In vielen Bereichen ist Nordrhein-Westfalen unter Rot-Grün weit zurückgefallen, etwa in der Wirtschaftsentwicklung und der Inneren Sicherheit. Die CDU will das grundlegend ändern. (Foto: Imago/Eibner)
NRW

„Wir wollen nicht immer Schlusslicht sein!“

Die CDU Nordrhein-Westfalen setzt große Hoffnungen in die Landtagswahl am 14. Mai: Nicht nur in eigener Sache – die Christdemokraten wollen ja wieder die Regierung übernehmen. Vor allem aber will die CDU das Land aus der Verlierer-Ecke herausholen, in das es Rot-Grün manövriert hat. In vielen Punkten ist Bayern Vorbild.

Das Urteil fiel geradezu vernichtend aus: Vor einer „ernüchternden und besorgniserregenden“ Wirtschaftslage in Nordrhein-Westfalen warnte das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln. Es gebe kaum wirtschaftliche Dynamik, eine sehr hohe Arbeitslosigkeit und einen höheren Schuldenberg als in jedem anderen Bundesland, sagte IW-Volkswirt Tobias Hentze bei der Vorlage eines Gutachtens zur Wirtschaftslage in NRW Ende 2016. Im Einzelnen heißt es im Gutachten:

Eine über Jahre betrachtet schwache wirtschaftliche Dynamik, eine höhere Arbeitslosigkeit als jedes andere westdeutsche Flächenland und der mit Abstand höchste Schuldenberg aller Bundesländer illustrieren den Handlungsdruck für die Politik.

IW-Gutachten zu NRW

Gehandelt werden müsse vor allem bei der Infrastruktur. „Das betrifft sowohl den Verkehr, den Straßenbau, als auch die digitale Infrastruktur, den Breitbandausbau und die Bildungspolitik“, so IW-Volkswirt Hentze. Die Politik müsse mehr für Schulen und Universitäten und den Bildungstransfer tun, damit Existenzgründungen funktionierten. Im Gegenzug müssten bürokratische Hemmnisse abgebaut werden. Hentze betonte: „Wir sehen in NRW eine sehr starke Regulierung. Viele Maßnahmen gehen über den Standard in anderen Bundesländern hinaus. Das dämpft wirtschaftliche Dynamik.“ Nordrhein-Westfalen habe zwar mit dem Strukturwandel eine große Aufgabe zu bewältigen. Der Wandel schreite aber zu langsam voran.

Deutlicher kann eine Watschn für schlechte Politik einer Landesregierung kaum ausfallen.

Raus aus der rot-grünen Verlierer-Ecke

Genau aus dieser Verlierer-Ecke, in die die Regierung aus SPD und Grünen Nordrhein-Westfalen manövriert haben, will die CDU das bevölkerungsreichste Bundesland wieder herausholen – und sogar an die Spitze aller Länder führen. Das erklärte CDU-Landeschef und Spitzenkandidat Armit Laschet bei der Vorlage des CDU-Wahlprogramms für die Landtagswahl am 14. Mai. Vor allem mit den Themen Sicherheit, Wirtschaftskraft und Bildung will die CDU die Stimmen der Wähler gewinnen, so Laschet. Das Wahlprogramm unter der Überschrift „Zuhören. Entscheiden. Handeln“ soll am 1. April von einem Parteitag beschlossen werden.

Laschet ist sich sicher, dass das Comeback des Landes gelingen kann – Vorbedingung muss allerdings ein Regierungswechsel sein. Bis Ende Januar 2017 lag die CDU in Umfragen praktisch gleichauf mit der SPD von Ministerpräsidentin Kraft, bei manchen Umfragen 2016 hatten die Christdemokraten sogar leicht die Nase vorn. Erst seit der Ausrufung des aus NRW stammenden Martin Schulz zum SPD-Kanzlerkandidaten wendete sich das Blatt, in der jüngsten Umfrage (Infratest-dimap für den WDR) kommt die SPD auf 37 Prozent, die CDU nur auf 30 Prozent. Der Zwischenstand sei „in der Tat schwierig“, sagte Laschet der Rheinischen Post. Allerdings profitiere die SPD im Moment beinah ausschließlich von der Berufung von Schulz. In jedem Fall hat Rot-Grün seit Monaten in den Umfragen keine Mehrheit mehr – auch mit „Schulz-Effekt“ nicht.

Innere Sicherheit und Wirtschaftsaufschwung

Die CDU will, sofern sie die Wahl gewinnt, die Gefahr, Opfer eines Einbruchs zu werden – die in NRW sechsmal höher ist als in Bayern – drastisch senken: Einmal durch den Einsatz des softwaregestützten Werkzeugs „Predictive Policing“, das Tatmuster vorhersagen kann und das in Bayern schon seit Jahren im Einsatz ist. Schleierfahndung, also verdachtsunabhängige Kontrollen, soll auch in NRW ermöglicht werden. Zu „null Toleranz gegen Kriminelle“ gehöre auch ein entschiedenes Vorgehen gegen Rockerbanden und kriminelle Familienclans, die einige Großstadt-Bezirke zu „No-Go-Areas“ machten. Dem islamistischen Terrorismus will die CDU „entschlossen entgegentreten“. SPD-Innenminister Jäger trägt nach Überzeugung der CDU einen Großteil der Verantwortung dafür, dass der Berlin-Terrorist Anis Amri nicht frühzeitig abgeschoben wurde.

