosten. Die Kinder- und Jugendhilfe betreute zum Stichtag 9. Februar 61.893 Unbegleitete – darunter 16.664 junge Volljährige, wie die Welt unter Berufung unter das Bundesfamilienministerium schreibt. Das Bundesverwaltungsamt hat für sie einen durchschnittlichen Kostentagessatz von 175 Euro pro Kopf ermittelt, also 5250 Euro monatlich. 90 Prozent der UMF in Deutschland sind männlichen Geschlechts.

Wenn der Unbegleitete aus Afghanistan oder Afrika kommt, bringen wir ihn zum Jugendamt und bereiten ihn mit großem Aufwand für die dauerhafte Einwanderung vor, selbst wenn der Jugendliche jeden Abend mit seiner Familie telefoniert. Der faktische Abschiebestopp für unbegleitete Minderjährige ist nicht länger zu vermitteln.

Michael Kretschmer (CDU), stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag

Dieser Betrag enthält sowohl die Kosten der Inobhutnahme als auch die Hilfen zur Erziehung. Stagniert die Zahl der Unbegleiteten auf dem aktuellen Niveau, ergibt sich also ein Betrag von 3,95 Milliarden Euro für das laufende Jahr. Trotz der vergleichsweise hohen Straffälligkeit in dieser Altersgruppe wurde im Jahr 2016 kein einziger Unbegleiteter abgeschoben, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei hervorgeht.

CDU fordert, Eltern ausfindig zu machen

In der Welt fordert Michael Kretschmer (CDU), Fraktionsvize der Union im Bundestag, dies zu ändern: „Wenn in Deutschland elternlose Minderjährige aus Polen oder Frankreich aufgegriffen werden, wird die Familie ausfindig gemacht, und sie werden zurück zu ihren Eltern gebracht. Wenn der Unbegleitete aber aus Afghanistan oder Afrika kommt, bringen wir ihn zum Jugendamt und bereiten ihn mit großem Aufwand für die dauerhafte Einwanderung vor, selbst wenn der Jugendliche jeden Abend mit seiner Familie telefoniert.“

Die Behörden sollten auch „mit Hilfe der Mobilfunkdaten versuchen, die Eltern ausfindig zu machen, um wenigstens einige Unbegleitete abschieben zu können“, sagte Kretschmer in der Welt. Der „faktische Abschiebestopp für unbegleitete Minderjährige“ sei auch angesichts der hohen Kosten nicht länger zu vermitteln, so der Unions-Fraktionsvize.

2015 kamen 70 mal mehr UMF als 2005

Weder 2016 noch 2015 erfolgten Abschiebungen von UMF. Das Aufenthaltsgesetz verlangt von den Behörden, sicherzustellen, dass der Jugendliche im Zielland den Eltern oder geeigneten Jugendhilfe-Einrichtungen übergeben wird. 2016 wurden allerdings laut Welt 649 Unbegleitete an der Grenze zurückgewiesen oder zurückgeschoben – dies ist zum Beispiel möglich, wenn der Betreffende bereits in einem anderen europäischen Staat registriert wurde.

Nach Angaben des Statistischen Bundesamts steigen seit 2005 die Inobhutnahmen nach Angaben des Statistischen Bundesamts von unbegleitet eingereisten Ausländern jedes Jahr drastisch an – von damals 602 auf 42.309 im Jahr 2015. Die Zahl für 2016 wird die Wiesbadener Behörde erst im August bekannt geben, weil die Bundesländer die Daten noch aus Hunderten von Ausländerbehörden zusammentragen müssen.

Nur ein Teil stellt überhaupt Asylantrag

Problematisch ist, dass nicht alle der zu 90 Prozent männlichen Unbegleiteten einen Asylantrag stellen. Die Welt schreibt weiter unter Berufung auf Zahlen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF), dass 2015 etwa 22.300 einen Asylantrag stellten, 2016 waren es 36.000. Davon stammten etwa 7500 Anträge von Unbegleiteten, die bereits 2015 eingereist waren und demnach „erst 2016 ins System aufgenommen“ wurden. „Vergleicht man die Zahl der Inobhutnahmen unbegleiteter Minderjähriger mit der Anzahl der von ihnen gestellten Asylanträge, so wird deutlich, dass ein relevanter Anteil dieser Kinder und Jugendlichen auf einen Asylantrag verzichtet und sie – beziehungsweise ihre gesetzlichen Vertreter – einen anderen aufenthaltsrechtlichen Weg suchen“, teilte das BAMF der Welt mit.

Besonders Jugendliche aus Herkunftsländern mit geringer Anerkennungsquote, etwa aus Nordafrika, stellen demnach häufig keine Asylanträge. Unter den unbegleiteten Asylantragstellern waren 2016 rund 42 Prozent Afghanen, wie die Bundesregierung auf Anfrage der Grünen berichtete. Die Schutzquote (Flüchtlingsschutz inklusive Asyl, Subsidiär- und Abschiebeschutz) lag bei 71 Prozent. Insgesamt lag sie demnach unter allen 9300 Entscheidungen bei 89 Prozent. Der Antwort zufolge waren zum Jahreswechsel knapp 35.000 Asylverfahren von Unbegleiteten anhängig.

