Weg frei für CETA
CETA, das umstrittene Handelsabkommen mit Kanada, hat nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mehrere Hürden genommen. Allerdings ist eine Unterzeichnung auf dem EU-Kanada-Gipfel in Brüssel an bestimmte Bedingungen geknüpft. Auch ein Stopp ist immer noch möglich.
Freihandelsabkommen

Weg frei für CETA

CETA, das umstrittene Handelsabkommen mit Kanada, hat nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mehrere Hürden genommen. Allerdings ist eine Unterzeichnung auf dem EU-Kanada-Gipfel in Brüssel an bestimmte Bedingungen geknüpft. Auch ein Stopp ist immer noch möglich.

Die Bundesregierung darf das zwischen der EU und Kanada ausgehandelte Freihandelsabkommen Ceta vorläufig mit auf den Weg bringen. Das Bundesverfassungsgericht wies mehrere Eilanträge gegen eine Zustimmung Deutschlands ab, formulierte aber Bedingungen. Das vorläufige Ja des Richter zur Unterzeichnung des umstrittenen Ceta-Freihandelsabkommens erfreut Staatsregierung und Wirtschaft in Bayern. Eine Abschottung im internationalen Handelsbereich sei nicht im Interesse des Exportlandes Bayerns, sagte Wirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU). Bayern lebe vom freien Welthandel. Rund die Hälfte des Pro-Kopf-Einkommens im Freistaat hängt direkt oder indirekt vom Außenhandel ab.

Eine Abschottung im internationalen Handelsbereich ist nicht im Interesse des Exportlandes Bayern. Bayern lebt vom freien Welthandel.

Ilse Aigner, Wirtschaftsministerin

Die Entscheidung stelle zu Recht die Bedeutung der Außenhandelspolitik sowie der außenpolitischen Verlässlichkeit Deutschlands heraus, sagt die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt. Ceta bezeichnete sie als eines der modernsten Abkommen, das wesentlich zur Sicherung des Wohlstandes in Europa und Deutschland beitragen würde.

Mit der Entscheidung der Verfassungsrichter kann das Ceta-Abkommen auf dem EU-Kanada-Gipfel in Brüssel unterzeichnet werden. Die Bundesregierung muss aber dafür sorgen, dass dabei bestimmte Bedingungen eingehalten werden. Unter anderem muss sichergestellt sein, dass Deutschland aus dem Abkommen trotz vorläufigen Inkrafttretens notfalls wieder herauskäme. Nur dann hat die Bundesregierung grünes Licht. Das Urteil sagt noch nichts aus über die Erfolgsaussichten der mit den Eilanträgen verbundenen Verfassungsbeschwerden. Über sie will das Gericht zu einem späteren Zeitpunkt im Detail verhandeln.

Stopp von Ceta noch möglich

Ein Stopp von Ceta ist also immer noch möglich. Im Eilverfahren hatten die Richter nur zu prüfen, ob in der Zwischenzeit nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen.

Vorgesehen ist, dass Ceta nach der Unterzeichnung und der Zustimmung des EU-Parlaments in Teilen vorläufig in Kraft treten kann, noch ehe der Bundestag und die Parlamente der anderen EU-Staaten abgestimmt haben. Die Kläger hatten die Bundesregierung daran hindern wollen, dieses Verfahren am 18. Oktober im EU-Ministerrat mit zu beschließen. Auf der Zielgeraden prallen die Argumente von Befürwortern und Gegnern aufeinander. Die Debatte dreht sich über den wirtschaftlichen Nutzen, die Einhaltung der verschiedenen Standards – und immer wieder um den Vergleich mit dem Abkommen TTIP mit den USA.

Mehr wirtschaftlicher Nutzen?

Die EU-Kommission verspricht sich von Ceta mehr Wirtschaftswachstum und Exporte. Fast alle Zölle sollen wegfallen, ebenso bürokratische Hürden. Europäische Exporteure sollen so nahezu eine halbe Milliarde Euro sparen. Die Kommission erwartet, dass die Ausfuhren um etwa zwölf Milliarden Euro pro Jahr steigen, und rechnet vor, dass mit jeder zusätzlichen Milliarde 14.000 Jobs entstehen könnten. Ceta-Gegner befürchten dagegen wegen der wachsenden Konkurrenz massive Jobverluste und verweisen auf Folgen früherer Abkommen.

Aushöhlung von Sozial- und Umweltstandards?