Wir wollen weg von den letzten Plätzen. Wir wollen Spitzenreiter und nicht immer Schlusslicht sein.

Armin Laschet, CDU-Spitzenkandidat NRW

In Sachen Wirtschaftsförderung will die CDU zunächst eine Entbürokratisierung einleiten. „Tausende Vorgaben“ allein aus dem Umweltministerium des Grünen Johannes Remmel behinderten das Wirtschaftswachstum, so Laschet. Familien- und Traditionsunternehmen solle es erleichtert werden, in ihrer direkten Umgebung zu expandieren. Genehmigungsverfahren will die CDU beschleunigen. Das „überflüssige“ NRW-Klimaschutzgesetz werde abgeschafft. Angesichts einer Gesamtverschuldung des Landes von 144 Milliarden Euro würden alle Ausgaben und Aufgaben auf den Prüfstand gestellt, kündigte Laschet an.

Moderne Infrastruktur und starke Bildungspolitik

In der Bildungspolitik kritisiert Laschet, das Ärgernis-Thema Unterrichtsausfall an Schulen sei unter Rot-Grün vernachlässigt worden. Jede Schule solle künftig mit computergestützten Programmen den Ausfall messen und melden, ein Vertretungspool soll Abhilfe schaffen. Die CDU will das Abitur nach acht Jahren Gymnasium (G8) erhalten, den Schulen aber auch ein „echtes G9“ ermöglichen. Inklusion dürfe nicht weiter mit der „Brechstange“ betrieben werden. Bis die Bedingungen für das Gelingen eines gemeinsamen Unterrichts für Kinder mit und ohne Behinderung stimmen, will die CDU dafür sorgen, dass keine Förderschule mehr geschlossen wird.

Eine leistungsfähige Infrastruktur, betonte Laschet, sei zentral auch für die Wirtschaftsentwicklung. Dem enormen Stauaufkommen soll mit der Modernisierung maroder Straßen, Lückenschlüssen und besserem Baustellenmanagement entgegengesteuert werden. NRW müsse zudem „digitaler Vorreiter in Deutschland“ werden. Gegenüber der Rheinischen Post kündigte er an, ein eigenes Ministerium zur Verbesserung der Digitalisierung in NRW gründen. Das neue Ministerium soll sich „darauf konzentrieren, eine funktionierende Kommunikation zwischen allen Verwaltungsebenen zu gewährleisten sowie für die Bündelung, Harmonisierung und Optimierung bereits bestehender Systeme verantwortlich sein“. So sollen die Bürger Verwaltungsanliegen wie Autozulassungen oder Steuererklärungen bequemer erledigen können und von neuen Bürger-Online-Diensten profitieren.

Außerdem will die CDU die Familienpolitik aus ihrem „Schattendasein“ unter Rot-Grün wieder in den Mittelpunkt rücken. Laschet kündigt ein Familienförderungsgesetz an. Um die Gesundheitsversorgung auf dem Land zu sichern und dem Ärztemangel entgegenzuwirken, plant die CDU mehr Medizin-Studienplätze.

Schuld ist das „Kraft-lose“ Rot-Grün

Schon im Juni letzten Jahres auf dem Landesparteitag in Aachen hatte Laschet mit einer kämpferischen Rede auf die Landtagswahl eingestimmt: „Wir wollen weg von den letzten Plätzen. Wir wollen Spitzenreiter und nicht immer Schlusslicht sein. Wir wollen Potenziale nutzen und Chancen ergreifen, um Nordrhein-Westfalen wieder stark zu machen und nach vorne zu bringen.“ Die Landesregierung weise sämtliche Verantwortung von sich und suche die Gründe in Wirtschaftskrisen anderer Länder oder dem Strukturwandel. Laschet widersprach und erklärte, dass ein großer Teil der Probleme hausgemacht sei.

Als Gründe nannte Laschet schon damals die überbordende Bürokratie – etwa das neue Hochschulgesetz, das Landesnaturschutzgesetz, das Landeswassergesetz und der Landesentwicklungsplan – und mangelnde Initiative für mehr Wachstum und Beschäftigung. Die rot-grüne Landesregierung habe resigniert, sei ohne Plan und Konzept, um das Land wieder voran zu bringen. Die Folgen trage jeder Einzelne, besonders aber Kinder, die in Armut aufwachsen, weil ihre Eltern keine Arbeit finden. Es könne auch nicht sein, dass Kinder in Nordrhein-Westfalen am Ende ihrer Grundschulzeit im Schnitt ein halbes Jahr weniger Unterricht hätten als Schüler in Bayern: „Jede ausgefallene Stunde Unterricht ist ein Anschlag auf die Zukunft unserer Kinder!“, betonte Laschet auf dem Parteitag. Nordrhein-Westfalen sei bei der Kriminalität einsame Spitze, bei deren Bekämpfung jedoch Schlusslicht.