Drei Tage lang treffen sich Experten der Medienbranche in München. (Bild: Imago/ecomedia)
Medientage München

Kampf gegen den „Echokammer-Effekt“

Die Münchner Medientage stehen in diesem Jahr ganz im Zeichen des veränderten Nachrichtenverhaltens der Menschen. Zum Auftakt warnte Bundeskanzlerin Angela Merkel vor den Gefahren rein selektiver Nachrichtenauswahl.

Immer mehr Menschen lesen nur noch das, was andere ihnen in sozialen Medien empfehlen. Welche Folgen das hat, ist das Hauptthema der diesjährigen Medientage München. Dabei waren zur Eröffnung namhafter Vertreter aus Politik und Wirtschaft gekommen: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt die Eröffnungsrede des dreitägigen Branchentreffens, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) wandte sich ebenfalls mit einem Grußwort an die Gäste. Zu den rund 90 Veranstaltungen werden 400 Referenten und mehr als 6000 Besucher erwartet.

Der Echokammer-Effekt und die Folgen

Das traditionsreiche Fach-Meeting, das seit mehr als 30 Jahren in München stattfindet, steht in diesem Jahr unter dem Motto „Mobile & Me – Wie das Ich die Medien steuert“. Im Fokus dabei: Die zunehmende Individualisierung von Online-Inhalten, beispielsweise durch Empfehlungen, die einem bei Suchmaschinen oder in sozialen Netzwerken angeboten werden.

Der Gastgeber der Medientage und Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien, Siegfried Schneider, sieht in den digitalen Empfehlungssystemen und entsprechenden Algorithmen eine Gefahr: „Mein Suchverhalten führt dazu, dass ein anderer mir nur noch Empfehlungen zuleitet, die meinem Suchverhalten entsprechen.“ Das habe den Nachteil, kaum noch von neuen Dingen überrascht zu werden. „Also ich bewege mich in dieser Blase, dass ich eigentlich nur noch das bestätigt bekomme, was ich sowieso schon meine.“

Besonders brisant ist diese Entwicklung bei der Beschaffung von Nachrichten. Statt wie bislang dem Angebot etablierter Medien und Journalisten zu vertrauen, die darauf eingestellt sind, die wichtigsten und interessantesten Nachrichten des Tages zu sammeln und für die Zuschauer, Zuhörer oder Leser aufzubereiten, suchen die User gezielt nach journalistischen Inhalten, die ihre Meinung bestätigen. Das Ergebnis dieses Vorgehens nennen die Experten den „Echokammer-Effekt“, bei dem man nur solche Informationen erhält, die den bereits gesammelten Inhalten entsprechen.

Medientage richten sich neu aus

In ihrem Jubiläumsjahr setzen die Medientage zudem auf eine neue inhaltliche Ausrichtung: Ein neu konzipierter Gipfel und das zukunftsweisende Thema „Künstliche Intelligenz“ bestimmen den Eröffnungstag. Außerdem werden sich die Panels mit Themen wie Industrie 4.0, Virtual Reality, Frauen in Medienberufen und Startups beschäftigen.

Die Eröffnungsfeier begann allerdings mit einer technischen Panne. Eigentlich wollten die Veranstalter einen Film zur Geschichte der Medientage zeigen – dieser ließ sich aber nicht starten. Auf diesen verunglückten Auftakt ging Horst Seehofer in seinem Grußwort scherzhaft ein. Der CSU-Chef bekannte schmunzelnd, er habe eigentlich die Einzigartigkeit und Fehlerfreiheit Bayerns betonen wollen. „Und dann das.“ Das zerstöre das bayerische Selbstbewusstsein, scherzte Seehofer. „Da werden wir therapeutisch wochenlang dran arbeiten müssen. Und hinzu kommt, dass Du, liebe Bundeskanzlerin, da jetzt Zeuge dieses Scheiterns wurdest.“

Die Medienlandschaft und die Nutzung der Medien seien im Wandel, stellte Bayerns Ministerpräsident klar. „Um das, was uns wichtig ist – nämlich die Qualität der medialen Berichterstattung – zu sichern und zu bewahren, müssen wir Schritt halten. Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit“, mahnte Seehofer.

Daher sei das diesjährige Motto der Medientage, „Wie das Ich die Medien steuert“, aktueller denn je. „Heute findet Mediennutzung vermehrt personalisiert, digitalisiert und in Eigenregie statt“, sagte der CSU-Chef. In dieser vernetzen Welt sei die Verantwortung der Medien weiter gewachsen. „Die Währung der Mediendemokratie ist Qualität, Vertrauen und Glaubwürdigkeit. Medienschaffende aller Branchen finden Antworten auf diese Herausforderung.“ Dabei sei es die Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen „für alle Player richtig zu setzen“, betonte Seehofer. Man werde sich dazu bereits in dieser Woche im Kreis der Ministerpräsidenten der Länder austauschen. „Um den Qualitätsjournalismus und die Akzeptanz der Bürger für öffentlich-rechtliche Angebote zu bewahren, darf es keine Denkverbote geben“, so der Ministerpräsident.

Merkel: „Pressefreiheit immer und überall verteidigen“

Die Kanzlerin beschäftigte sich in ihrer Rede mit der Gefahr rein selektiver Nachrichtenauswahl und dem Wert von Pressefreiheit. „Vielfalt, Umfassenheit und Präzision einer Medienlandschaft ist konstitutiv für eine Demokratie, auch wenn einem nicht alles gefällt, was man sieht oder liest“, sagte die CDU-Parteichefin. Schon vor dem Internet habe es Menschen gegeben, die nur ihre eigene Meinung bestätigt sehen wollten, referierte Merkel. Aber das Internet habe dies weitaus sichtbarer gemacht und verstärkt. In der digitalen Welt sei es zum Standard geworden, sich nur noch mit Meinungen zu umgeben, die man selber teile. Das habe mit der persönlichen Mediennutzung zu tun, aber auch mit den eingesetzten Algorithmen.

Merkel fordert Transparenz bei Algorithmen

Die Bundeskanzlerin verlangte daher, es brauche Transparenz bei den Algorithmen, weil sich „die großen Plattformen zum Nadelöhr“ entwickeln würden. Wenn Informationen gesteuert und so weiter gegeben würden, dass sie nur noch passende Meinungen anböten, dann führe das zu einer verzerrten Wahrnehmung. „Bürger müssen sich informieren können, was die anderen denken und warum sie es nicht sehen“, forderte Merkel.

Die Kanzlerin erklärte, die Deutschen könnten zutiefst dankbar sein, dass in der Bundesrepublik eine große mediale Vielfalt herrsche. „Die Pressefreiheit gilt es immer und überall zu verteidigen.“