Nach den Ausschreitungen in der Silvesternacht am Hauptbahnhof Köln mit Raub und sexuellen Übergriffen auf Frauen verstärkt die Kölner Polizei ihre Präsenz in der Innenstadt rund um den Bahnhof und der Domplatte am Dom. (Bild: Imago/Ralph Peters)
Kriminalität

Sündenbock oder echte Gefahr?

Nach den jüngsten Sexualdelikten, bei denen Zuwanderer unter Tatverdacht stehen, nimmt das Misstrauen gegen Flüchtlinge zu. Was bisher fehlt, ist eine umfassende Datenbasis. Doch die Zahlen des Bundeskriminalamtes zeigen bereits deutliche Tendenzen.

Nach den Festnahmen im Fall der getöteten Studentin in Freiburg und den Sexualdelikten in Bochum hat der Chef der Gewerkschaft der Polizei, Oliver Malchow, vor einem Generalverdacht gegen Flüchtlinge gewarnt. „Die Straftaten in Freiburg und Bochum lassen keine Verallgemeinerungen zu“, sagte Malchow den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Natürlich verstehe er die Diskussion, wenn in so kurzer Zeit zweimal Flüchtlinge als Verdächtige schwerster Straftaten entdeckt würden. Die Zahl der Sexualdelikte sei 2015 aber so gering gewesen wie zuletzt im Jahr 2001.

Immer mehr Sexualstraftaten

Die Zahlen des Bundeskriminalamtes (BKA) sprechen eine andere Sprache. Zwar nimmt die Zahl der Sexualdelikte insgesamt ab. Aber unter den Tätern sind immer mehr Zuwanderer. 36.864 aufgeklärte Sexualdelikte gab es 2014 in Deutschland laut BKA. 2,6 Prozent der Fälle verübten Zuwanderer, zu denen Asylsuchende, Flüchtlinge, Geduldete und Menschen ohne Aufenthaltsstatus gezählt werden. Bei ungefähr gleich vielen Sexualstraftaten (36.532) im Jahr 2015 verdoppelte sich dieser Anteil fast auf 4,6 Prozent. Die Zahl der Zuwanderer in Deutschland verdreifachte sich dabei im gleichen Zeitraum. Genauere Analysen sollen aber erst im kommenden Frühjahr möglich sein, wenn das Bundeskriminalamt die Zahlen für 2016 veröffentlicht.

Schweigen statt berichten?

Die Medien stehen dabei vor der Herausforderung, Vorfälle wie jüngst in Freiburg und Bochum einzuordnen. So hat die ARD-„Tagesschau“ die Aufklärung des Sexualmordes in Freiburg vorerst nicht gemeldet – und damit massive Kritik auf sich gezogen (der Bayernkurier berichtete: Kritik an „Tagesschau“). Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD-aktuell, erklärte jetzt, dass eine umfassende Datenbasis bisher fehle.

Wir haben Daten zu diesem Thema aufbereitet, haben aber zugleich beim Versuch, verlässliche Zahlen zu bekommen, gemerkt, dass eine umfassende Datenbasis fehlt. Hier muss die Recherche in den kommenden Tagen weitergehen.

Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD-aktuell 

Der Fall Bochum

Denn nach dem Fahndungserfolg im Fall der getöteten Freiburger Studentin sorgt eine weitere Festnahme im Zusammenhang mit Sexualdelikten derzeit für Aufsehen. Im Bochumer Uni-Viertel wurde ein 31 Jahre alter Mann unter Vergewaltigungsverdacht festgenommen, Opfer waren zwei chinesische Studentinnen. Der Tatverdächtige sei Asylbewerber, stamme aus dem Irak und habe mit seiner Frau und zwei Kindern in einer Flüchtlingsunterkunft in der Nähe der Tatorte gelebt, sagte Oberstaatsanwalt Andreas Bachmann. Der Mann sei mit seiner Familie im Dezember 2015 nach Deutschland gekommen. Der mutmaßliche Täter kam in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm unter anderem versuchten Mord, Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung vor.

Im August war zunächst eine 21-jährige Studentin schwer verletzt worden. Außerdem hatte der Täter versucht, die Frau zu vergewaltigen. Die Polizei hatte eine Mordkommission eingesetzt. Im November war eine 27-Jährige das Opfer. Hier kam es zu einer Vergewaltigung. Die Polizei hatte mit Phantombildern nach dem Mann gesucht. Eines hatte zuvor ergeben, dass beide Taten vom selben Täter begangen wurden. Derzeit wird überprüft, ob er mit weiteren Straftaten in Zusammenhang stehe. Ob es eine Rolle spielt, dass beide Opfer Chinesinnen waren, weiß die Polizei noch nicht.

Die Vergewaltigungen von Bochum haben in der chinesischen Community erhebliche Unruhe ausgelöst. Das zweite Opfer hat sich mittlerweile in chinesischen Sozialmedien geäußert, wie die Polizei Bochum bestätigte. Das Konsulat in Düsseldorf hat deshalb in einer Stellungnahme empfohlen, auf die persönliche Sicherheit zu achten, und vor abgelegenen und verlassenen Plätzen in Deutschland gewarnt, berichtet die Welt.

Tatort Münchner Rathaus

Die Vorfälle reihen sich ein in eine ganze Kette von sexuellen Übergriffen und anderen Delikten, die nicht erst seit dem Silvester-Debakel in Köln und andernorts durch Asylbewerber und anerkannte Flüchtlinge in Deutschland begangen wurden. Sei es in Schwimmbädern (der Bayernkurier berichtete: Deutsche Mädchen und Frauen als Freiwild?), bei Festivals oder an Bahnhöfen.

