Die Rosenheimer Bundespolizei hat im deutsch-österreichischen Grenzgebiet am Wochenende rund 100 Migranten festgestellt und mehrere Schleuser gestoppt. (Bild: Bundespolizei)
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Der Flüchtlingsstrom versiegt nicht

Rund 77.000 Migranten hat die Bundespolizei Rosenheim 2016 registriert und damit die meisten deutschlandweit. Mindestens jeden zweiten Tag werde ein Schleuser gefasst. Die Inspektion wird dreigeteilt und das Personal verdoppelt, um dem als dauerhaft eingestuften Ansturm besser Herr zu werden.

Diese Zahlen nannte die Bundespolizei in Rosenheim auf ihrer Jahrespressekonferenz. Die Schließung der Balkanroute habe sich deutlich bemerkbar gemacht. So sank die Zahl der Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze im Laufe des letzten Jahres deutlich, auf „nur“ noch 77.000 Migranten im Jahr 2016 im Grenzabschnitt zwischen Bodenseeregion und Berchtesgadener Land. Die tatsächliche Zahl an Migranten dürfte aber wegen der nicht erwischten Schleuser deutlich höher liegen. Diesen 650 Kilometer langen Abschnitt kontrollieren die Rosenheimer, im Osten sind es die Bundespolizeiinspektionen Freyung, Waldmünchen, Waidhaus und Selb. Alle bayerischen Inspektionen (hinzu kommen noch München mit Flughafen, Nürnberg und Würzburg) sind wiederum der Bundespolizeidirektion München unterstellt.

Es gibt keine andere Bundespolizeidienststelle, die in 2016 mehr Migranten festgestellt hat.

Rainer Scharf, Pressesprecher der Bundespolizei Rosenheim

Die meisten Flüchtlinge registrierten die Beamten im Januar und Februar, rund 60.000. Mit der Schließung der seit 2015 massenhaft genutzten Balkanroute im März 2016 seien die Zahlen auf rund 1200 bis 1600 monatlich gefallen, so die Bundespolizei. Das ist aber immer noch sehr viel. 2014 wurden 9000 Flüchtlinge im ganzen Jahr aufgegriffen. „Und schon damals sprachen wir von einer Massenmigration“, betonte Reinhard Tomm, Leiter der Rosenheimer Inspektion. Der Rosenheimer Grenzabschnitt ist der wichtigste für die Einwanderung nach Deutschland, weil dort Flüchtlinge sowohl über die Balkanroute als auch über den Brenner ankommen. „Es gibt keine andere Bundespolizeidienststelle, die in 2016 mehr Migranten festgestellt hat“, sagte Pressesprecher Rainer Scharf. Die meisten Ankömmlinge kamen aus Syrien, Afghanistan und Irak sowie aus Nigeria und Somalia. Lagen die Zahlen zuvor monatlich im fünfstelligen Bereich, so waren es im März 2016 nur noch rund 2300 Migranten.

9600 Migranten abgewiesen, 280 Schleuser gefasst

Knapp 9600 Ankömmlingen wurde die Einreise verweigert, da sie nicht nachvollziehbar um Asyl nachsuchten. Seit Mitte 2016 werde zwischen 30 und 50 Prozent der Migranten die Einreise verweigert und diese nach Österreich zurückgeschickt.

Die Zahl der gefassten mutmaßlichen Schleuser ging ebenfalls zurück: Wurden im Jahr 2015 noch mehr als 700 mutmaßliche Schleuser festgenommen, so waren es im vergangenen Jahr noch etwa 280. „Trotzdem ist das immer noch mindestens jeden zweiten Tag ein mutmaßlicher Schleuser“, so Scharf. Dazu kommt natürlich noch eine unbekannte Zahl an „erfolgreichen“ Schleusungen.