Wie viele sind wirklich minderjährig?

Eine weitere Möglichkeit wäre, zu überprüfen, welche der offiziell betreuten UMF tatsächlich minderjährig sind. Einmal gibt es laut Familienministerium 16.664 junge Volljährige, die über das 18. Lebensjahr hinaus in der Jugendhilfe bleiben – weil Sozialarbeiter und Jugendämter einen besonderen Bedarf feststellen. Zum anderen gelingt es vielen jungen Schutzsuchenden, ihr wahres Alter zu verschleiern. Nach den offiziellen Angaben sind rund 70 Prozent der UMF mindestens 16 Jahre alt. Doch all diese Altersangaben sind unsicher.

So fehlen, wie die Welt schreibt, bei den meisten Neuankömmlingen unbedenkliche Dokumente zur Überprüfung der Identitäts- und Altersbehauptung. In Deutschland wird das Alter meist nur durch die sogenannte Inaugenscheinnahme durch die Jugendämter festgestellt. Daher tragen viele der UMF das Geburtsdatum 1. Januar. Medizinische Überprüfungen, mit denen ein Mindestalter festgestellt werden könnte, wie in Österreich üblich, werden in Deutschland aus Rücksicht auf die UMF fast gar nicht durchgeführt. Das wären etwa radiologische Untersuchungen der Handwurzel oder des Schlüsselbeins.

Flüchtlinge vor Gericht

Ein besonderes Exemplar dieser minderjährigen Flüchtlinge steht seit dieser Woche wegen Terrorverdachts vor dem Landgericht Köln. Der 16 Jahre alte Syrer war im September 2016 in einer Kölner Flüchtlingsunterkunft von einer Spezialeinheit der Polizei festgenommen worden. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der 16-Jährige einen Sprengstoffanschlag geplant hat. Er soll von einem ausländischen Chatpartner mit IS-Bezügen konkrete Anweisungen zum Bau einer Bombe erhalten haben. Zudem fand die Polizei bei ihm einen Batterieträger mit heraushängenden Drähten, ein Paket mit 70 Nähnadeln und Butangas-Kartuschen. Damit verfügte er laut Anklage über Materialien, aus denen er jederzeit Sprengsätze hätte bauen können.

Zu den am ersten Tag vernommenen Zeugen gehörte der Vater des Angeklagten, ein syrischer Kaufmann, der nach eigenen Angaben der Opposition gegen den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad angehört. Gegen Assad kämpfen neben laizistischen Gruppen und Kurden auch radikale sunnitische Islamisten und die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). In den vergangenen Wochen war der 16-Jährige in einer psychiatrischen Klinik untergebracht. Nach Angaben seines Anwalts legen mittlerweile aber mehrere Stellungnahmen nahe, dass er nicht psychisch krank ist.

Mutmaßlicher Sexualmörder von Freiburg ist eher 22 statt 17 Jahre alt

Ein Fall eines Flüchtlings, der sich als Minderjähriger ausgab, sorgt ebenfalls für Aufsehen. Die Behörden gehen nämlich mittlerweile davon aus, dass der mutmaßliche Sexualmörder einer Studentin in Freiburg zur Tatzeit mindestens 22 Jahre alt war. Daher wird der tatverdächtige Hussein K. voraussichtlich nach Erwachsenenstrafrecht angeklagt, nach dem ihm eine lebenslange Freiheitsstrafe droht. Nach Jugendstrafrecht wären höchstens zehn Jahre Haft möglich. Das von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebene Altersgutachten lege nahe, dass er zur Tatzeit mindestens 22 Jahre alt war und nicht, wie von ihm angegeben, 17 Jahre alt, teilte die Behörde mit. Hussein K. wird vorgeworfen, im Oktober 2016 in Freiburg eine 19 Jahre alte Studentin vergewaltigt und ermordet zu haben. Aufsehen erregte damals die ARD-Tagesschau, weil sie die Festnahme des tatverdächtigen Flüchtlings nicht meldete (der BAYERNKURIER berichtete). Hussein K. war nach Angaben deutscher Behörden im November 2015 ohne Papiere nach Deutschland gekommen. Er gab hier an, 17 Jahre alt zu sein und aus Afghanistan zu stammen. Wegen einer Gewalttat an einer jungen Frau 2013 war er schon in Griechenland zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt, im Oktober 2015 aber unverständlicherweise vorzeitig gegen Auflagen entlassen worden. Kurze Zeit später tauchte er unter und kam als Flüchtling nach Deutschland.

Ebenfalls diese Woche begann in Wien der Prozess gegen neun Iraker, die in der Silvesternacht 2015/16 eine 29 Jahre alte deutsche Lehrerin verschleppt und stundenlang vergewaltigt haben sollen. Das berichtet die österreichische Internetzeitung heute.at. Das Opfer ist seitdem schwer traumatisiert. Den Tätern, die zwischen 23 und 47 Jahre als sind, drohen bis zu 15 Jahre Haft.