Mehr Videoüberwachung soll die Kriminalität bekämpfen und Straftaten aufklären, wie hier am Münchner Marienplatz. (Bild: Imago/Ralph Peters)
Kabinett

Sicherheit stärken

Mehr Möglichkeiten zur Strafverfolgung, kein Schutz für Straftäter und Kenntnis darüber, wer nach Deutschland kommt: Die Bayerische Staatsregierung will mit verschiedenen Maßnahmen für mehr Ordnung und Sicherheit sorgen.

Das Bayerische Kabinett hat sich auf das Sicherheitskonzept „Freiheit und Sicherheit durch Recht und Ordnung“ geeinigt. Im Fokus stehen insbesondere Vorschläge zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus, der Wohnungseinbrüche und der Internetkriminalität. Hinzu kommen eine bessere Kontrolle und die Begrenzung des Asylbewerberzustroms nach Deutschland.

Mit den Maßnahmen stärken wir nicht nur objektiv unsere Sicherheit, sondern auch das subjektive Sicherheitsgefühl der Menschen in unserem Land.

Joachim Herrmann, bayerischer Innenminister

Die Befugnisse der Sicherheitsbehörden sollen durch folgende Maßnahmen ausgeweitet werden:

  • Die Möglichkeiten der Verkehrsdatenspeicherung und -Erhebung verbessern, insbesondere durch Verlängerung der Speicherfrist auf einheitlich sechs Monate, Erweiterung des Straftatenkatalogs unter anderem auf Terrorismusfinanzierung und Verpflichtung zur Verkehrsdatenspeicherung auch für E-Mail-Dienste, elektronische Post, Messenger Dienste und soziale Medien
  • Zugriff eröffnen auf die Verkehrsdaten auch für Nachrichtendienste des Bundes und der Länder
  • Eine eindeutige Rechtsgrundlage schaffen für die Überwachung des Inhalts von verschlüsselter Kommunikation (sog. Quellen-Telekommunikationsüberwachung)
  • Auswertungsmöglichkeiten von DNA-Spuren erweitern, um den tatsächlichen Spurenverursacher etwa anhand der Haar- oder Augenfarbe schneller ermitteln zu können und durch Erhebung von DNA-Material bei Beschuldigten im Strafverfahren
  • Befugnis zur Online-Durchsuchung für strafverfolgende Zwecke schaffen, wie bereits heute möglich für Polizei und Verfassungsschutz
  • Befugnis zur Anordnung der Entschlüsselung von Entschlüsselungssoftware
  • Befugnis der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und anderer Bundesländer, auch radikalisierte Jugendliche unter 14 Jahren zu beobachten
  • Schnelle Umsetzung der Richtlinie zur Fluggastdatenspeicherung, durch Weiterleitung von Daten an die Sicherheitsbehörden bei Einreisen und Ausreisen aus/in Drittstaaten in/aus der Europäischen Union
  • Befugnisse wie in Bayern schaffen für den Einsatz automatisierter Kennzeichenlesesysteme für den fließenden Verkehr im Bund und allen Bundesländern zum Abgleich mit Fahndungsausschreibungen
  • Zuständigkeit der Staatsschutzkammern (statt bisher der Jugendgerichte) auch für Staatsschutzdelikte, die ausschließlich von Jugendlichen und Heranwachsenden begangen werden

Mehr Videoüberwachung und stärkere Vernetzung

Zudem sollen diejenigen, die die Bürger schützen – darunter Polizisten und Rettungskräfte – besser geschützt werden. Dazu soll der Strafrahmen für gewalttätige Angriffe auf Polizei- und Justizbedienstete sowie Rettungskräfte auf ein Mindestmaß von sechs Monaten auf bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe erhöht werden. Auch in Sachen Wohnungseinbruchdiebstahl will die Staatregierung künftig härtere Strafen durchsetzen, um die zunehmende Kriminalität zu bekämpfen. Wohnungseinbruchsdiebstähle sollen mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr geahndet werden. Zudem sollen sie als schwere Straftat eingestuft werden.

Damit die verdeckte Sicherung von Cloud-Daten verbessert wird, soll die Videoüberwachung auch auf große Publikumseinrichtungen, etwa Einkaufszentren und Konzerthallen, ausgeweitet werden. Speicherfristen sollen auf zwei Monate verlängert und die Möglichkeiten zur Gesichtserkennung verbessert werden.