Die erhöhten Kontrollen hätten auch Fahndungstreffer gebracht. Rund 5300 Gesuchte wurden an der Grenze gefasst, 4800 davon waren mit Haftbefehl gesuchte Straftäter. Bei einem Verdacht auf einen islamistischen Zusammenhang würden die Staatsschutzbehörden eingeschaltet, erläuterte Scharf. „Es waren Einzelfälle.“ Zudem wurden mehr als 1000 Urkundenfälschungen aufgedeckt – was sich auf die Ausweisdokumente beziehen dürfte.

Die Inspektion wird dreigeteilt und aufgestockt

Bundesweite Zahlen waren nicht erhältlich, hier wurde nur über den Rosenheimer Abschnitt Auskunft gegeben. Zu den häufigen Staus durch die Grenzkontrollen sagte der stellvertretende Leiter der Bundespolizeiinspektion, Ludger Otto, es gebe natürlich Einschränkungen. Aber: „Wir versuchen, unseren Beitrag zu leisten, um die Beeinträchtigungen des Verkehrs so gering wie möglich zu halten.“

Diese Entwicklung, denke ich, wird so bleiben.

Ludger Otto, Rosenheimer Einsatzleiter, über den Flüchtlingsstrom

Wegen der gestiegenen Anforderungen soll der Grenzabschnitt in drei selbstständige Inspektionen in Kempten, Rosenheim und Freilassing aufgegliedert werden, kündigte der Leiter der Rosenheimer Inspektion, Reinhard Tomm, an. Damit sollten Wege verkürzt werden und die Beamten bei Einsätzen schneller vor Ort sein. Außerdem werde dabei die Zahl der Beamten verdoppelt. Bis aber wie angekündigt von 550 auf 1100 Beamte aufgestockt wurde, könne es wegen der Ausbildungszeit und den Pensionierungen noch bis 2020 und länger dauern. Damit ist aber auch klar, dass die Bundespolizei von einem dauerhaften Flüchtlingsstrom ausgeht. “Diese Entwicklung, denke ich, wird so bleiben”, bestätigte der Rosenheimer Einsatzleiter Ludger Otto.

Beispiele für illegale Einreisen

Vor Weihnachten häuften sich Fälle von illegalen Einwanderern, die bei Minusgraden in lebensgefährlichen Verstecken auf Güterzügen oder unter Lkw-Aufliegern über die Grenze zu kommen, teilweise sogar mit Kleinkindern. Einige Fälle im Januar zeigen, wie die Migranten weiter versuchen, illegal nach Deutschland zu kommen. Zudem sind darunter offenbar auch etliche Kriminelle.