Auch bei einem Fest der Stadt München kam es zu sexuellen Übergriffen von Flüchtlingen auf junge Frauen. Die Münchner CSU verlangt von Oberbürgermeister Dieter Reiter jetzt eine umfassende Aufklärung und eine Antwort darauf, warum die Vorfälle wochenlang verschwiegen wurden (der Bayernkurier berichtete: OB Reiter soll sexuelle Übergriffe aufklären).

Gefragt wird nun, ob ein Mentalitätsproblem bei Zuwanderern insbesondere aus muslimischen Staaten vorliegt, da in diesen Ländern Frauen sogar gesetzlich benachteiligt und von vielen Männern geringgeschätzt werden. Beobachter sehen das Problem auch in dem Aufeinanderprallen von rückständigen Traditionen und Frauenbildern auf emanzipierte, nicht komplett verschleierte deutsche Frauen – die dann alsbald bei einigen Zuwanderern als „Freiwild“ gelten.

„Es kommen nicht nur Friedensengel“

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sorgte die Entwicklung der Kriminalität von nichtdeutschen Tatverdächtigen bereits anlässlich der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik im März 2016. Zwar begehen immer weniger Menschen Straftaten in Bayern, doch der Anteil der kriminellen Nichtdeutschen steigt.

Es kommen da nicht nur Friedensengel in unser Land. Wir brauchen eine klare Begrenzung der Flüchtlinge, weil uns das sonst auch in krimineller Hinsicht über den Kopf wächst.

Joachim Herrmann, Innenminister

Unter ihnen sind immer mehr tatverdächtige Zuwanderer. Knapp 20 Prozent der Straftaten begehen sie in Asylbewerberunterkünften. Die Zahlen gehen aus der aktuellen Kriminalstatistik für das Jahr 2015 hervor. So lag – ohne Berücksichtigung der ausländerrechtlichen Verstöße – der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger im Jahr 2011 bei 24,2 Prozent und 2015 bei 31,5 Prozent. Im gleichen Zeitraum nahm der Anteil der tatverdächtigen Zuwanderer von 1,7 Prozent im Jahr 2011 auf 6,4 Prozent im Jahr 2015 zu.

Auch in Sachsen mehr Sexualstraftäter

Anderorts gibt es ähnliche Vorfälle: Sachsen hat laut seiner aktuellen Zuwanderer-Kriminalitätsstatistik ein Problem mit kriminellen Nordafrikanern. 46 Prozent aller Zuwanderer aus den drei Maghreb-Staaten (Marokko, Algerien und Tunesien), die nach Sachsen kamen, sind kriminell – vielfach sogar als Intensiv-Täter. Diese drei Länder fielen schon bei den Silvestervorfällen in Köln und andernorts auf.

Bei den aufgeklärten Straftaten in Sachsen wurden bis September 2016 insgesamt 7579 Zuwanderer als Täter ermittelt. „Allein drei Viertel aller algerischen Zuwanderer sind als Tatverdächtige in Erscheinung getreten“, ergänzte Innenminister Markus Ulbig (CDU). Zwar sind die meisten Delikte Diebstahl, Raub und Körperverletzung (insgesamt 7502 Fälle), aber auch in Sachsen ist bei den Sexualstraftaten ein Anstieg zu verzeichnen. Bis September waren es 169 Sexualdelikte in dem Freistaat, noch im Jahr 2013 waren es „nur“ 25. Das ist ein Anstieg um fast das Siebenfache.

Rückführungen per Charterflug sind mühsam, es ist aufwendig, aber es ist auch ein klares Signal.

Markus Ulbig, Innenminister von Sachsen

Ulbig (CDU) verwies anlässlich der aktuellen Kriminalitätsstatistik auch auf die sogenannten Mehrfach-Intensiv-Straftäter (MITA), von denen es in Sachsen 664 gebe. Bei einem Anteil von nur 1,1 Prozent unter den Zuwanderern begingen sie 36 Prozent der insgesamt 14.043 Zuwanderer-Straftaten. 80 von ihnen sitzen in Sachsen in Haft, 23 wurden in den Monaten von April bis September nach Tunesien abgeschoben, schreibt die Leipziger Volkszeitung. Dabei sei Sachsen bisher das einzige Bundesland, das von der Möglichkeit der Rückführung mit Charterflügen Gebrauch gemacht habe, betonte Ulbig.

Konsequenzen für Kriminelle

Eigentlich ist ein mit den Bundesländern koordiniertes Rückkehrmanagement unausweichlich. Das zeigt die aktuelle Studie der Firma McKinsey für das Bundesflüchtlingsamt, aus dem die Welt am Sonntag zitiert. Dazu seien entsprechende Abschiebehaftanstalten einzurichten. Zwischen der Ausreisepflicht und der Ausreise „liegen bei vollzogenen Rückführungen durchschnittlich zwölf Monate, in manchen Fällen sogar rund 4,5 Jahre“. Nach Verurteilungen wegen einer Straftat benötige man im Schnitt 20 Monate für eine Ausweisung.

Wer nicht kooperiert oder sogar bewusst täuscht, soll zudem künftig mit Konsequenzen zu rechnen haben. Diesen Vorschlag brachte Lorenz Caffier (CDU), Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern und Sprecher der unionsgeführten Länder, auf der Konferenz der Innenminister ein. Denkbar seien etwa Kürzungen der Sozialleistungen oder ein Ende des Asylverfahrens.

(dpa/Zeit Online/Leipziger Volkszeitung/Tagesschau/Welt am Sonntag/AS)