Die Zusammenarbeit und der Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden soll durch eine finanzielle Stärkung des gemeinsamen Terrorabwehrzentrums beim Bund sowie des European Counter Terrorism Center bei Europol optimiert werden. Das Europäische Strafregisterinformationssystem (ECRIS) soll ausgeweitet und Gefährder besser überwacht werden. Dazu schlägt die Staatsregierung elektronische Aufenthaltsüberwachung mit Fußfesseln für verurteilte und aus der Haft entlassene Extremisten vor. Hierfür sind allerdings Änderungen auf Bundesebene im Strafrecht sowie auf Landesebene im Polizeiaufgabengesetz erforderlich.

Härtere Strafen, auch für Heranwachsende

Sympathiewerbung für kriminelle und terroristische Vereinigungen soll wieder strafbar und bewusste Falschmeldungen in Gefahrensituationen stärker geahndet werden. Außerdem sollen kulturelle oder religiöse Beweggründe des Täters für sich gesehen keine Strafmilderung rechtfertigen. Auch für Heranwachsende (zwischen 18 und 21 Jahren) soll in der Regel Erwachsenenstrafrecht angewendet werden. Härtere Strafen soll es für öffentlich oder im Internet begangene Beleidigungen, insbesondere durch Hasspostings in sozialen Netzwerken und Cybermobbing, geben. Doppelstaatler, die im Ausland an Kampfhandlungen einer Terrororganisation teilnehmen, sollen die deutsche Staatsangehörigkeit verlieren.

Bundeswehr und Grenzschutz

Der Einfluss von Islamisten soll durch das Verbot der Finanzierung von Moscheen durch extremistische Organisationen bekämpft und Vereinsverbote konsequenter genutzt werden.

Zudem soll die Bundeswehr im Innern künftig mehr eingesetzt werden. Beispielsweise in Ausnahmesituationen zur Gewährleistung der Inneren Sicherheit unter Leitung der Polizei, etwa im Falle terroristischer Bedrohung zum Schutz ziviler Objekte und zur Abwehr sonstiger Gefahren sowie zur Unterstützung der Bundespolizei bei der Aufrechterhaltung eines wirksamen Grenzschutzes.

Wichtig bei der Neujustierung der Flüchtlingspolitik ist es für den Freistaat, zu wissen, wer in das Land kommt. Um das zu erreichen, sind laut Staatsregierung folgende Maßnahmen wichtig:

  • Wirksamen Schutz der EU-Außengrenzen, etwa durch Beschleunigung des Aufbaus einer schlagkräftigen EU-Grenz- und Küstenschutzagentur
  • Schnelle Einrichtung eines EU-Entry-Exit-Systems und eines EU-Reiseinformations- und -genehmigungssystems für visabefreite Reisenden
  • Rasche Verbesserung des Datenaustausches zwischen Grenzschutz, Polizei und Sicherheitsbehörden
  • Einrichtung ausreichend leistungsfähiger Hotspots in den EU-Außenstaaten
  • Wirksame flächendeckende Binnengrenzkontrollen, solange der EU-Außengrenzschutz nicht funktioniert
  • Einführung der Schleierfahndung wie in Bayern in allen Bundesländern
  • Schaffung von Registrierungsstellen und Transitzentren an den Grenzen für Asylbewerber ohne klare Identität
  • Asylschnellverfahren mit Rechtsfolge der Einreiseverweigerung, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass ein Antragsteller eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt oder über seine Identität täuscht sowie für Asylbewerber aus sicheren Herkunftsländern und Asylfolgeantragstellern
  • Konsequente Nutzung und Fortentwicklung aller Mittel zur Altersbestimmung
  • Eröffnung von Zugriffsmöglichkeiten der Jugendämter auf das automatisierte Verfahren zum Abruf der Daten im Ausländerzentralregister, um festzustellen, wo sich ein jugendlicher Asylbewerber im Bundesgebiet in Obhut befindet
  • Einrichtung von sicheren Zentren in nordafrikanischen Staaten unter Beteiligung des UNHCR zur Bekämpfung der Schleuserkriminalität

Effizienter und schneller abschieben

Vor allem im Asylverfahren will die Staatsregierung keine Abstriche bei der Sicherheit machen, vor allem bei der Sicherheits- und Identitätsüberprüfung sämtlicher Asylbewerber durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Dies gilt auch für Asylbewerber, die im schriftlichen Verfahren anerkannt wurden. Der Informationsaustausch zwischen Ausländerbehörden, BAMF, Job-Centern und Meldebehörden soll dazu systematisiert werden. Die Flüchtlingsanerkennung verliert, wer dem IS oder vergleichbaren terroristischen Gruppierungen beitritt.