Die Organisation Attac nennt Ceta und TTIP eine Gefahr für europäische Sozial- und Umweltstandards, etwa beim Umgang mit genmanipulierten Lebensmitteln, die in EU-Staaten ausgewiesen werden müssen und mehr Kontrolle unterliegen. Die EU-Kommission weist dies zurück. US-Firmen und kanadische Unternehmen blieben an EU-Standards gebunden, sollten sie auf hiesigen Märkten aktiv werden. Auch an den EU-Regelungen für genmanipulierte Lebensmittel ändere sich nichts.

Vorsorgeprinzip

Kritiker sehen außerdem das in der EU geltende Vorsorgeprinzip bedroht. Es erlaubt Produkte nur, wenn sie für Mensch und Umwelt nachweislich unschädlich sind. Güter können auch vorsorglich vom Markt genommen werden, wenn verfügbare Daten noch keine umfassende Risikobewertung zulassen. In den USA gilt dagegen das Risikoprinzip und damit eine Umkehr der Beweislast: Aufsichtsbehörden müssen nachweisen, dass von einem Stoff eine Gefahr ausgeht. Kanada nutzt das Vorsorgeprinzip laut Bundeswirtschaftsministerium „in vielen Fällen“ – was die Bundesregierung für ausreichend hält. Kritikern sind die Formulierungen in Ceta zum Vorsorgeprinzip dagegen zu weich, sie verlangen Klarstellungen.

Investitionsschutz

Ceta enthält Regelungen zum Schutz von Investitionen. Zunächst war ein Festhalten am alten System privater Schiedsgerichte vorgesehen. Nun ist beabsichtigt, dass ein öffentlicher Investitionsgerichtshof Streitfälle mit Konzernen löst. Kritiker monieren, auch das sei eine „Paralleljustiz“ wie in früheren Abkommen. Das Wirtschaftsministerium hält die Klauseln in Ceta für einen Fortschritt, lässt aber selbst Skepsis erkennen: „Die Bundesregierung hält spezielle Vorschriften zum Investitionsschutz in Freihandelsabkommen zwischen Staaten mit entwickelten Rechtssystemen weiter für nicht unbedingt erforderlich.“

Chancen auf Änderungen

Die SPD will auf Druck interner Kritiker im parlamentarischen Verfahren Nachbesserungen erreichen, etwa durch verbindliche ergänzende Erklärungen. Kanada ist bereit dazu, auch die EU-Kommission, sie schließt Nachverhandlungen am eigentlichen Vertragstext aber aus. Die Organisation Foodwatch warnt, rechtsverbindlich seien Korrekturen nur bei Zustimmung aller Beteiligten: Kanada, EU-Mitgliedstaaten und EU-Parlament. Die Organisation dringt daher auf Änderungen am Abkommen vor der Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung. Denn Änderungen im Ratifizierungsprozess würden Jahre dauern.

Cetas Zeitplan

Bei einem EU-Ministertreffen am 18. Oktober in Luxemburg soll auf europäischer Seite endgültig grünes Licht für das Abkommen gegeben werden. Mit der feierlichen Unterzeichnung des Abkommens am 27. Oktober könnten die Verhandlungen zwischen der EU und Kanada endgültig enden. Dann startet der Ratifizierungsprozess. Ceta kann erst dann vollständig in Kraft treten, wenn zuvor die nationalen Parlamente ihre Zustimmung gegeben haben. Das Verfahren dürfte sich mindestens über ein Jahr hinziehen.

Am fünften Dezember steht die Abstimmung im Handelsausschuss des EU-Parlaments an, dann folgt die Abstimmung im EU-Parlament. Wenn die Europaabgeordneten zustimmen, kann das Abkommen danach in großen Teilen vorläufig angewendet werden. Nur diejenigen Teile, die nicht in alleiniger EU-Kompetenz liegen, sind ausgenommen. Ein Beispiel sind Regelungen zu Streitigkeiten zwischen Staaten und Unternehmen.

Was ist Ceta?

Ceta ist die Abkürzung für das Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und Kanada. Es steht für „Comprehensive Economic and Trade Agreement“ (Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen). Die technischen Verhandlungen begannen 2009, beendet wurden sie 2014. Am 27. Oktober soll Ceta unterzeichnet werden. Ziel des Abkommens ist es, durch den Wegfall von Zöllen und „nichttarifären“ Handelsbeschränkungen, wie unterschiedlichen Standards und Normen, das Wirtschaftswachstum anzukurbeln.

Nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums ist die EU für Kanada nach den USA der zweitwichtigste Handelspartner. Ceta gilt auch als Blaupause für das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA (TTIP), das den weltgrößten Wirtschaftsraum mit rund 800 Millionen Verbrauchern schaffen würde.