  • So hat am 7. Januar ein Schleuser 19 Migranten aus dem Irak, dem Iran und Syrien, darunter fünf Kinder, bei eisigen Temperaturen von minus 20 Grad auf einem Parkplatz der A 93 nahe Brannenburg ihrem Schicksal überlassen. Den Transporter mit den Personen auf der unbeheizten Ladefläche ließ er stehen und verschwand. Die Geschleusten, die zwischen 500 und 800 Euro pro Person gezahlt haben wollen, hatten keine Papiere.
  • Am 8. Januar wurde auf der B 2 bei Mittenwald ein mutmaßlicher bosnischer Schleuser festgenommen. Einer der beiden Geschleusten, ein Kosovare, wurde mit einem Haftbefehl gesucht und wies sich mit gefälschten kroatischen Papieren aus. Der andere Mitfahrer, ein Serbe, hatte eine Schussverletzung im Genitalbereich und kam ins Krankenhaus.
  • Am 10. Januar kontrollierten Bundespolizisten die Reisenden eines Zuges aus Kufstein. Dabei trafen sie auf zwei junge Männer angeblich aus Syrien, die ohne Papiere in die Bundesrepublik unterwegs waren. Die Männer wurden der Aufnahmestelle für Flüchtlinge zugleitet, der mutmaßliche Schleuser wurde verhaftet.
  • Am 13. Januar wurde in Lindau ein Fernreisebus aus Italien kontrolliert, der regelmäßig zwischen Turin und München verkehrt. Zwölf Migranten wollten damit ohne ordnungsgemäße Ausweise illegal einreisen. Die Migranten stammen aus Albanien, Pakistan, dem Irak, Eritrea, Nigeria, Ghana, Gambia und dem Senegal. Einige wollten über ihre wahre Identität hinweg täuschen und legten gefälschte italienische Papiere vor. Gegen einen Ghanaer lag ein Haftbefehl aus Frankfurt vor. Neun Migranten mussten die Rückreise nach Österreich antreten.
  • Allein am Wochenende vom 14. bis 15. Januar erwischten die Beamten trotz Schnee und Eiseskälte 100 Migranten und drei mutmaßliche Schleuser in ihrem Grenzabschnitt.
  • Am 17. Januar wurden ein 18-jähriger Libyer und ein 24-jähriger Marokkaner am Rangierbahnhof in München überprüft. Beide hatten angegeben, keine Identitätspapiere zu besitzen. Bei einer Überprüfung kam heraus, dass sie bereits in Italien registriert und zur Einreiseverweigerung nach Deutschland notiert waren. Gegen den Marokkaner lag zudem ein Untersuchungshaftbefehl der Staatsanwaltschaft Essen wegen Totschlags vor. Am Tag zuvor war es am Hauptbahnhof ein 24-jähriger Tunesier, der bereits in Italien registriert war, dort keinen Aufenthaltstitel erhielt und seit Oktober 2016 abgeschoben werden sollte.
  • Am 18. Januar wurde auf der A 93 bei Kiefersfelden ein Kroate verhaftet. Der Mann wird beschuldigt, mit seinem Pkw drei Türken eingeschleust zu haben.
  • Am 22. Januar wurden eine Frau und ihre acht Kinder aus Somalia ebenfalls in einem italienischen Fernreisebus bei der illegalen Einreise erwischt, dazu auch der Schleuser.
  • Am vergangenen Wochenende registrierte die Lindauer Bundespolizei insgesamt rund 30 Personen, die ohne die erforderlichen Papiere in die Bundesrepublik einreisen wollten, meist in international verkehrenden Bussen. Ein 44-jähriger Italiener brachte mit einem in Deutschland zugelassenen Wagen drei Nigerianer, natürlich ohne Papiere, über die Grenze. Der Kontrolle versuchte sich der Fahrer zu entziehen und umfuhr die Kontrollstelle über die Rastanlage Inntal Ost. Das Fahrzeug wurde verfolgt und gestoppt. In der gleichen Kontrollstelle auf der A 93 überprüften die Bundespolizisten auch vier Georgier. Drei von ihnen verfügten lediglich über Kopien georgischer Pässe, dazu der mutmaßliche Schleuser, ein Georgier mit italienischem Visum. Der 34-Jährige wurde gesucht, da ihm ein Strafbefehl wegen Bestechung auszuhändigen war.

Am Mittwoch erlaubte die EU-Kommission die Fortsetzung der von Deutschland und Österreich gewünschten Grenzkontrollen um weitere drei Monate. Bisher waren Österreich, Deutschland, Norwegen, Dänemark und Schweden die Binnen-Grenzkontrollen bis Mitte Februar erlaubt.

Die Bundespolizeiinspektion Rosenheim

ist eine der größten Flächeninspektionen Deutschlands. Ihr gehören die Bundespolizeireviere Freilassing, Weilheim, Kempten und Lindau an. Damit ist sie vom Berchtesgadener Land bis zur Bodenseeregion bahn- und grenzpolizeilich zuständig. Im 650 Kilometer langen deutsch-österreichischen Grenzgebiet gehen die rund 550 Mitarbeiter vor allem gegen illegale Migration und Schleusungskriminalität vor. Auf über 1150 Bahnkilometern und in etwa 200 Bahnhöfen und Haltepunkten sorgen sie für Sicherheit der Bahnreisenden.