Abschiebungshaft und Ausreisegewahrsam sollen durch die Verlängerung der maximalen Dauer beim Ausreisegewahrsam sowie der Prüfung des Entfalls des Richtervorbehalts beim Flughafenverfahren praxistauglicher werden. Die Staatsregierung fordert zudem: Kein Schutz für Straftäter. Bei einer rechtskräftigen Verurteilung wegen vorsätzlicher Straftat zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens drei Jahren soll das Aufenthaltsrecht verloren gehen. Bei Verurteilungen von mehr als einem Jahr sollen Daueraufenthaltstitel herabgestuft werden. Auch der Katalog an Straftaten, bei denen das Ausweisungsinteresse besonders schwer wiegt, wie etwa bei Betäubungsmitteldelikten, soll erweitert werden. Bereits bei einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, statt wie bisher drei Jahren, und unabhängig vom Delikt, soll Flüchtlingen die Anerkennung verweigert werden.

Fußfessel und Residenzpflicht

Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) haben ein Maßnahmenpaket zur Abwehr islamistischer Anschläge vorgestellt. De Maizière und Maas betonten, dass für die Gefährderhaft ein eigener Haftgrund – erhebliche Gefahr für die innere Sicherheit Deutschlands oder Terrorgefahr – geschaffen werden soll. Bei fehlenden Passersatzpapieren der Herkunftsländer soll diese Haft länger als drei Monate verhängt werden können, die bisherige Befristung entfällt also.

Außerdem soll es künftig erleichterte Voraussetzungen für elektronische Fußfesseln von verurteilten Straftätern und Gefährdern geben. Im BKA-Gesetz für das Bundeskriminalamt soll eine Fußfessel für die Überwachung von Gefährdern eingeführt werden. Hier gebe es aber noch dringenden Nachholbedarf in den Ländern für eine eigene Regelung, „sonst liefe sie nämlich ins Leere“, sagte de Maizière.

Es entspricht überwiegend unseren Beschlüssen, die wir in der vergangenen Woche in Seeon gefasst haben. Besonders wichtig ist für uns die Einführung eines neuen Haftgrundes bei der Abschiebehaft für diejenigen, die die Sicherheit in Deutschland bedrohen. Das Gleiche gilt für schärfere Überwachungsauflagen für Gefährder.

Gerda Hasselfeldt, CSU-Landesgruppenchefin, zum Sicherheitspaket

Ferner sei die Einführung einer Residenzpflicht geplant, also eine verschärfte Wohnsitzauflage für „diejenigen Asylbewerber, die über ihre Identität täuschen“, sagte der Innenminister. So werde deren Bewegungsradius begrenzt, betonte Maas. Bei stockenden Verhandlungen mit Herkunftsländern über die Rücknahme abgelehnter Asylbewerber seien „alle Politikfelder“ einzubeziehen, auch die Entwicklungshilfe. Maas sprach auch von mehr Druck auf diese Staaten. Schließlich müsse die Prävention im Bereich Islamismus und Extremismus erheblich ausgebaut werden.

Der CSU gehen die Pläne nicht weit genug. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) begrüßte zwar die Vorschläge, forderte aber im Interview mit der Heilbronner Stimme: „Wir brauchen aber zweifellos noch mehr“. Er fügte hinzu, es sei auch gut, dass die „SPD bei einer Reihe von Fragen ihre jahrelange Blockadehaltung aufgegeben hat“. CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt begrüßte die Vorschläge ebenfalls, sagte aber: „Länder und Behörden sind gefordert, das dann auch umzusetzen. Das gilt auch für das bereits geltende Recht. Es ist jedenfalls gut, dass die SPD zur Vernunft gekommen ist und in diesen wichtigen Fragen endlich aufgehört hat, unsere Forderungen zur Inneren Sicherheit zu blockieren.“

(dpa/AS)