Ein Lkw ist in einen Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz in Berlin gerast. (Bild: Imago/Pacific Press Agency)
Lkw-Attacke

Der hektische Tag nach der Katastrophe

Langsam klären sich Umstände und Hintergründe des mutmaßlichen Terroranschlags auf den Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche: Den festgenommenen Tatverdächtigen identifizierten die Sicherheitsbehörden als 23-jährigen Flüchtling namens Naved B. Er soll im Frühjahr über die Balkanroute und die Grenze bei Passau nach Deutschland gekommen sein.

Nach der Todesfahrt eines Lkw auf einem Berliner Weihnachtsmarkt deutet vieles auf einen Terroranschlag hin. Die Polizei sprach am Morgen nach der Tat von einem „vermutlich terroristischen Anschlag“. Einen Unfall schlossen die Ermittler aus. Bei der Tat im Herzen Berlins war am Montagabend ein Lastwagen auf einen Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gerast und hatte mindestens zwölf Menschen getötet. Weitere 49 Menschen lagen am Morgen zum Teil schwer verletzt in Krankenhäusern.

Verdächtiger mit mehreren Alias-Namen

Den festgenommenen Tatverdächtigen haben die Sicherheitsbehörden mittlerweile unter dem Namen Naved B. als mutmaßlichen Flüchtling identifiziert. Der angeblich 23-jährige Mann habe zwei Alias-Namen geführt, die dem erstgenannten Namen sehr ähnlich seien, erfuhr dpa aus Sicherheitskreisen. Der Verdächtige reiste wohl im Februar als Flüchtling über die Balkanroute nach Deutschland ein, wahrscheinlich über die Grenze bei Passau. Der für den Staatsschutz zuständige Generalbundesanwalt in Karlsruhe hat die Ermittlungen übernommen. (Aktuellen Medienberichten zufolge, zweifelt die Polizei allerdings mittlerweile daran, dass der Verdächtige auch wirklich der Täter ist. Damit wäre der wahre Verantwortliche für die Lkw-Attacke noch auf freiem Fuß.)

Der dunkle Lastwagen mit polnischem Kennzeichen fuhr laut Polizei gegen 20.00 Uhr auf einer Strecke von 50 bis 80 Metern über den Markt und zerstörte dabei mehrere Buden. Ein weiterer Mann, der auf dem Beifahrersitz saß, starb laut Polizei vor Ort. Er war Pole. Der Lastwagen gehörte einer polnischen Spedition, wie deren Eigentümer Ariel Zurawski dem polnischen Sender TVN 24 bestätigte. Der Fahrer, sein Cousin, sei seit etwa 16.00 Uhr am Montag nicht mehr zu erreichen gewesen. Für ihn könne er die Hand ins Feuer legen, dass er kein Attentäter sei. „Ihm muss etwas angetan worden sein“, mutmaßte er.

Der Lkw hatte Stahlkonstruktionen aus Italien nach Berlin transportiert, berichtete Zurawski. Wegen einer Verzögerung habe der Fahrer bis zum Dienstag warten müssen und den Lastwagen in Berlin geparkt. Die Berliner Polizei teilte dagegen mit, es bestehe der Verdacht, dass der Sattelschlepper in Polen von einer Baustelle gestohlen worden sei.

Parallelen zu Nizza

Die Parallelen zu dem Anschlag im französischen Nizza vom Juli diesen Jahres sind unverkennbar. Ausländische Geheimdienste sollen die Bundesregierung in den vergangenen Wochen auch vor Attacken auf Weihnachtsmärkte gewarnt haben. Zudem gerieten Weihnachtsmärkte immer wieder ins Visier von islamistischen Terrorgruppen, zuletzt etwa in Straßburg und Ludwigshafen 2016. Der Straßburger Weihnachtsmarkt war auch schon im Jahr 2000 als Ziel eines islamistischen Anschlags ausgewählt worden, der allerdings vereitelt werden konnte.

Sicherheitsvorkehrungen auf bayerischen Christkindlmärkten

Nach dem mutmaßlichen Terroranschlag in Berlin hat die Polizei in München ihre Sicherheitsvorkehrungen für die Weihnachtsmärkte in der bayerischen Landeshauptstadt erhöht. Das Personal auf den Märkten sei verstärkt worden, sagte ein Polizeisprecher am Dienstag. Die Innenminister von Bund und Ländern haben sich derweil gegen eine Absage von Christkindlmärkten und ähnlichen Veranstaltungen in Deutschland ausgesprochen. Dies teilte das Bundesinnenministerium nach einer Telefonkonferenz der Ressortchefs mit. Die Bundesländer überdenken aber ihre Sicherheitskonzepte. „Wir müssen jetzt noch mehr Wachsamkeit und Präsenz zeigen“, sagte NRW- Innenminister Ralf Jäger dem Sender WDR5. Das Nachbarland Frankreich erhöhte ebenfalls die Sicherheitsvorkehrungen auf seinen Weihnachtsmärkten.

Kurz vor Mittag kommt in Berlin zudem das Sicherheitskabinett der Bundesregierung unter der Leitung von Kanzlerin Angela Merkel zusammen, um über den mutmaßlichen Anschlag in Berlin zu beraten. Zuvor will sich Merkel vor der Presse äußern.

(dpa/GD/avd)